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Von wegen Freiheit

18-08-2023, 08:16

Gastkommentar von Johannes Huber. Bargeld ist fast allen Menschen in Österreich wichtig. Nehammer und Kickl nützen das hemmungslos aus – und täuschen darüber hinweg, worüber es ihnen in Wirklichkeit geht.

Die Sache ist durchschaubar: Der bereits wahlkämpfende Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) gibt vor, Bargeld in der Verfassung verankern zu müssen. Er weiß: Fast allen Menschen in Österreich ist es wichtig, mit Münzen und/oder Scheinen bezahlen zu können. Bei einer Umfrage, die vor zwei Jahren im Auftrag des Finanzministeriums durchgeführt worden ist, ist das jedenfalls von 87 Prozent betont worden. Bei Älteren handelte es sich sogar um 97 Prozent.

Das ist aufgelegt für Populisten: Man vermittle den Eindruck, dass Bargeld gefährdet sei und tue gleich auch so, als würde man sich für seinen Erhalt engagieren. FPÖ-Chef Herbert Kickl macht das schon lange. Jetzt ist auch Karl Nehammer dazu übergegangen.

In Wirklichkeit ist Bargeld nicht gefährdet, sondern dort verankert, wo es wirkungsvoll abgesichert ist: In der EU-Verfassung. Und in Wirklichkeit ist gerade auch eine EU-Verordnung im Werden, die die Annahme von und den Zugang zu Bargeld gewährleisten soll. Wer besorgt ist, kann sich daran beteiligen. Alles andere ist Show.

Nehammer und Kickl geht es ausschließlich darum, Stimmung zu ihren Gunsten zu machen. Genauer: Kickl spielt dieses Spiel schon länger mit einem solchen Erfolg, dass Nehammer nun glaubt, es ebenfalls versuchen zu müssen. Er weiß: Wenn die FPÖ bei Wahlen stark gewinnt, kann die ÖVP eher nur stark verlieren. Das gilt es aus seiner Sicht in der erwähnten Weise zu verhindern.

Gerne reden die beiden Politiker, denen laut APA/OGM-Index eine große Mehrheit der Menschen in Österreich misstraut, im Übrigen davon, dass es ihnen beim Bargeld um Freiheit gehe. Das macht die Sache nicht besser. Beide sind denkbar unglaubwürdige Hüter der Freiheit.

Erstens: Die wohl weitreichendste Freiheitsgefährdung geht mit der Digitalisierung bzw. zum Beispiel den Spuren einher, die man bei der Benützung sozialer Medien oder als Kunde von Onlineversandhändlern hinterlässt. Wäre Nehammer und Kickl Freiheit wichtig, würden sie sich damit befassen. Das bleiben sie jedoch schuldig.

Zweitens: Nehammer hat sich nach dem Vorbild der niederösterreichischen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) im Sommer auch angemaßt, definieren zu müssen, wer oder was normal ist. Das ist eine Kampfansage an Vielfalt bzw. die Freiheit, zu sein, wie man sein möchte. Unter Umständen halt auch anders als sich das ein rechtspopulistischer Bundeskanzler so vorstellt.

Drittens: Kickl kämpft für eine „Festung Österreich“ mit geschlossenen Grenzen. Sprich: Auch österreichischen Staatsangehörigen würde ein ungehinderter Grenzübertritt verwehrt werden. Und zwar nicht nur anlassbezogen-temporär, wie es derzeit da und dort der Fall ist, sondern wohl auf Dauer. Das ist Freiheitsbeschränkung.

Johannes Huber betreibt den Blog – Analysen und Hintergründe zur Politik

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