Es geht um Schutz. Schutz Österreichs und Ungarns. Schutz und gegenseitige Hilfe. Das sind die Worte des ungarischen Premiers auf seinem Weg nach Wien. Seit Montagabend ist er in der Bundeshauptstadt. Angereist - als Message an den "kleinen Mann - mit dem Zug.
Ungarns in der EU so umstrittener Ministerpräsident ist heute zu einem Arbeitsbesuch in Österreich, um seinen Freundeskreis in Europa zu erweitern. Er trifft hier heute mit Kanzler Sebastian Kurz, mit Vizekanzler Strache und, wie es heißt, auch mit Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel und mit dem Ex-Vizekanzler und Osteuropaexperten Erhard Busek zusammen.
Die ungarische und die österreichische Regierung sind in zentralen aktuellen Fragen auf Linie. So sprechen beide gern von Zuwanderung als Gefahr. Und davon, die EU vor Flüchtlingen schützen zu müssen. Viktor Orban ist dagegen, dass die EU den Mitgliedstaaten vorschreiben kann, wieviele Flüchtlinge sie aufnehmen sollen. Auch wenn es in Ungarn nur 1294 pro Jahr wären.
Eine Annäherung an die Visegrad-Gruppe (Ungarn, Tschechien, Slowakei, Polen) streitet die österreichische Bundesregierung vehement ab. Orban sei nicht der erste "Staatsgast", wie in den vergangenen Tagen mehrmals fälschlich kolportiert. Der Kanzler habe bereits den niederländischen Regierungschef Mark Rutte zum Neujahrskonzert eingeladen und habe bei dieser Gelegenheit ein Arbeitsgespräch mit Rutte im Bundeskanzleramt geführt. Vorige Woche habe sich Kurz außerdem mit kolumbianischen Präsidenten Juan Manuel Santos getroffen, der in Wien zu einem Staatsbesuch bei seinem Pendant, Bundespräsident Alexander van der Bellen, weilte.
In der zweistündigen Unterredung der Regierungschefs Kurz und Orban heute Mittag wird es auch um Themen gehen, bei denen sich die beiden nicht einig sind: den Ausbau des ungarischen Atomkraftwerks Paks, gegen den Österreich klagen will; die Kürzung der österreichischen Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder, durch die derzeit rund 80 Millionen Euro nach Ungarn transferiert werden.
Nach dem Treffen stellen sich Sebastian Kurz und Viktor Orban der österreichischen und mitgereisten ungarischen Presse. Wie die Presse berichtet, sind dabei nur vier Fragen erlaubt. Nicht unüblich für einen hochrangigen offiziellen Besuch, doch nach Kritik an Ungarns restriktiver Medienpolitik zumindest ein unangenehmes Signal.
Orbans rechtsnationale Regierung geriet immer wieder wegen umstrittener Verfassungsreformen, Mediengesetze, des Hochschulgesetzes, Vorgehens gegen ausländische Unternehmen oder der rigiden Flüchtlingspolitik in Konflikt mit der EU, wobei sich auch Kurz beim letzten Thema für einen rigiden Kurs mit dem Hauptfokus auf den Schutz der Außengrenzen einsetzt. Aber auch seine Kritik an der EU hatte Orbán erst vergangenen Freitag wieder betont. Bei einem Treffen der Visegrád-Gruppe in Budapest sagte er in Hinblick auf die Integrations-Politik Brüssels: "Wir brauchen nicht ein Imperium, sondern einen Bund freier Nationen." Und weiter: "Unsere Länder wollen keine Einwanderungsländer werden."
Es ist aber vor allem Orbáns Umgang mit demokratischen Institutionen, die international Kritik erntet. So konnte Orbán in seinen Jahren im Amt (seit 2010) die Medien durch Finanzierungs-Gesetzte und Personalentscheidungen großteils auf Regierungslinie bringen. Ebenso verhält es sich mit zivilgesellschaftlichen Organisationen. Zudem ernten bildungspolitische Maßnahmen Kritik. Erst am Sonntag hatten in Budapest Tausende Lehrer, Schüler und Studenten unter anderem gegen eine "Militarisierung" der Schulen protestiert – mit Blick auf Pläne zu einer militärischen Grundausbildung an Schulen. Solche Maßnahmen sorgen vor allem seitens der EU für Kritk.
Heikle demokratiepolitische Punkte wolle man im Rahmen von EU-Themen ansprechen, heißt es aus dem Umfeld von Kurz.