Es war eines der zentralen Zitate in der rund einstündigen Rede Heinz-Christian Straches beim vergangenes Wochenende in Vösendorf: "Selbst Bruno Kreisky würde", so der Chef der Freiheitlichen in seinem Fontalangriff auf die SPÖ, "heute FPÖ wählen". Die Sozialdemokraten (von Strache "Jammer-Sozialisten" genannt) reagierten rasch - und deftig: "Selbst Haider", sagte der neue SPÖ-Geschäftsführer Max Lercher, "würde heute SPÖ wählen".
Diese skurrile Debatte offenbart einen nun - spätestens durch die entbrannten - Kampf zwischen SPÖ und FPÖ um den viel zitierten "kleinen Mann". Der SPÖ, erklärt Politikberater Thomas Hofer dem KURIER, gehe es nun vor allem um eines: "Sie wollen den Wählern der FPÖ versuchen zu erklären, dass sie von ihrer Partei verraten werden". Daher versuche die SPÖ nun, "in die Rolle der FPÖ zu schlüpfen". Dies sehe man nun vor allem anhand der roten Kritik an der Ausweitung der Magelberufsliste für ausländische Fachkräfte der türkis-blauen Regierung. Die SPÖ ortet "Arbeiterverrat" und kritisiert die Blauen für eine zu freundliche Ausländerpolitik. In der blauen Wählerschaft wollte die SPÖ schon im Wahlkampf fischen, erklärt Hofer. Dies habe aber mit dem Slogan "Hol, dir, was dir zusteht" nur bedingt funktioniert, sagt der Experte. "Nun, da die FPÖ aufgrund ihrer Regierungsbeteiligung abgreifbar ist, wird an dieser Front weitergekämpft."
Auch OGM-Chef Wolfgang Bachmayer sieht einen Rollentausch: "Die FPÖ versucht, den sozialen Part in der Regierung mit der ÖVP zu spielen, die SPÖ wiederum will die einstige Rolle der Freiheitlichen in der Opposition übernehmen". Hintergrund des Kampfes um den kleinen Mann: "Der größte Wähleraustausch der vergangenen Jahre fand zwischen SPÖ und FPÖ statt, daher ähneln die Wählergruppen einander sehr stark", erklärt der Meinungsforscher. Die FPÖ indes, das zeige die Debatte um die Abschaffung der Notstandshilfe, müsse ihre Rolle als Junior-Partner in der Koalition mit der ÖVP erst finden. "Allerdings hat Sozialministerin Hartinger-Klein hier einen starken Akzent gesetzt", erklärt Bachmayer das Manöver der blauen Ministerin, die sich gegen einen Zugriff auf das Vermögen Arbeitsloser ausgesprochen hat.
Die FPÖ legte am Montagvormittag im Streit mit dem Roten jedenfalls noch einmal nach: Strache nannte SPÖ-Chef Christian Kern einen "geifernden Parteiobmann", die SPÖ arbeite mit "Fake News". Endlich, so Strache, habe man die Roten "aus den Wohnzimmern der Familien verjagt". Auch die neue FPÖ-Generalsekretärin Marlene Svazek schenkte der SPÖ ordentlich ein: Kern leide ihr zufolge wohl an "Neophobie" - nämlich an Angst vor Veränderung, diagnostizierte die 25-Jährige. Auch darauf reagierte SPÖ sogleich: "Es ist kurios, wenn sich eine Regierungspartei in einer Pressekonferenz ausschließlich mit der Opposition beschäftigt. Aber es ist eine Auszeichnung für unsere Oppositionspolitik, die aufzeigt, dass die FPÖ für Posten und Privilegien die Interessen ihrer Wähler verraten hat", zündelte Kern weiter.
Gefahrlos ist diese Debatte vor allem für die SPÖ nicht, sagt Hofer: "Man muss schon aufpassen, dass die Unterscheidbarkeit zur FPÖ nicht verloren geht, wenn man diesen Kurs einschlägt", sagt der Experte. Denn dieser erste habe ihm zufolge eines gezeigt: "In der Tonalität gab es da keinen Unterschied zu dem, was die FPÖ in der Opposition gemacht hat". Nicht zuletzt, so Hofer, "weicht die SPÖ hier schon ein gutes Stück von ihrer bisherigen Linie ab".