"Kosovo ist zweifellos ein Teil Serbiens" – eine Phrase, die zwischen Serben und Albanern auch zehn Jahre nach der kosovarischen Unabhängigkeitserklärung noch immer viel Zündstoff birgt. So gesagt von Vizekanzler Heinz-Christian Strache in einem Interview mit der serbischen Zeitung Politika am vergangenen Sonntag.
Während die Aussage in Österreich hohe Wellen schlug, blieb sie laut mehreren Belgrader Journalisten in Serbien eher unbeachtet. Der österreichische Vizekanzler habe dort keine große Bedeutung, so der Tenor. Zudem kenne man seinen Kosovo-Standpunkt aus und vor Serben.
Politika-Redakteur Milenko Pešić staunte daher nicht schlecht, als am Montag bei ihm die Telefone heiß liefen. Die Chefsekretärin in der Belgrader Redaktion hatte sich schon Sorgen gemacht, dass es bei ihm familiäre Probleme gebe, war aber schließlich erleichtert, dass es "nur" um sein Sonntagsinterview mit dem blauen Regierungsmitglied ging .
Auch der KURIER rief bei Pešić an. Denn am Sonntagabend hatte Strache-Sprecher Martin Glier gegenüber der APA die Aussagen des Vizekanzlers berichtigt. Strache habe in dem Interview den Kosovo nicht als "Teil Serbiens" bezeichnet. Österreich habe "den Kosovo als eines der ersten Länder anerkannt" und sei seither "tatkräftiger Unterstützer" Pristinas. Die Passage in der Zeitung sei also falsch. Redakteur Pešić kann allerdings das Gegenteil beweisen. Es habe sich um ein eMail-Interview gehandelt, die Antworten seien auf Deutsch retourniert worden. Das Word-Dokument dazu habe er vor sich liegen.
Wenig später erreichte der KURIER FPÖ-Sprecher Glier in Belgrad. Die Verbindung ist schlecht. Auf Anfrage des KURIER drückt er sein Bedauern aus. Er sei gerade unterwegs – auf das eMail, das die FPÖ an Politika geschickt hat, habe er jetzt keinen Zugriff. Doch er müsse zugeben: Die Passage über den Kosovo sei missverstänlich formuliert gewesen. Strache habe formuliert, "laut serbischem Recht" sei der Kosovo immer noch Teil Serbiens. Im nächsten Satz habe er geschrieben, dass Serbien die Entscheidung Österreichs über Kosovos Unabhängigkeit akzeptieren müsse. Der sei aber nicht veröffentlicht worden.
Mit etwas Druck gab der Chefredakteur von Politika schließlich das Word-Dokument für den KURIER frei. Dass das Dokument verändert worden sein könnte, kann zwar nicht hundertprozentig ausgeschlossen werden. Die betreffende Passage ist jedenfalls ident mit der serbischen Version, die am Sonntag erschienen ist.
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Was machte Strache eigentlich in Belgrad? Bevor Präsident Aleksandar Vučić am Montag zu einem heiklen Besuch in Zagreb aufbrach (heftige Proteste in Kroatien), traf Strache ihn und andere Vertreter Serbiens in Belgrad. Konkreter Output: Unter anderem sollen serbische Beamte demnächst in Wien ausgebildet werden – in Hinblick auf den EU-Beitritt.
Der freundschaftliche Grundton spiegelte sich schließlich in einer Einladung wider: Außenministerin Karin Kneissl soll demnächst nach Belgrad reisen.
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Seinen zehnten Unabhängigkeitstag begeht der Kosovo am Samstag dieser Woche, doch wirklich vom Start weg gekommen ist der jüngste Balkanstaat bis heute nicht, weder wirtschaftlich noch politisch.
Mit Hashim Thaci als Präsident und Ramush Haradinaj als Regierungschef sitzen zwei führende Kämpfer der einstigen albanischen Untergrundorganisation UCK an den Hebeln der Macht. Diese führte den Kampf um die Unabhängigkeit von Jugoslawien an. Nach der militärischen Intervention der NATO im Frühjahr 1999 wurden der Kosovo unter UNO-Verwaltung gestellt und eine internationale Truppe unter NATO-Führung stationiert.
Sowohl die UN-Mission als auch die Truppen sind bis heute vor Ort, auch österreichische Soldaten sind weiterhin stationiert. In den Gebieten im Norden des Kosovo, in denen die serbische Minderheit dominiert, kommt es immer wieder zu gewaltsamen Konflikten, etwa an den Grenzübergängen zu Serbien. Auch ein Grenzstreit mit dem Nachbarn Montenegro ist nicht gelöst.
Inzwischen haben 116 von 193 UN-Mitgliedern die Republik Kosovo anerkannt, doch die Aufnahme in die meisten internationalen Organisationen ist weiterhin blockiert. Wegen wirtschaftlicher und politischer Instabilität ist der Kosovo auch beim Weg in die EU weit hinter allen anderen Balkanstaaten abgeschlagen. Auch der erleichterte Zugang zu Visa für die EU, den die anderen Balkanländer längst haben, ist den Kosovaren noch versperrt. Entsprechend schleppend ist die wirtschaftliche Entwicklung.
Ähnlich miserabel ist die Lage in der Republika Srpska, der autonom regierten Serbenrepublik in Bosnien-Herzegowina. Auch diese ist ein Produkt der Balkankriege, ausgerufen von serbischen Nationalisten am Beginn des Bosnienkrieges 1992. Schon damals war die Vereinigung der Region mit Serbien deklariertes Ziel der Regionalregierung. Auch heute ist mit Milorad Dodik ein erklärter serbischer Nationalist Präsident und politischer Drahtzieher, der weiterhin die Wiedvereinigung mit Serbien fordert und Bosnien als Staat nicht anerkennt. Gebiete, in denen einst Massenmorde an Bosniaken und Vertreibungen stattfanden, wie etwa rund um die Stadt Srebrenica, sind bis heute entvölkert und nicht zur Normalität zurückgekehrt.
Tatsächlich leidet Bosnien-Herzegowina bis heute an einer riesenhaft aufgeblähten und weitgehend funktionsuntüchtigen Regierung und Verwaltung, in der sich die einzelnen Nationalitäten, also Bosniaken, Kroaten und Serben, blockieren. Korruption und Missbrauch von Geldern aus EU-Fonds sind chronische Probleme.