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Nationalrat: Neues ORF-Gesetz führte zu emotionaler Debatte

5-07-2023, 21:10

Zu einer emotionalen Debatte ist es am Mittwoch im Nationalrat gekommen. Das hing mit dem neuen ORF-Gesetz zusammen.

Das neue ORF-Gesetz mit dem Ersatz der GIS durch eine Haushaltsabgabe hat am Mittwoch im Nationalrat zu der erwartet emotionalen Debatte geführt. Während die Koalition den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zukunftsfit gemacht sah, hagelte es seitens der Opposition scharfe Kritik. Speziell FPÖ-Klubchef Herbert Kickl gab sich entrüstet und sah den ORF als "Propaganda-Instrument der Mächtigen" fortgeschrieben.

Neues ORF-Gesetz bringt Ende der GIS-Gebühr

Worum es geht: Das neue ORF-Gesetz bringt das Ende der GIS-Gebühr, die durch eine Haushaltsabgabe ersetzt wird. Diese ist mit 15,30 Euro pro Monat zwar rund drei Euro günstiger, muss aber künftig von allen bezahlt werden. Dazu kommt in einigen Bundesländern eine Landesabgabe. Mehr Möglichkeiten gibt es online, indem sowohl online-only als auch online-first produziert werden darf.

Die gegenwärtige Sieben-Tage-Beschränkung für Abrufe in der TVthek wird je nach Inhalt auf einen längeren Zeitraum ausgedehnt. Dafür erwarten den ORF stärkere Werbebeschränkungen im Radio- und Digitalbereich sowie mehr Transparenzpflichten etwa bei Nebeneinkünften. Der ORF darf künftig neu einen Online-Kinderkanal anbieten und ORF Sport + als digitalen Kanal führen. Bis 2026 bleibt der Sportspartenkanal aber in linearer Form erhalten. Mit Bundesmitteln wird das Bestehen des ORF-Radiosymphonieorchesters bis 2026 gesichert. Die Opposition forderte einen dauerhaften Erhalt.

Die Koalition ist mit dem Paket durchaus zufrieden. Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) verwies darauf, dass die Reform letztlich vom VfGH angestoßen worden sei. Auch wenn sie mit manchen Inhalten nicht einverstanden sei, betonte sie die Bedeutung eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks - und dieser müsse auch finanziert werden. Mit der Reform sorge man dafür, dass er für die bisherigen Gebührenzahler billiger werde und mehr anbieten könne.

VP-Mediensprecher Kurt Egger betonte, dass man mit den Online-Vorgaben auch dafür gesorgt habe, dass der Wettbewerb gegenüber privaten Medienhäusern nicht unfair werde. Sport- und Kultur-Angebote blieben ebenso wie die Landesstudios erhalten.

Maurer attackierte FPÖ

Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer betonte, man ermögliche dem ORF, ins 21. Jahrhundert zu gehen. Der Sender sei unabdingbar für die Demokratie. Gleichzeitig sichere man eine vielfältige Medienlandschaft ab. Scharf attackierte sie die FPÖ wegen deren Kritik an den Gebühren. Schließlich werde fpoe.tv mit der Parteienfinanzierung über Steuergeld finanziert und dort werde die freiheitliche Parallelwelt mit "Putin-Lügen" präsentiert.

FP-Chef Kickl hatte mit scharfen Attacken gegen den ORF nicht gespart. Den heutigen Beschluss nannte er eine "Schande". Er sieht eine hunderte Millionen schwere Zwangssteuer. Kickl erkennt im ORF ein "Gemisch aus links-wokem Zeitgeist und schwarz-rot-grünen Machtansprüchen". Auch nach der Reform bleibe der Rundfunk ein "willfähriges Werkzeug zur Unterdrückung der eigenen Bevölkerung".

Kein gutes Haar am Beschluss fand auch der sozialdemokratische Abgeordnete Jörg Leichtfried. Er findet die neue Abgabe weder sozial noch gerecht: "Die Millionenerbin in der Seevilla zahlt gleich viel wie die Supermarktkassiererin in der Zwei-Zimmer-Wohnung." Zudem fehle eine Stärkung der Unabhängigkeit des ORF: "Wo ist die Gremien-Reform?", fragte sich Leichtfried.

Genau dasselbe bemängelte NEOS-Mediensprecherin Henrike Brandstötter. So bleibe der ORF ein "Instrument der Macht des politischen Orchesters". Die NEOS wollten dagegen Kompetenz vor Parteibuch.

Nicht nur ORF Thema

Extremraser können künftig ihre Autos verlieren. Einen entsprechenden Beschluss hat am Mittwoch der Nationalrat mit den Stimmen von Koalition und SPÖ gefällt. Die NEOS votierten dagegen, da sie rechtliche Probleme sehen. Die Freiheitlichen erkennen diese ebenfalls, hätten aber soundso lieber ein höheres Tempolimit auf Autobahnen.

An sich ist ein dreistufiges System vorgesehen, das von der vorläufigen Beschlagnahme über die Beschlagnahme bis zum Verfall des Fahrzeugs reicht. Personen, die im Ort 60 km/h und Überland 70 km/h zu schnell unterwegs sind, kann künftig das Auto ganz weggenommen werden. Bei mehr als 80 km/h (Ortsgebiet) bzw. 90 km/h (Freiland) an Geschwindigkeitsüberschreitungen soll unter bestimmten Umständen schon ein einmaliger Verstoß zum Verfall des Fahrzeugs führen können.

Wie Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) ausführte, werden die Gefährte versteigert. 70 Prozent der Erlöse gehen an den Verkehrssicherheitsfonds, der Rest an die jeweilige Gebietskörperschaft. Gehört das Auto dem Fahrer nicht, wird für ihn ein dauerhaftes Fahrverbot mit dem Fahrzeug erteilte.

Grünen-Verkehrssprecher Hannes Weratschnig meinte, wenn Raserei zur Gefahr für die Allgemeinheit werde, brauche es harte Sanktionen. Dies sei kein Kavaliersdelikt. Sein VP-Kollege Andreas Ottenschläger betonte, dass ein Auto für viele ein wichtiges Mobilitätsmittel sei: "Aber es ist im Straßenverkehr kein Spielzeug." Wenn das Auto zur Waffe werde, weil es missbräuchlich verwendet werde, dann müsse es in letzter Konsequenz "auch irgendwann weg sein".

"Geldstrafen machen sie stolz"

Für einmal war die SPÖ ganz auf Linie mit der Koalition. Ihr Mandatar Dietmar Keck argumentierte, dass bei Extremrasern Führerscheinentzug nichts bringe, da sie auch dann weiterführen - und "Geldstrafen machen sie stolz." Ihre Autos seien aber Heiligtümer und wenn man ihnen diese wegnehme, sei das die einzige Handhabe, um Leben zu retten.

Gewessler erinnerte daran, dass solch ein Verkehrsverhalten auch eine Gefahr für Unbeteiligte bedeute: "Jeder einzelne Fall ist unerträglich."

Die NEOS gaben sich zwar ebenfalls an Raser-Bekämpfung interessiert, zu einer Zustimmung rang man sich aber nicht durch. Justizsprecher Johannes Margreiter gab rechtliche Bedenken an. Er meint, dass der VfGH etwa deshalb nicht mitspielen werde, da eine viel zu starke Unterscheidung zwischen Autobahnen und Ortsgebiet gegeben sei.

Rechtsprobleme und gescheiterte internationale Vorbilder machte der freiheitliche Verkehrssprecher Gerhard Deimek geltend und zeigte sich als Schutzpatron der Kfz: "Autos sind weder Waffen noch als solches böse und gefährlich." Er schlug vor, das Tempo auf den Autobahnen wie in Italien zu erhöhen. Das wäre etwas anständiges, findet Deimek.

ElWOG-Beschluss setzt Blockade ein Ende

Änderungen im Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG) haben Mittwochabend das Ende der SPÖ-Zwei-Drittel-Blockade eingeleitet. Freilich stimmten nicht nur die Sozialdemokraten der Verfassungsmaterie zu, sondern auch Freiheitliche und NEOS. Im Wesentlichen geht es bei der Novelle darum, dass Konsumenten von den Versorgern besser informiert werden müssen und damit zu einem billigeren Tarif gelangen sollen.

So sollen Stromhändler und Lieferanten verpflichtet werden, preisrelevante Daten von Standardprodukten unverzüglich der Regulierungsbehörde für die Eingabe in den Tarifkalkulator zu übermitteln. Zudem sollen Lieferanten aufgefordert werden, jährlich ein Informationsschreiben über Wechselmöglichkeiten samt Hinweis auf den Tarifkalkulator an Kunden zu senden. Bei Bindungsfristen soll über das bevorstehende Ende sowie über die Wechselmöglichkeit informiert werden. Bei Floater-Tarifen, die Preisschwankungen direkt an die Kunden weitergeben, wird festgelegt, dass der Versorger die Verbraucher und Kleinunternehmer nachweislich vor Abschluss des Vertrags über Chancen sowie Kosten und Risiken dieser Tarife informieren muss.

Dass die SPÖ bei der Materie zustimmt, wollte Energiesprecher Alois Schroll nicht auf ein Blockade-Ende zurückführen, habe es doch nie eine Blockade gegeben. Vielmehr habe es in diesem Fall Vorgespräche auf Augenhöhe gegeben. Der freiheitliche Mandatar Axel Kassegger betonte, dass die Koalition erstmals an die FPÖ zu Verhandlungen herangetreten sei und man auch zustimme, da es sich an sich um eine vernünftige Regelung handle. Am längsten überlegt haben die NEOS, sahen sie doch durch die Vorschriften kleinere Anbieter doch stark gefordert. Letztlich entschied man sich aber doch im Sinne günstiger Tarife für eine Zustimmung.

Ebenfalls einstimmig beschlossen wurde, dass es im Fall eines Verstoßes gegen die Vorratspflicht zur Erdöl-Pflichtnotstandsreserve schärfere Sanktionen geben soll. Betroffen sind etwa Importeure von Erdöl, Erdölprodukten, Biokraftstoffen oder Rohstoffen zur direkten Erzeugung von Biokraftstoffen. Im Falle eines verwaltungsstrafrechtlichen Verstoßes bei der Vorratspflicht sollen dem Vorratspflichtigen künftig Geldstrafen bis zu 116.240 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von bis zu sechs Wochen drohen, wenn er in einem Kalendermonat der Bevorratungsperiode seiner Vorratspflicht nicht nachkommt. Bei Fahrlässigkeit beträgt die Maximalstrafe die Hälfte.

Nationalrat schloss Lücken bei Energiehilfen

Der Nationalrat hat Mittwochabend mit den Stimmen von Koalition und FPÖ Lücken bei den Energiehilfen geschlossen. So erhalten "Neue Selbstständige" einen Energiekostenzuschuss in Höhe von 410 Euro, der im vierten Quartal ausgeschüttet wird. Profitieren werden auch Non-Profit-Organisationen.

Das neue Gesetz für einen Energiekostenzuschuss für NPO sieht in den Jahren 2023 und 2024 Unterstützungsleistungen für Energiemehrkosten für jene Organisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit aus dem gemeinnützigen und kirchlichen Bereich vor, die nicht im Sinne der entsprechenden Regelung im Umsatzsteuergesetz unternehmerisch tätig sind. Insgesamt wird dafür ein Betrag von bis zu 140 Mio. Euro zur Verfügung gestellt. Doppelförderungen sollen vermieden werden.

Was die "Neuen Selbstständigen" angeht, soll die Förderung für jene gelten, die im Zeitraum von Februar bis Dezember des Vorjahres durchgehend nach GSVG pflicht- bzw. krankenversichert waren, sofern die endgültige oder vorläufige monatliche Beitragsgrundlage für den Monat Dezember 2022 die Höchstbeitragsgrundlage (6.615 Euro) nicht erreicht.

NR: Mehr Mittel für Frauenschutz-Einrichtungen

Schutzunterkünfte für von Gewalt betroffene Personen werden ausgebaut. Die entsprechende Bund/Länder-Vereinbarung wurde Mittwochnachmittag vom Nationalrat einstimmig abgesegnet. Geschaffen werden sollen mindestens 90 zusätzliche Frauenplätze und ebenso viele Kinderplätze. Unterstützt werden soll das über einen Zweckzuschuss des Bundes, mit dem ab November bis Ende 2026 jährlich drei Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden.

Ebenfalls einstimmig wurde am Abend ein Rechtsanspruch zur Begleitung von Kindern in eine Reha beschlossen. Eltern können bis zu vier Wochen pro Jahr freigestellt zu werden, um ein Kind bei einem Rehaaufenthalt vor Ort zu unterstützen. Die Eltern können die Zeit teilen, nicht aber gleichzeitig die Reha begleiten. Der Anspruch soll dann gelten, wenn einem Kind unter 14 Jahren von der Sozialversicherung ein stationärer Aufenthalt in einer Rehabilitationseinrichtung bewilligt wurde. Für die Dauer der Freistellung soll den Arbeitnehmern Pflegekarenzgeld gebühren.

NEOS wollen Senkung der Lohnnebenkosten

Die dreitägige Plenarwoche vor der Sommerpause hat am Mittwoch mit der Forderung nach weniger Steuern auf Arbeit begonnen. "Setzen Sie massiv auf steuerliche Entlastung, vor allem bei den Lohnnebenkosten", appellierte NEOS-Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger im Rahmen einer Aktuellen Stunde. Auch die SPÖ forderte Maßnahmen gegen die Inflation ein. Die frühere Staatssekretärin Muna Duzdar rückte nach dem Ausscheiden Pamela Rendi-Wagners als SPÖ-Abgeordnete nach.

Die SPÖ appellierte in einer Kurzdebatte für ein umfassendes Inflationsdämpfungsgesetz. Die Mieterhöhung soll zurückgenommen, die Mieten bis Ende 2025 eingefroren werden. Auch dann sollen sie um nicht mehr als zwei Prozent im Jahr erhöht werden. Die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel des täglichen Bedarf soll ausgesetzt werden. Schließlich fordert die SPÖ eine Anti-Teuerungskommission, die u.a. sicherstellt, dass milliardenschwere Hilfszahlungen an Unternehmen in Form von sinkenden Preisen an die Menschen weitergegeben werden.

Christoph Matznetter (SPÖ) appellierte, der Nationalrat solle nicht in Sommerpause gehen, bevor etwas gegen die Inflation getan werde - die SPÖ hatte am Vortag gefordert, die Pause auszusetzen. Nun solle die Regierung ihre "Blockadehaltung" im Kampf gegen die Teuerung aufgeben.

Auch NEOS nahmen Teuerung in Blick

Auch die NEOS hatten während einer "Aktuellen Stunde" zu Beginn der Sitzung die Teuerung in den Blick genommen und eine Senkung der Lohnnebenkosten gefordert. Die Maßnahmen der Regierung hätten die Inflation durch per "Gießkanne" verteilte Hilfen weiter befeuert. Die ÖVP kritisierte Meinl-Reisinger auch für ihre Themensetzung - gemeinsam mit der FPÖ führe sie einen "feurigen Kulturkampf gegen das Gendern", anstatt sich auf die Inflation zu konzentrieren - "Ihr seid echt nicht mehr ganz bei Trost".

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) wollte indes das Positive sehen: So seien die Kaufkraft und die realen Haushaltseinkommen sogar leicht gestiegen. Strukturelle Entlastungen habe man u.a. bereits durch die Abschaffung der Kalten Progression geschaffen, auch eine Senkung der Lohnnebenkosten habe man bereits umgesetzt, betonten sowohl Brunner als auch der grüne Budgetsprecher Jakob Schwarz.

"Die Superreichen sollen endlich einen gerechten Beitrag leisten"

Auch für Hubert Fuchs (FPÖ) und Kai Jan Krainer (SPÖ) sind die Steuern auf Arbeit zu hoch. Finanzieren will Krainer eine Reduktion mit einer Vermögenssteuer - "Die Superreichen sollen endlich einen gerechten Beitrag leisten." Dem kann der Finanzminister nichts abgewinnen: "Hart erarbeitetes Eigentum" wäre auch beim Einziehen einer Schwelle betroffen.

Nach dem Ausscheiden der früheren SPÖ-Chefin Rendi-Wagner wurde Duzdar heute mit Baby auf dem Arm als Abgeordnete angelobt. Die frühere Staatssekretärin, die Parteichef Andreas Babler im internen Wahlkampf offen unterstützt hatte, wird statt des Rendi-Wagner-Vertrauen Jörg Leichtfried Mediensprecherin, während Petra Bayr Rendi-Wagners Aufgabe als außenpolitische Sprecherin übernimmt. Christoph Matznetter erhält den Vorsitz im außenpolitischen Ausschuss. Neuer Integrationssprecher ist Christian Oxonitsch, der diese Rolle von Petra Tanzler übernimmt, die Hans Peter Doskozil im SPÖ-Wahlkampf unterstützt hatte. Neue Landwirtschaftssprecherin ist Elisabeth Feichtinger. Cornelia Ecker wechselt nämlich vom Nationalrat in die Salzburger Kommunalpolitik. Statt der neuen stellvertretenden Klubchefin Eva Maria Holzleitner ist der burgenländische Mandatar Maximilian Köllner nun Jugendsprecher.

Mit den Stimmen der Regierung wurde u.a. bereits das ORF-Gesetz beschlossen, gegen die Stimmen der FPÖ das Terrorinhalte-Bekämpfungs-Gesetz. Dabei geht es um eine EU-Vorgabe für Hostingdienste, terroristische Inhalte auf Basis von Behörden-Anordnungen innerhalb einer Stunde zu löschen.

(APA/Red)

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