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Boris Johnson denkt an Fußball-WM-Boykott

6-03-2018, 15:55

Großbritannien hat Russland mit neuen Sanktionen und einem Boykott der Fußball-Weltmeisterschaft gedroht, falls die Regierung in Moskau hinter der schweren Erkrankung eines Ex-Doppelagenten stecken sollte. Der britische Außenminister Boris Johnson brachte am Dienstag vor dem Parlament in London beide Optionen ins Spiel, warnte aber zugleich vor voreiligen Schlüssen.

Die britische Polizei suchte mit Hochdruck nach der Substanz, mit der der bewusstlos aufgefundene Ex-Spions Sergei Skripal und dessen Tochter in Kontakt kamen. "Wenn ich an die Weltmeisterschaft in diesem Sommer denke, meine ich, dass eine normale Teilnahme des Vereinigten Königreichs sehr schwer vorstellbar ist", sagte Johnson mit Blick auf Spekulationen über eine Rolle Russlands im Fall Skripal. Für die Fußball-WM vom 14. Juni bis 15. Juli in Russland hat sich das Team aus England qualifiziert, das in Gruppe G gegen Belgien, Tunesien und Panama antritt.

Johnson sagte zudem, es könne sehr gut sein, dass die britische Regierung gezwungen sei, sich die Sanktionen und andere Maßnahmen erneut anzusehen, wenn sich ein Verdacht gegen Russland bestätige. Es wäre aber falsch, voreilige Schlüsse aus den Ermittlungen zu ziehen. Die Regierung in London werde angemessen und robust reagieren.

Foto: AP/Frank Augstein

Gebiet abgeriegelt

Johnson sagte nicht, ob er britische Sanktionen gegen Russland oder eine Verschärfung von EU-weiten Maßnahmen bevorzugt, die wegen der russischen Unterstützung von Separatisten in der Ost-Ukraine verhängt wurden. Er bestätigte, dass es sich bei den in der englischen Stadt Salisbury bewusstlos Aufgefundenen um den 66-jährigen Skripal und dessen 33-jährige Tochter Yulia handelt. Sie waren Sonntag auf einer Bank vor einem Einkaufszentrum aufgefunden worden. Beide befinden sich in einem kritischen Zustand in der Intensivstation eines Krankenhauses. Die Polizei riegelte das Gebiet, wo Skripal gefunden wurde, und eine Pizzeria im Stadtzentrum ab.

Es würden Zeugen befragt, forensische Proben genommen und toxikologische Untersuchungen ausgeführt, sagte der Chef der britischen Anti-Terror-Einheit Mark Rowley dem BBC-Hörfunk. Mit Blick auf den Giftmord am ehemaligen russischen Spion Alexander Litwinenko sagte er, man müsse sich der Tatsache bewusst sein, dass es eine staatliche Bedrohung gebe.

Für die Öffentlichkeit besteht nach offiziellen Angaben keine Gefahr. Zwei Polizeibeamte, die nach ihrem Einsatz mit Krankheitssymptomen ebenfalls ins Krankenhaus gebracht worden waren, konnten das Hospital einem BBC-Bericht zufolge wieder verlassen.

Früherer Agent

Skripal war Agent des russischen Militärgeheimdienstes. 2006 wurde er in einem Geheimprozess in Russland wegen des Verrats russischer Spione an den britischen Geheimdienst zu 13 Jahren Haft verurteilt. Im Zuge eines spektakulären Gefangenenaustauschs zwischen Russland und den USA am Flughafen Wien-Schwechat 2010 kam er nach Großbritannien. Bei dem Gefangenenaustausch waren insgesamt 14 aufgeflogene Spione ausgetauscht worden, unter ihnen die bekannt gewordene Russin Anna Chapman.

Der Fall weckt Erinnerungen an den russischen Ex-Spion Litwinenko, der 2006 in London mit radioaktivem Polonium-210 vergiftet worden war. In einem britischen Untersuchungsbericht wurde dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vorgeworfen, die Tat wahrscheinlich persönlich gebilligt zu haben. Das russische Präsidialamt hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen.

Putin-Sprecher Dmitri Peskow bot den britischen Behörden eine Zusammenarbeit im Fall Skripal an. Bisher sei jedoch keine solche Anfrage eingegangen. Der Präsidialamtssprecher bezeichnete den Vorgang als "tragische Situation". Über die Hintergründe habe er keine Informationen, auch nicht darüber, ob Skripal noch russischer Staatsbürger sei.

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