Die (BVT) erreicht den nächsten kuriosen Höhepunkt: Wie KURIER-Recherchen ergaben, ermittelten zwei Staatsanwaltschaften in der Affäre um die nordkoreanischen Pässe parallel – ohne voneinander zu wissen. Die Staatsanwaltschaft Wien prüfte in einem eigenen Verfahren Vorwürfe gegen das BVT und seine Mitarbeiter in Sachen Nordkorea. Und erfuhr offenbar erst aus den Medien von der Razzia der Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Eine Groteske in sieben Akten:
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wien gehen auf Michaela Kardeis, die Generaldirektorin für die Öffentliche Sicherheit, zurück. Sie erhielt anscheinend auch das 40-seitige Konvolut mit verschiedensten Vorwürfen – darin geht es unter anderem um die Affäre rund um nordkoreanische Reisepass-Rohlinge, die vom BVT im Jahr 2016 an den südkoreanischen Nachrichtendienst NIS übergeben wurden.
Foto: KURIER/Gilbert Novy Am Abend des 29. September 2017, vermutlich nach Dienstschluss, geht Kardeis persönlich ins Bundeskriminalamt (BK) und überreicht dem Journalbeamten W. eine Sachverhaltsdarstellung und ein "Verschluss-Kuvert". Der Auftrag lautet, die vorgelegten Unterlagen auf strafrechtlich relevante Tatbestände zu prüfen. So soll einer möglichen Verletzung eines Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses auf den Grund gegangen werden.
In der übergebenen Sachverhaltsdarstellung ist eine – als geheim eingestufte – Rechtfertigung der , sprich die Passübergabe.
hatte diese mehrseitige Unterlage Wochen zuvor, am 8. September 2017, an Generaldirektorin Kardeis geschickt. Er wusste also bereits damals vom drohenden Ungemach.
Foto: KURIER/Dominik Schreiber Der BVT-Direktor argumentierte in dem Papier, dass die Agenten des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-un immer wieder ins Nachbarland eindringen, um Personen zu kidnappen. Folglich haben der Grenzschutz und die Enttarnung gefälschter Pässe für die Südkoreaner höchste Priorität. Daher waren diese Passrohlinge für Vergleichszwecke übergeben worden.
Was macht nun das Bundeskriminalamt mit dem Ermittlungsauftrag der höchsten Polizistin Österreichs (siehe 1. Akt)? Noch am Abend der Übergabe durch Kardeis wird beschlossen, "keine unmittelbaren Sofortmaßnahmen" durchzuführen.
Erst am nächsten Tag werden dem hochrangigen BK-Beamten Andreas Holzer die Unterlagen übergeben, dieser leitet damals das Referat für Organisierte Kriminalität. Das eigentlich zuständige Bundesamt für Korruptionsbekämpfung (BAK) erklärt sich schriftlich für nicht zuständig, deshalb ermittelt das Bundeskriminalamt nach rund einem Monat selbst.
Foto: KURIER/Dominik Schreiber Holzer und sein Stellvertreter Robert Klug überprüfen daraufhin den Fall auf Herz und Nieren, es wird sogar eine umfangreiche Zeitleiste erstellt, mit der der Ablauf der nachvollzogen wird. Dokumentiert ist darin die Übergabe von drei Reisepässen an einen Verbindungsmann des südkoreanischen Geheimdienstes. Am 21. November 2017 legen Klug und Holzer über ihre Ermittlungen einen weiteren Aktenvermerk an.
"Wir haben die Gelegenheit damit als gegessen angesehen", berichtet ein damaliger Spitzenbeamter des Innenministeriums.
Ende Dezember, die FPÖ sitzt nun in der Regierung, richtet die nordkoreanische Botschaft ein Protestschreiben ans Wiener Außenministerium und an das Innenressort, weil sie aus den Medien über die Pass-Weitergabe erfahren hat. Innerhalb des Bundeskriminalamts bricht nun wieder Betriebsamkeit aus. Im Jänner 2018 findet in der ein Gespräch zwischen Klug und der Staatsanwaltschaft Wien statt.
Anschließend gibt es einen Ermittlungsauftrag an das Bundeskriminalamt, über den der BK-Mann den BVT-Direktor Gridling am 2. Februar schriftlich informiert und einen ausführlichen Fragenkatalog übergibt. Gridling wusste spätestens jetzt, dass die Justiz gegen ihn in dieser Causa ermittelt.
Foto: APA/HANS PUNZ Kurz zuvor wandte sich Peter Goldgruber, Generalsekretär im Innenministerium, an die Korruptionsstaatsanwaltschaft. Zwei davon kamen in Begleitung eines Kabinett-Mitarbeiters. Der Akt wird zur geheimen Verschlusssache erklärt. Die Staatsanwaltschaft Wien wusste nichts davon. Das wird dem KURIER am Donnerstag von der Anklagebehörde auch bestätigt.
Als die Razzia am 28. Februar im BVT unter Leitung der WKStA stattfindet, hat die ermittelnde Wiener Staatsanwältin davon keine Ahnung. und dass es um die nordkoreanischen Pässe geht. Nun fällt offenbar auf, dass zwei Staatsanwaltschaften parallel ermittelt haben. Erst am 7. März finden die beiden Ermittlungsakten zusammen. Klug und Holzer übergeben ihre Ermittlungen der Korruptionsstaatsanwaltschaft.