Anderswo mögen Gesetzesvorhaben sperrig klingen – nicht so in Ungarn. Viktor Orbán hat es gerne klar. "Stopp Soros" nennt sich das neue Paket, das die rechtskonservative Fidesz-Mehrheit im ungarischen Parlament geschnürt hat.
George Soros ist ein in Ungarn geborener US-Milliardär. Liberaler Financier von NGOs und Gründer der European Central University in Budapest. Und Viktor Orbáns aktueller Lieblingsfeind. Soros – er finanziert auch Einrichtungen für Flüchtlingshilfe – verfolge den "Plan", Europa mit Flüchtlingen zu "überschwemmen" und den Kontinent seiner "christlichen und nationalen Identität" zu berauben, unterstellt die Regierung dem Hungaro-Amerikaner und spart dabei nicht mit antisemitischen Untergriffen.
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"Stop Soros" soll all das unterbinden. Mit Strafsteuern und Kennzeichnungspflicht für ausländisch finanzierte Zivilorganisationen sowie weiteren Gesetzesfallen auch für Privatpersonen, die "illegalen Migranten" helfen. Ein Frontalangriff gegen NGOs, vor allem jene, die sich mit Flüchtlingen beschäftigen. Es kommt immer wieder zu Razzien der Polizei bei NGOs wegen angeblicher finanzieller Unregelmäßigkeiten.
Ungarn steht in einem Wahljahr und für Orbán geht es um die Verteidigung seiner in vielen Jahren einzementierten Macht. "Orbán baut seine Wahlkampagne auf meine Dämonisierung auf", sagte George Soros vor wenigen Tagen beim Weltwirtschaftsforum in Davos.
Bewährte Taktik des Populisten im Regierungsamt: Polarisieren und alles auf eine Karte setzen. Und sie scheint zu funktionieren. "Das ganze Land hat sich in eine Hysterie hineingesteigert. Die Propaganda hat alle anderen Themen komplett zugedeckt, sagt Bernhard Knoll zum KURIER. Der Österreicher ist Professor an der von Soros gegründeten Universität CEU in Budapest. "Die Opposition kommt mit anderen Themen gar nicht mehr durch. Orbáns Regierungspropaganda bestimmt somit den Wahlkampf."
Das funktioniert so reibungslos, weil sich Orbán längst die Kontrolle über die Medienlandschaft gesichert hat. Márton Gergely, letzter Chefredakteur der 2016 von Orbán zugedrehten auflagenstarken Tageszeitung Népszabadság, formuliert es vorsichtig: "Es gibt in Ungarn Pressefreiheit, aber die Voraussetzungen für eine freie Presselandschaft gibt es nicht mehr. Es kann vieles geschrieben werden, aber an die Massen kommen die Freien fast nicht mehr ran."
So oder so. Orbán bestimmt, worüber gesprochen wird. Zudem schüchtert er mit "Stop Soros" wie schon mit früheren Maßnahmen die Zivilgesellschaft ein und dreht Hand in Hand mit dem Rechnungshof der Opposition den Geldhahn zu.
Die Folge: "Viele Liberale haben sich in ein Biedermeier hinter verschlossenen Türen zurückgezogen. So kann aber keine offene Gesellschaft funktionieren", analysiert Knoll die Entwicklung.
Am 8. April wird in Ungarn gewählt – möglicherweise unter Aufsicht der OSZE, die bereits jetzt Experten nach Budapest entsandt hat. Laut Prognosen wird die Fidesz diesmal um die 50 Prozent erreichen (2014: 44,9 %). Alles andere als eine absolute Mehrheit wäre eine Niederlage. Darauf setzen die Oppositionsparteien.
"Orbán selbst hat das Wahlsystem 2012 zu seinen Gunsten geändert. Das aber könnte ihm jetzt zum Verhängnis werden, dass die Direktmandate größeres Gewicht haben", spekuliert Journalist Gergely. Doch um Orbán zu schaden, müssten sich die Oppositionsparteien in Sachen Direktmandate koordinieren – wenn sie es schaffen.
"Die Opposition wird oft belächelt, aber eine knappe Mehrheit der Ungarn wünscht sich einen Regierungswechsel", sagt Gergely. "Teilen sie sich auf, sind sie verloren. Kooperieren sie, dann könnten sie Orbán wehtun." Das Zauberwort der Opposition sei Kooperation. In jedem Wahlbezirk müsste der aussichtsreichste Kandidat den Vortritt bekommen. Doch für Wahlkampf im ganzen Land fehlt der Opposition das Geld. Gergely:"Auch dafür hat Fidesz gesorgt."
Einen wunden Punkt hat Gergely in Orbáns Image aber ausgemacht: Für den Premierminister gibt es kein anderes Thema mehr als die Migration. Er hat sich von sich selbst das Bild des eisernen Flüchtlingsfeindes gezeichnet. Entschlossen und werbewirksam kämpft er gegen die EU-Quoten, nach denen Ungarn 1294 Flüchtlinge ein Zuhause bieten müsste.
Doch vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass Ungarn im vergangenen Jahr 1300 Flüchtlinge aufgenommen hat– von der Regierung gut versteckt. Jener Regierung, die auch nur die Aufnahme eines einzigen Flüchtlings zum Schreckgespenst gemacht hatte.