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Vorerst keine Neuwahlen in Österreich

31-01-2024, 20:50

Nur die Oppositionsparteien stimmten einem Neuwahlantrag der FPÖ im Nationalrat zu.

Die Österreicher müssen sich zumindest vorerst nicht auf vorgezogene Neuwahlen einstellen. Ein entsprechender Antrag der Freiheitlichen fand Mittwoch Abend im Nationalrat nur die Zustimmung der anderen Oppositionsparteien. ÖVP und Grüne bekundeten ihren Willen, bis zum regulären Wahltermin im September weiter arbeiten zu wollen.

SPÖ-Klubvize Jörg Leichtfried, dessen Fraktion am Mittwoch auch einen eigenen Neuwahlantrag eingebracht hat, erkannte in der Arbeit der Regierung bloß "Tristesse". Österreich sei in Westeuropa das Land mit der höchsten Teuerung. Dazu gebe es eine haarsträubende Zwei-Klassen-Medizin und es seien die Mieten beispiellos "hinaufgeschnalzt" worden. Daher sei es an der Zeit für eine neue Regierung und einen "echten Reformkanzler".

Schnedlitz über Nehammer: "Herz in Hose gerutscht"

Der freiheitliche Generalsekretär Michael Schnedlitz bedauerte, dass Kanzler Karl Nehammer die Republik nicht "aus dem Wahnsinn" befreie und Neuwahlen ansetze: "Das Herz ist ihm in die Hose gerutscht." Nehammer zögere nur, weil er Angst vor dem Volk und FPÖ-Obmann Herbert Kickl habe. Der ÖVP riet Schnedlitz, sich alleine aus Selbstschutz von Nehammer zu trennen.

Von NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos wurde der Koalition empfohlen, das längst überfällige "Es reicht" zu sagen. Es gehe in der Regierung nicht mehr miteinander. Der ÖVP richtete er angesichts des neuen "Österreich-Plans" der Volkspartei aus: "Was haben sie in den vergangenen 37 Jahren gemacht? Das ist nichts anderes als eine Selbstanklage."

Neuwahl-Wünsche: Gelassene Reaktion

In der Koalition reagierte man auf die Neuwahl-Wünsche gelassen. VP-Mandatar Michael Hammer verwies darauf, dass auch die Bürger keine Neuwahlen wollten. Bezeichnend fand er, dass kaum Abgeordnete der FPÖ (es war knapp die Hälfte, Anm.) der von ihr initiierten Debatte lauschten. Ohnehin wollten die Freiheitlichen nur wählen, um die Identitären schnell vom Dach hinein ins Parlament zu holen. Die rechtsradikale Organisation, die von Kickl schon öfter verteidigt wurde, hatte ja zuletzt das Palais Epstein erklommen und dort einen Banner entrollt.

Grünen-Mandatar Lukas Hammer erinnerte daran, dass die FPÖ bei Reformvorhaben wie gläsernen Kassen oder Informationsfreiheit nicht mitgestimmt habe. Jetzt könnten sich die Freiheitlichen vielleicht nicht vorstellen, dass eine Regierung eine volle Legislaturperiode durchhalte: "Sie haben es in vier Anläufen nicht geschafft."

Nationalrat beschloss neues Informationsfreiheitsgesetz

Die Amtsverschwiegenheit ist bald Geschichte. Der Nationalrat hat Mittwochabend gegen die Stimmen von FPÖ und NEOS, aber mit der nötigen Verfassungsmehrheit das neue Informationsfreiheitsgesetz beschlossen. Damit sind öffentliche Stellen ab September kommenden Jahres zur Auskunftserteilung innerhalb von maximal acht Wochen verpflichtet.

"Wir drehen das System um 180 Grad", freute sich Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP). "Das verstaubte Amtsgeheimnis ist Geschichte", ging Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer "das Herz über" - "Es ist Schluss mit der Geheimniskrämerei."

Die SPÖ hatte den Beschluss mit ihren Stimmen erst möglich gemacht. Ihr stellvertretender Klubobmann Jörg Leichtfried meinte dann auch, dass eine elfjährige Diskussion zu einem guten Ende gebracht werde: "Wir bringen Österreich in Sachen Transparenz auf die Höhe der Zeit." Von einer endgültigen Abkehr von der josephinistischen Einstellung sprach VP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl.

FPÖ, NEOS zeigten sich unzufrieden

Erstaunlich unzufrieden zeigten sich FPÖ und NEOS. Die beiden Oppositionsparteien hakten unter anderem dabei ein, dass die pro-aktive Auskunftspflicht nur für Gemeinden mit über 5.000 Einwohnern gilt. FP-Justizsprecher Harald Stefan erkennt hier sogar eine Verschlechterung zum Ist-Zustand. Man könne nicht einfach "Menschen erster und zweiter Klasse in Sachen Informationsfreiheit schaffen".

Ausnahmen etwa für Landtage und Kammern prangerte NEOS-Vizeklubchef Nikolaus Scherak an. Zudem sei das Gesetz durch einfache Bundes- oder Landesgesetz nicht anwendbar zu machen. Nur weil man ein Gesetz Informationsfreiheitsgesetz nenne, heiße das nicht, dass auch jeder zu Information komme. Stefan vermisste auch einige Punkte, die im Ursprungsentwurf noch beinhaltet gewesen seien, etwa eine Cooling-Off-Phase für Politiker vor dem Eintritt in den Verfassungsgerichtshof.

Im Wesentlichen sieht das Informationsfreiheitsgesetz für öffentliche Stellen eine Pflicht zur Auskunftserteilung vor: Das betrifft die Verwaltungsorgane von Bund und Ländern sowie allen Gemeinden. Ebenso Auskunft erteilen müssen die mit der Besorgung von Geschäften der Bundesverwaltung und der Landesverwaltung betrauten Organe. Auch nicht hoheitlich tätige Stiftungen, Fonds, Anstalten und Unternehmen mit bestimmendem Staatseinfluss sind auskunftspflichtig. Bei letzteren darf deren Wettbewerbsfähigkeit aber nicht eingeschränkt werden.

Nach Antrag soll die Auskunft innerhalb von vier Wochen erteilt werden, im Ausnahmefall kann die Frist um noch einmal vier Wochen verlängert werden. Informationen von "allgemeinem Interesse" müssen von staatlichen Organen künftig auch "proaktiv" veröffentlicht werden, nicht aber von Gemeinden unter 5.000 Einwohner.

Relativ langsame Umstellung

Die Umstellung erfolgt relativ langsam. Die neuen Regeln gelten erst mit September 2025. Edtstadler begründete dies unter anderem damit, dass es entsprechende Schulungen und Leitfäden brauche.

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) ergriff im Plenum nicht mehr das Wort. Er hatte schon nach dem Ministerrat seine Erleichterung kundgetan, dass man nach jahrelangen Verhandlungen zu einem Ergebnis gekommen ist: "Das war ein verdammt hartes Brett."

(APA/Red)

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