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Brückentreffen mit Rissen

30-01-2018, 17:19

Brücken. Wer am Dienstag Sebastian Kurz bei seinem Treffen mit dem ungarischen Regierungschef Viktor Orbán zuhörte, der sah mit seinem inneren Auge überall Brücken. Denn das soll ja die Rolle der österreichischen Regierung in der EU sein: die des Vermittlers, des Brückenbauers zwischen dem elitären Westen und dem eigenwilligen Osten, namentlich der Visegrád-Gruppe (Ungarn, Slowakei, Tschechien, Polen).

Doch ganz so einfach ist es nicht. Zwar bemühten sich Orbán und Kurz bei ihrem Pressetermin im Bundeskanzleramt, die gemeinsamen "Errungenschaften" in Sachen Migrationspolitik zu betonen. Beide beanspruchen die Schließung der Balkanroute als ihre Leistung, beide sprachen sich für die bessere Sicherung der EU-Außengrenzen aus (Österreich unterstützt Ungarn an der Grenze zu Serbien mit Polizisten und Grenzsoldaten). Beide sind gegen die verpflichtenden Quoten bei der Flüchtlingsverteilung.

Nicht ganz grün

Wenn es aber zu den aktuellen Fragen kommt, dann sind sich die beiden rechtskonservativen Regierungschefs nicht so ganz grün. Denn zwei Themen belasten die gute "Freundschaft und Sympathie", die die beiden am Dienstag betonen wollten. Ein ungarisches Atomkraftwerk und eine geplante österreichische Sparmaßnahme. Österreich hat schwere Bedenken gegen den geplanten Ausbau des Atomkraftwerks Paks im Süden von Budapest, rund zweieinhalb Autostunden von der Grenze entfernt. Und Ungarn ist – vorsichtig ausgedrückt – unglücklich über die geplante Anpassung der österreichischen Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder.

Deshalb versuchten die beiden, diese Themen aus dem bilateralen Kontext herauszuheben: "Das AKW ist keine österreichisch-ungarische, sondern eine europäische Frage", sagte Orbán. "Der Meinungsunterschied soll unsere Beziehung nicht belasten."

Das Thema Familienbeihilfe blieb auch nach dem Gespräch "kontrovers", wie das Bundeskanzleramt bestätigt. Es sei aber ebenfalls nicht als bilaterale Diskussion zu sehen, sondern als "europäische Rechtsauslegung", so Orbán. Budapest werde die ausstehende Entscheidung des EuGH akzeptieren.

Politikwissenschafter Anton Pelinka zeigt zwar Verständnis dafür, dass die beiden am Dienstag Einigkeit in den Vordergrund stellten, nennt aber das von Kurz gezeichnete Bild des Brückenbauers im Gespräch mit dem KURIER einen "PR-Schmäh": "Wenn man sich die Frage der Familienbeihilfe anschaut, dann ist Österreich eher Partei als Vermittler." In Sachen Atomkraft sogar "schärfster Gegner". Und das seien immerhin die beiden aktuellsten Themen.

Wahlkampfauftritt

Ungarn wählt am 8. April eine neue Regierung. Orbán – der das ÖVP-Türkis mit seiner Krawatte nur leicht verfehlte – nutzte den Auftritt vor zahlreichen österreichischen und ungarischen Journalisten jedenfalls als willkommenen Wahlkampfauftritt. Unbeugsam im Kampf gegen die "Völkerwanderung", wie er die Flüchtlingssituation nennt, hart in Sachen EU-Außengrenzen, unnachgiebig, was die "unfaire" Indexierung der österreichischen Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder betrifft. Seine Antworten waren lang und ausführlich. Seine Wortwahl scharf und teils undiplomatisch.

Und ja, auch die FPÖ sei ein Treffen wert. Dieses sollte einige Stunden später mit Vizekanzler Heinz Christian Strache in der ungarischen Botschaft stattfinden. Schon zuvor wurden bei einem Treffen Orbáns mit Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel für manche wach.

Vor dem Bundeskanzleramt demonstrierte am Dienstag nicht nur Greenpeace gegen die Ausweitung des AKW Paks, auch die Neos hatten sich am Minoritenplatz eingefunden. Vor mehreren großen EU-Flaggen machten sie gegen das Schreckgespenst "Orbanisierung Österreichs" und den , der am Tag vor seiner Wien-Visite noch , Stimmung.

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