CDU, CSU und SPD haben bei den Koalitionsverhandlungen für eine neue Regierung in Deutschland in einem harten Schluss-Poker versucht, letzte Hürden aus dem Weg zu räumen. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer gingen davon aus, dass sich die Verhandlungen mindestens bis in den Montagabend ziehen würden, womöglich auch bis tief in die Nacht.
Der Unionsteil der großen 91er-Verhandlungsrunde müsse sich nicht vor 18.00 Uhr bereit halten, machten Merkel und Seehofer am Montag nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) aus Teilnehmerkreisen bei einer Vorbesprechung der Unterhändler in Berlin deutlich. Die große Verhandlungsrunde muss am Ende eine abschließende Einigung der Spitzenrunde der 15 Unterhändler auf einen Koalitionsvertrag noch absegnen.
Die Parlamentswahl in Deutschland hatte bereits am 24. September stattgefunden. Zunächst hatten CDU und CSU aber mit der FDP und den Grünen Sondierungsgespräche für ein Bündnis begonnen, diese scheiterten Mitte November. Die SPD hatte nach ihrem schlechtesten Wahlergebnis seit Gründung der Bundesrepublik 1949 ursprünglich in die Opposition gehen wollen, wie Parteichef Martin Schulz noch am Wahlabend erklärt hatte. Innerhalb der SPD gilt er aufgrund seines Schlingerkurses als schwer angeschlagen.
CDU, CSU und SPD hatten die Zahl der strittigen Punkte zuletzt weiter reduziert. Teilweise in Nachtarbeit und seit der Früh seien einige offene Fragen geklärt worden, erfuhr die dpa aus Verhandlungskreisen.
Auch über das Europa-Kapitel wurde demnach inzwischen eine endgültige Einigung erzielt. Nun gebe es noch etwa 15 kleinere offene Punkte und drei große Streitthemen, hieß es weiter: die Gesundheitspolitik, die Regeln für befristete Arbeitsverträge und als übergeordnetes Thema die Finanzen.
Jetzt gehe es "ans Eingemachte", hieß es kurz vor dem geplanten Beginn der Beratungen der Chef-Unterhändler beider Seiten. Zu den ungelösten Knackpunkten gehören zwei Themen, die der SPD besonders am Herzen liegen: Änderungen bei sachgrundlos befristeten Arbeitsverträgen und die Abschaffung der Ungleichbehandlung von Kassen- und Privatpatienten.
Die SPD geht einem internen Szenario zufolge davon aus, dass die Chefs von Union und Sozialdemokraten den Koalitionsvertrag an diesem Dienstag um 9.00 Uhr vorläufig absegnen und den Parteigremien und Fraktionen vorstellen. Der Ablauf sei mit der Union nicht abgestimmt, hieß es in Berlin. Die interne Planung lag der "Rheinischen Post" vor.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur könnte der fertige Koalitionsvertrag von den drei Parteichefs am Dienstagvormittag der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Anschließend müssen die SPD-Mitglieder darüber abstimmen. Eine Option könnte sein, die Briefwahlunterlagen am Wochenende vom 3./4. März auszuzählen und das Ergebnis zu verkünden.
Die Mehrheit der Deutschen lehnt laut einer Umfrage einen Einzug von SPD-Chef Schulz als Minister ins Kabinett der geplanten Großen Koalition ab. 54 Prozent seien gegen ein Ministeramt für Schulz, 36 Prozent würden es befürworten, wie das Forsa-Institut mitteilte. Auch SPD-Anhänger seien der Umfrage für das RTL/n-tv-Trendbarometer zufolge mehrheitlich dagegen, dass Schulz in einer Großen Koalition ein Ministerium übernimmt, mit 47 gegen 44 Prozent.
SPD, CDU und CSU hatten ursprünglich einen Abschluss ihrer Verhandlungen am Sonntag angepeilt, sich Montag und Dienstag aber von Anfang an als Reservetage offen gehalten. Am frühen Sonntagabend entschieden sie, aufgrund ungelöster Streitpunkte auch am Montag noch zu verhandeln. Die meisten Spitzenpolitiker wollten sich zunächst nicht konkret zum Stand der Gespräche über die letzten Streitthemen und einem möglichen Zeitplan äußern.