Die erste bilaterale Auslandsreise von Sebastian Kurz in seiner Rolle als Bundeskanzler führt ihn zu zum französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Das dürfte kein Zufall sein. Der symbolische Gehalt des Treffens mit dem „starken Mann der EU“ ist groß, nachdem es internationale Skepsis gegenüber der türkis-blaue Regierung hinsichtlich ihrer Ausrichtung zur EU gegeben hatte. Vor dem Hintergrund seines umstrittenen Regierungsbündnisses mit der rechtspopulistischen FPÖ will Kurz nun ein Zeichen setzen.
Macron will Kurz um 13.00 Uhr zu einem Vier-Augen-Gespräch im Elysee-Palast empfangen. Danach sind Delegationsgespräche geplant, um 15.00 Uhr wollen die beiden Jungstars der EU-Politik dann gemeinsam vor die Presse treten. Er wolle mit Macron „erörtern, in welchen Bereichen wir verstärkt zusammenarbeiten können, etwa bei Fragen wie der Migrationskrise, Herausforderungen durch die Digitalisierung oder der Subsidiarität“, sagte der Kanzler im Vorfeld seiner Reise.
„Ich halte es für ausgesprochen positiv, dass es mit Emmanuel Macron einen französischen Präsidenten gibt, der den Anspruch hat, die EU zum Positiven zu verändern, denn es braucht Reformen“, betonte der ÖVP-Chef. Wie aus dem Bundeskanzleramt verlautete, soll bei dem Termin über die EU-Reformpläne Macrons, den österreichischen EU-Ratsvorsitz im zweiten Halbjahr, die Brexit-Verhandlungen, den künftigen EU-Finanzrahmen sowie die Migrationskrise gesprochen werden.
Der Besuch markiert auch einen Meilenstein in den bilateralen Beziehungen: Es ist das erste Mal, dass sich ein österreichischer Bundeskanzler Frankreich als Destination für seine erste Auslandsreise aussucht. Seine deutsche Amtskollegin Angela Merkel besucht Kurz am kommenden Mittwoch in Berlin. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban, der sich der schwarz-blauen Regierung mit mehrfachem Lob angebiedert hatte, muss sich hingegen noch gedulden. Er möchte Kurz noch im Jänner in Wien besuchen, verlautete aus Budapest.
Mit seiner Reiseplanung macht Kurz klar, dass er nichts von den Visegrad-Avancen seines Koalitionspartners FPÖ wissen will. Der Kanzler will Österreich stattdessen als „Brückenbauer“ innerhalb der EU positioniert wissen. Bereits am Tag nach seiner Angelobung besuchte er die Spitzen der EU-Institutionen in Brüssel, um Zweifel an der pro-europäischen Haltung der neuen Bundesregierung zu zerstreuen. Sein enger Vertrauter Gernot Blümel machte es ihm am Montag nach und reiste unmittelbar nach der Angelobung als neuer Europaminister in die EU-Hauptstadt.
Die Symbole können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Kurz ein Kritiker der aktuellen EU-Politik ist und in Brüssel aufmischen will. So hat er das System der Flüchtlingsquoten innerhalb der Europäischen Union für gescheitert erklärt, lehnt höhere EU-Nettozahlungen Österreichs infolge des Brexit ab und will den Umfang der EU-Grundfreiheiten einschränken, um die „Zuwanderung ins Sozialsystem“ zu bekämpfen. Den Brexit sieht er in diesem Zusammenhang als warnendes Beispiel. Mit Macrons Vision einer Sozialunion kann Kurz nichts anfangen, stattdessen will er Bürokratieabbau und eine liberalere Wirtschaftspolitik innerhalb der EU.
Auch in einem Interview mit Le Figaro drückte Kurz seine Skepsis aus. „Es kann nicht auf Dauer Mitglieder erster und zweiter Klasse innerhalb der Union geben“, sagte er der französischen Tageszeitung. „Wir können Europa nur stärken, wenn wir zusammenarbeiten.“ Kurz sagte weiter, dass das Europa mehrerer Geschwindigkeiten eine „Realität“ und in bestimmten Bereichen auch eine „Notwendigkeit“ sei. „Trotzdem sehe ich diese Idee nicht als positive Vision für die Zukunft an.“ Stattdessen bekräftigte er sein Eintreten für eine Stärkung der Subsidiarität innerhalb der EU, die sich auf wichtige Fragen wie Verteidigung und Sicherheit konzentrieren soll.
Kurz versprach aber, dass Österreich seinen „Beitrag“ zu der von Macron angestoßenen EU-Reformdebatte leisten werde. „Ich schätze Präsident Macron und ich freue mich über seine Ambitionen, Europa zu verändern“, sagte Kanzler, der am Freitag seine erste bilaterale Auslandsreise absolviert. Zu Macrons Plänen für ein Eurozonen-Budget und eines EU-Finanzministers sagte Kurz, es sei wichtiger, die bestehenden Regeln zu respektieren, um eine Wiederholung des griechischen Szenarios zu verhindern. „Das ist die Priorität“, betonte der ÖVP-Chef. „Aber wir werden alle Vorschläge diskutieren und am Ende gemeinsam so entscheiden, dass sich die Europäische Union positiv entwickelt“, ließ er deutliche Distanz zur Forderung eines Eurozonen-Budgets und eines EU-Finanzministers erkennen.
Bei den europäischen Partnern spüre er keine Beunruhigung wegen seiner Koalition mit der FPÖ, „eher im Gegenteil“, sagte Kurz. „Ich habe das Gefühl, dass alle bereit sind, mit uns zusammenzuarbeiten.“ Die beiden Regierungsparteien hätten eine „starke demokratische Legitimität“ und jene, die zum Boykott aufrufen, sollten die neue Regierung nach ihren Taten beurteilen. Jedes Volk entscheide selbst aufgrund spezifischer Gründe, welche Parteien es unterstütze, verwies der ÖVP-Chef auf den „Wunsch nach Veränderung“ bei der Nationalratswahl. „Es ist positiv, dass in Frankreich ein pro-europäischer Präsident gewählt wurde“, fügte er hinzu.