Der Bundeskanzler unterschreibt auf Zetteln, die ihm die Kinder reichen. Der Vizekanzler hat gar Bilder mit seinem Konterfei dabei: Sebastian Kurz, ÖVP, und Heinz-Christian Strache, FPÖ, sind umringt von Autogrammjägern, die niedlich, aber hartnäckig sind: "Kurz! Wo ist der Kurz?", ruft ein Knirps und grinst, als er den ÖVP-Chef dann entdeckt. Aber wer ist das eigentlich, fragt ein Journalist. "Der Sebastian Kurz. Der ist so was wie der Präsident von Österreich."
Knapp daneben, aber gar nicht so schlecht für einen Achtjährigen. ÖVP-Landeschef Hermann Schützenhöfer improvisiert einen kleinen Wissenstest und fragt den Kinderchor nach Namen von Kanzler und Vize ab. Die sitzen. Aber wer ist der große Herr, der sich bücken muss, um die Klasse zu betreten? - Schweigen. Bildungsminister Heinz Faßmanns Bekanntheit unter Volksschülern hakt noch etwas. "Da frage ich euch lieber nicht, wer ich bin", schmunzelt Schützenhöfer.
Die Volksschule Murfeld in Graz hat sich die Koalitionsspitze am Dienstag ausgesucht, um ihren Plan der Deutschklassen zu propagieren. 45 Prozent der Schüler der VS Murfeld haben Deutsch nicht als Muttersprache, damit liegt die Volksschule exakt im Grazer Durchschnitt. Wobei das noch nicht die aussagekräftige Zahl ist: 36 der insgesamt 180 Kinder brauchen extra Sprachunterricht, beschreibt Direktorin Regina Hermann. "Die Eltern sind sehr dankbar, wenn ihre Kinder Förderung erfahren."
Die Regierung beteuert, die Deutschklassen hätten nichts mit Gettoisierung zu tun. "Das ist ein Modell für mehr Integration", glaubt Kurz. "Diese Klassen helfen, unterstützen und fördern. Die wahre Gettoisierung erfahren Kinder, die dem Unterricht nicht folgen können." Vizekanzler Strache erinnert indes, dass "Deutsch vor Schuleintritt" immer schon freiheitliches Thema war: "Hier wird ein weiteres Wahlversprechen umgesetzt."
Die Politiker landen in der Bienen-Klasse. "Mathematik? Schwierig oder geht’s eh?", fragt Kurz, ein Bub nickt. "Ja, geht." Aber eigentlich geht es bei dem kurzfristig auf die Beine gestellten Termin weniger ums Rechnen. Die Regierungsspitze kann nämlich noch nicht beziffern, wie viel die Deutschklassen kosten werden.
"Mehr Dienstposten werden notwendig sein", gibt sich Faßmann vage. "Ich möchte hier noch keine Zahlen nennen." Die Eckpunkte scheinen aber klar: Mehr Sprachstunden, 15 in der Volksschule, 20 in Neuer Mittelschule oder AHS. Die Deutschklassen bekommen verbindliche Lehrpläne. Die Kinder werden zuvor auf ihre Sprachkenntnisse getestet – "spielerisch", aber standardisiert und somit für jedes Bundesland gleich. Jedes Semester sollen die Fortschritte überprüft werden.
Die Praktiker sind gespannt darauf, was sie bereits im kommenden Schuljahr umsetzen sollen. "Wir stehen den neuen Klassen positiv gegenüber", betont Murfeld-Direktorin Hermann. "Jede Initiative, Kindern Sprache zu vermitteln, ist begrüßenswert."