In der Annahme, die Wohnung sei leer, öffneten am 16. März 2016 acht französische und belgische Terrorfahnder eine Wohnung im Brüsseler Stadtteil Forest – und liefen direkt ins Feuer einer Kalaschnikow. Mehrere Polizisten wurden verletzt, der Angreifer getötet, zwei Männer konnten fliehen.
Einer davon war Salah Abdeslam, der zu diesem Zeitpunkt meistgesuchte Terrorist Europas. Er war der einzige Überlebende jenes islamistischen Terrorkommandos, das im November 2015 in Paris Anschläge auf das Bataclan-Theater und ein Restaurant mit insgesamt 130 Toten verübt hatte. Wie Untersuchungen später ergaben, hatte sein Sprengstoffgürtel wegen eines Defektes nicht gezündet. Zwei Tage versteckte sich der in Brüssel aufgewachsene Sohn marokkanischer Eltern in einem Kellerabteil, dann wurde er aufgespürt.
Abdeslams Verhaftung aber dürfte der restlichen, vom "Islamischen Staat" angeleiteten radikal-islamischen Terrorzelle in Brüssel das Signal zum Zuschlagen geliefert haben: Am 22. März zündeten Attentäter am Flughafen der belgischen Hauptstadt und in der U-Bahn ihre Bomben: 32 Menschen starben.
Foto: APA/AFP/POLICE NATIONALE/DSK Doch nicht wegen seiner Beteiligung am Bataclan-Anschlag oder wegen seiner mutmaßlichen Planungsvorbereitungen für das Attentat in Brüssel steht der 28-jährige Abdeslam ab heute in Brüssel vor Gericht. Zu Verantworten haben er und ein 24-jähriger Komplize sich wegen versuchten Polizistenmordes im Zuge der Razzia im Stadtteil Forest. Allein dafür drohen dem Angeklagten bis zu 40 Jahre Haft. Die Vorbereitungen für den Prozess nach der Terrorwelle von Paris und Brüssel sind hingegen noch nicht abgeschlossen.
Die Erwartungen vieler Hinterbliebener der Terroropfer an den Prozess sind dennoch groß: Seit seiner Verhaftung hat Salah Abdeslam kein Wort darüber gesagt, warum so viele Menschen sterben mussten; was ihn und seine Komplizen angetrieben hat. Kein Wort der Reue des Terroristen, der zwei Monate vor dem Bataclan-Attentat auch bei einer Autofahrt durch Österreich von Polizisten kontrolliert worden war. Sein Schweigen könnte auch während des Verfahrens andauern, befürchten Opferanwälte, und damit noch tiefere Wunden bei den überlebenden Opfern und Hinterbliebenen reißen.
Aus Sicherheitsgründen wird der eigentlich in Frankreich einsitzende Angeklagte jeden Tag von einem 140 Kilometer entfernten Hochsicherheitsgefängnis in Brüssels Justizpalast – und zurück – gebracht. Betonsperren riegeln das Gebäude weiträumig ab, Straßenzüge werden gesperrt, Hunderte Polizisten sind zusätzlich im Einsatz.