Laut dem EU-Budgetkommissar Johannes Hahn wird den Mitgliedern der EU-Kommission deutlich besser auf den Zahn gefühlt als angehenden Bundesministern.
"Ich fühle ich mich wesentlich legitimierter als Kommissar hinsichtlich der Überprüfung meiner Fähigkeiten" denn als Minister, sagte der ehemalige Leiter des Wissenschaftsressorts am Freitag vor Schülerinnen und Schülern seiner ehemaligen Schule, des Haydngymnasiums in Wien-Margareten.
Hahn: EU-Kommissaren wird mehr auf den Zahn gefühlt
Der EU-Kommissar berichtete von den umfangreichen Hearings, dem sich alle Kandidaten für die Posten in der EU-Kommission vor dem Europaparlament unterziehen müssen. "Dann gibt es zwischen Fragenden und Antwortenden vier Stunden ein Ping-Pong. (...) Die Idee ist, wirklich zu beweisen, dass man die Materie, für die man in Zukunft zuständig ist, auch beherrscht." Immer wieder würden dabei auch Kandidatinnen und Kandidaten von den EU-Abgeordneten abgelehnt, erinnerte er. Dagegen sei die Anhörung im österreichischen Nationalrat nach der Angelobung als Minister deutlich harmloser. Der ÖVP-Politiker war von 2007 bis 2010 Wissenschaftsminister in den SPÖ-ÖVP-Koalitionen unter den Bundeskanzlern Alfred Gusenbauer und Werner Faymann (beide SPÖ) gewesen, bevor er in die EU-Kommission entsandt wurde.
Schüler sprach Hahn auf EU-Korruptionsskandale an
Ein Schüler sprach Hahn auf die EU-Korruptionsskandale an und erwähnte darunter auch Vorwürfe gegen Hahn selbst. Der EU-Kommissar betonte die "umfangreichen Compliance-Regeln", an die sich EU-Kommissare
selbst noch einige Zeit nach Ende ihrer Amtszeit zu halten hätten. Das
schließe Nebeneinkünfte aus, beinhalte dafür aber die Meldung jeglicher
Nebentätigkeiten, auch unentgeltlicher. "Wo immer Menschen sind, kann
etwas passieren, aber insgesamt haben wir schon ein umfangreiches Paket
und unterliegen schon einer sehr öffentlichen Kontrolle."
Auf die
Vorwürfe gegen ihn selbst ging Hahn bei seinem Auftritt nicht ein. 2015
hatte er sich laut einem Bericht der französischen Zeitung "Libération"
zu einem Jagdausflug der belgischen Lobby der Landbesitzer (ELO)
einladen lassen, wobei das Abendessen vom Europäischen Rechnungshof
bezahlt wurde. Hahn hatte diese Einladungen nicht den zuständigen
Stellen gemeldet. Der Kommissar wies nach Bekanntwerden der Vorwürfe im
Dezember 2021 diese mehrfach zurück und betonte, dass er sich "an die
Regeln gehalten habe".
Schüler interessierten sich für Auswirkungen des Russland-Angriffs
Mehrere Schülerinnen und Schüler
interessierten sich für die Auswirkungen der nach dem Angriff Russlands
auf die Ukraine verhängten EU-Sanktionen. Hahn betonte, dass die
Sanktionen auf Dauer sehr wohl der russischen Wirtschaft schaden würden:
"Viele von diesen Sanktionen wirken unmittelbar, und manche mit einer
gewissen Verzögerung", so etwa der Exportstopp für den Transfer
westlicher Technologie nach Russland, etwa im Bereich der Öl- und
Gasförderung. "Wir mussten reagieren, denn wenn du nicht reagierst, wäre
das ein Eingeständnis, dass diese Attacke auf die Ukraine etwas ist,
was andere akzeptieren."
Der Ukraine-Krieg habe freilich auch
direkte Auswirkungen auf die europäische Bevölkerung: "Der Energiepreis
ist explodiert", die Inflation sei deutlich angestiegen. Allerdings sei
es gerade für Österreich nicht so leicht, vom russischen Erdgas
unabhängig zu werden, denn man habe sich in den vergangenen Jahren zu
einseitig auf russische Gaslieferungen per Pipeline gestützt. Während
bei einem Unternehmen "die Risikostreuung zum A und O gehört", haben
"wir in der Politik das verabsäumt", räumte Hahn ein. Der Bau von
Terminals für verflüssigtes Erdgas (LNG) dauere seine Zeit, "der
richtige Bottleneck ist aber der Transport", denn dafür würden spezielle
Schiffe benötigt. Der auch für die Infrastruktur der EU-Einrichtungen
zuständige Kommissar verwies gleichzeitig darauf, dass in den
EU-Gebäuden im heurigen Winter die Temperatur auf 19 Grad reduziert
worden sei, "als Ausdruck europäischer Solidarität".
Hahn rief Jugendliche zu politischem Engagement auf
Hahn
rief die Jugendlichen nachdrücklich dazu auf, sich politisch zu
engagieren und zumindest bei Wahlen zu beteiligen. "Am Ende zählt jede
Stimme." So wäre der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union
bei einer höheren Abstimmungsbeteiligung der mehrheitlich
pro-europäischen jungen Briten vielleicht vermeidbar gewesen. Hahn wies
darauf hin, dass sich junge Menschen anteilsmäßig deutlich geringer an
der Volksabstimmung über den EU-Austritt am 23. Juni 2016 beteiligt
hatten als die ältere Bevölkerung.
Man
dürfe auch nicht glauben, dass man politisch und gesellschaftlich nur
dann etwas bewirken könne, wenn man ein politisches Mandat erhält:
"Mitgestalten erschöpft sich nicht darin, dass man Mitglied des
Nationalrates ist." Auch "eine kleine Gruppe kann über die Zeit einen
erheblichen Einfluss gewinnen", wenn sie sich engagiert. Hahn warnte
allerdings von einer von sozialen Medien befeuerten "gedanklichen
Silo-Mentalität", einer Meinungsblase. Er nannte es auch "bedenklich,
wenn sich mittlerweile alles auf Personen reduziert", und nicht auf den
dahinter liegenden politischen Vorstellungen basiert.
Hahn war zu Besuch im Joseph-Haydn-Realgymnasium, wo er 1976 die Matura abgelegt hatte. Zu diesem Anlass erhielt er ein Duplikat seines Maturazeugnisses, ein Klassenfoto und verschiedene andere Erinnerungsstücke an seine Schulzeit.