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Erstes Duell des Wahlkampfs: Kern vs. Strache

6-09-2017, 17:28

Sie tauschten auffallend viele Höflichkeiten aus (Strache sprach sogar von einer neuen Qualität), scharfe Attacken blieben über weite Strecken aus. Am Ende gab es ein Handshake der rot-blauen Kontrahenten. Mehr noch: Kern sprach sogar von einem sehr "amikalen Gespräch" und gestand Strache zu, dass auch der FPÖ-Chef will, dass "das Land vorankommt".

Zahlreiche Politik-Kommentatoren orteten den Beginn eines neuen Kuschelkurses zwischen SPÖ und FPÖ.

Nein, das ist nicht Sukkus des Streitgesprächs zwischen Kern und Strache auf Ö1, das am Mittwochabend (Start: 18.30 Uhr) über die Bühne ging. Es sind vielmehr die erstaunlichen Highlights aus der ersten Debatte zwischen Kern und Strache, deren Premiere vor zehn Monaten stattfand.

Es war die erste öffentliche Annäherung. Der Ton war spürbar ein sanfterer. In der bewegten Historie zwischen SPÖ und FPÖ wird diese Debatte als Türöffner gesehen. Denn seit Franz Vranitzky 1986 eine Koalition mit der Haider-FPÖ ausschloss, ist das Nein zu einer Kooperation mit den Blauen zum roten Identifikationsmerkmal geworden.

Die FPÖ kritisierte das Nein zu Rot-Blau als politische Ausgrenzung. Der erste, der die Vranitzky-Doktrin lockerte, war Ex-SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer. Das Spargelessen mit dem damaligen Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider eröffnete der SPÖ 2003 kurzfristig mehr Verhandlungsspielraum. Ein Jahr nach dem "geheimen" Treffen im Ludersdorfer Hof bei Gleisdorf in der Steiermark wurde in Kärnten die Chianti-Koalition geschlossen. Vor allem die sozialistische Jugend protestiere heftig gegen das rot-blaue Bündnis.

Am Parteitag im November 2004 brachte sie den Antrag ein, keine Koalition auf Bundesebene mit einer "rechtspopulistischen FPÖ" einzugehen, der mit großer Mehrheit angenommen wurde. 2014 wurde der Parteigasbeschluss sogar auf alle politischen Ebene ausgeweitet. Das brachte wenig, denn Hans Niessl bildete 12 Monate später im Burgenland eine Regierung mit der FPÖ. Wiens Bürgermeister Michael Häupl polterte damals: "Das ist eine falsche Entscheidung."

Die Kärntner und die Burgenländer schlossen aber nicht die erste Kooperation mit den Blauen.

Den Anfang machte Bruno Kreisky. 1970 kam es zur ersten offenen Zusammenarbeit. Unter Friedrich Peter hatte die FPÖ zwar nur 5,5 Prozent erreicht, aber das reichte, um unter Duldung einer SPÖ-Minderheitsregierung Bruno Kreisky zur Kanzlerschaft zu verhelfen. Er bekam dafür aber als Zugeständnis eine Wahlrechtsreform, die der FPÖ künftig das Überleben sichern sollte.

Als Kreisky nach 13 Jahren die absolute Mehrheit verlor, wurde Fred Sinowatz 1983 mithilfe der FPÖ vom Unterrichtsminister zum Kanzler. Es bieb bislang das einzige rot-blaue Bündnis im Bund.

Auch wenn die Kern-Strache Debatte vor zehn Monaten als Anfang einer neuen Liaison gedeutet wurde, geklärt ist das Verhältnis noch immer nicht. Zwar gibt es jetzt einen Kriterienkatalog für eine künftige Koalition. Ob es dazu jemals kommen wird, muss aber mittels Urabstimmung geklärt werden.

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