Im ZDF-"Morgenmagazin" am Donnerstagmorgen vertedigte Sebastian Kurz seine Koalition mit der FPÖ und die Flüchtlingspolitik der Regierung. Befragt nach seiner Abgrenzung gegenüber Rechtsextremismus verwies Kurz, der derzeit in Berlin ist, auf das Verbotsgesetz in Österreich.
Kurz nannte im ZDF-Morgenmagazin am Donnerstag in Hinblick auf seinen im Ausland umstrittenen Koalitionspartner FPÖ als Grenze das Strafrecht. Wörtlich meinte der Kanzler: „Eine Grenze für jeden – für mich für Sie, für jeden Politiker und Journalisten – ist das Strafrecht, sind gesetzliche Regelungen. Und darüber hinaus gibt es schon noch so etwas wie Meinungsfreiheit, und das ist gut so.“ Kurz war vom ZDF gefragt worden, wo er in den Koalitionsverhandlungen bei der FPÖ die Grenze gezogen habe zwischen „halbrechts“, „rechts“, „rechtsextrem“ und ähnlichen Kategorien.
Erneut betonte er die pro-europäische Ausrichtung des schwarz-blauen Regierungsprogramms, bei der er sich klar gegenüber der FPÖ durchgesetzt habe, und die klare Abgrenzung gegen Antisemitismus.
Auch die Flüchtlingspolitik Österreichs verteidigte Kurz einmal mehr. Angesprochen auf seine Ablehnung gegenüber dem EU-Umverteilungsprogramm für Flüchtlinge aus den Hauptankunftsländern Griechenland und Italien, meinte der Bundeskanzler: "Verteilung kann schon Sinn machen, das bestreite ich nicht", jedoch dürfe man nicht glauben, "dies ist die Lösung des Problems". "Wir haben mit großer Mühe 30.000 Menschen verteilt, vielleicht schaffen wir noch 20.000, mir soll das alles recht sein", so Kurz. Er sehe aber keinen Sinn darin, dass Österreich, das im Verhältnis zur Bevölkerung bisher mehr Flüchtlinge als Griechenland und Italien aufgenommen habe, Flüchtlinge aus diesen Ländern übernehme.
Foto: Dragan Tatic
In der renommierten ARD-Talkshow von Sandra Maischberger verteidigte er am Mittwoch während seines Berlin-Besuchs die Flüchtlingspolitik der schwarz-blauen Regierung und die Koalition mit der FPÖ an sich. Zu Beginn hatte die Moderatorin den Gast aus Österreich als "die zarteste Versuchung seit es Populismus gibt" vorgestellt.
Die FPÖ sei bereit, sich an das Koalitionsprogramm zu halten, zeigte sich Kurz in der Sendung mit dem Titel "Kanzler Kurz: Wunderknabe der politischen Scharfmacher" überzeugt. Dieses habe eine klar pro-europäische Orientierung. Natürlich . Allerdings gelte das nicht nur "nach rechts". Es sei in der Vergangenheit in Österreich auch gegen Leute gehetzt worden, die reich seien, argumentierte der ÖVP-Bundeskanzler. Das lehne er ebenfalls ab.
Kurz wurde ferner zur Vergangenheit von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache am rechten Rand befragt. Der Bundeskanzler sprach sich dafür aus, Politikern bei kritischem Hinsehen auch eine Chance zur Weiterentwicklung einzuräumen. Der FPÖ-Chef habe von "Jugendsünden" gesprochen. Strache habe zudem immer eingegriffen, wenn es in der jüngeren Vergangenheit problematische Äußerung von FPÖ-Politikern gegeben habe. Kurz betonte, für ihn sei der Blick nach vorne relevant.
Zudem sei das Ergebnis der Nationalratswahl in Österreich ein Zeichen für einen Wunsch nach Veränderung gewesen. Die SPÖ wiederum habe sich auf die Oppositionsrolle festgelegt, womit er gar keine andere Option gehabt habe, so Kurz.
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Dass er etwa in der Frage des Burka-Verbots nun eine anderen Meinung vertrete also vor einigen Jahren, rechtfertigte der 31-Jährige damit, dass sich seither einiges geändert habe. Es habe eine massive Flüchtlingswelle gegeben, "mit Menschen, die Grundwerte zu uns tragen, die nicht die unsrigen sind." In Wien habe sich das Stadtbild in den vergangenen Jahren durch die Zuwanderung sehr verändert, und es gebe Probleme mit dem islamischen Extremismus.
Viele in der jüdischen Gemeinde hätten ihn im Wahlkampf unterstützt, konterte Kurz, als er von Maischberger auf Kritik der Israelitischen Kultusgemeinde an der Koaltion mit der FPÖ angesprochen wurde. "Zum Thema Antisemitismus hatten wir noch nie ein Regierungsprogramm, das sich so deutlich gegen Antisemitismus ausspricht." Er hätte sich auch früher eine Politik gewünscht, die mehr pro-israelisch gewesen wäre. Aber das sei mit dem damaligen Koalitionspartner (SPÖ, Anm.) nicht möglich gewesen.
Für Deutschland hoffe er im Interesse Europas und Österreichs, dass es bald eine starke Regierung gebe. Dass die CDU eine Koalition mit der rechtspopulistischen AfD (Alternative für Deutschland) ausschließe, während er eine mit der FPÖ eingegangen sei, kommentierte Kurz so: "Das ist das gute Recht der CDU."
Allerdings sei die AfD mit den Freiheitlichen nicht zu vergleichen, argumentiert Kurz, wobei er allerdings nicht auf inhaltliche Aspekte einging. Im Gegensatz zur AfD habe die FPÖ nämlich bereits gezeigt, dass sie zur Regierungsarbeit bereit sei. Die FPÖ sei bereits auf Bundesebene in einer Koalition gewesen und derzeit auch in zwei Bundesländern (Burgenland und Oberösterreich).
Während Kurz kritisierte, dass "ständig ein Rechtsruck herbeigeredet werde", vertrat der ehemalige Umweltminister Jürgen Trittin von den deutschen Grünen die These, dass rechtsextreme Positionen nur verstärkt würden, wenn sie von anderen Parteien übernommen würden. Kurz forderte hingegen, dass Themen wie die Flüchtlingskrise nicht nach den Kriterien "rechts oder links" beurteilt werden sollten. Vielmehr sei das Thema früher nicht ernst genommen worden.
Maßnahmen, wie die Kontrolle von Handys von Flüchtlingen und Migranten, verteidigte Kurz. Derart könnten die Reiserouten nachvollzogen und so möglicherweise falsche Angaben festgestellt werden. Sein Ziel sei es, eine Umkehr in der europäischen Asylpolitik herbeizuführen, unterstrich Kurz und argumentierte neuerlich, dass er vor Jahren für seine Haltung in der Flüchtlingsfrage heftig kritisiert worden sei. Diese sei nun aber in Europa durchaus mehrheitsfähig.