Eigentlich wollten sie es ganz anders machen. Keine Fotos mehr von Sondierern, die zwischen den Verhandlungen vom Balkon winken, sich nächtens auf Twitter befetzen oder freimütig jede Wasserstands-Meldungen rauströten. Aber so wie sich die Sonnenstrahlen einen Weg durch die Ritzen der heruntergelassenen Jalousien suchten, kamen auch erste Details der Verhandlungen an die Öffentlichkeit. CDU-Mann Armin Laschet, Ministerpräsident von NRW, verkündete eine erste Einigung in der Energiepolitik: Union und SPD wollen sich demnach vom Klimaziel verabschieden, bis 2020 die CO2-Emissionen um 40 Prozent zu senken.
Sein Vorpreschen erzürnte Teile der SPD, Fraktionsführerin Andrea Nahles warf ihm "Durchstecherei" vor. Nach zwei Tagen gibt es scheinbar Krach. Daraus voreilig Schlüsse zu ziehen, wäre falsch und verfrüht. An den Indiskretionen werden die Parteichefs eine mögliche Koalition nicht scheitern lassen. Denn die Alternativen für Merkel, Seehofer und Schulz sind denkbar schlecht. Sie sind quasi zum Gelingen verdammt.
Und selbst wenn manche CDU- und SPDler derzeit am liebsten gleich das Ende der "GroKo"-Verhandlungen und Neuwahlen einläuten würden, hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier noch ein gewichtiges Wörtchen mitzureden. Nur er kann den roten Knopf drücken; davor hütete er sich auch nach dem Jamaika-Aus. Er rief die Parteien zu ihrer staatspolitischen Verantwortung auf, eine Einigung liegt ihm näher, als vorzeitig Wahlen auszurufen. So lassen sich seine Worte beim heutigen Neujahrsempfang der Parteien als freundlicher, aber mahnender Wink an die Sondierer deuten: "Unsere Demokratie ist stark, auch in politisch schwierigen Zeiten."
Zunächst muss der Bundestag aufgelöst werden, das geht grundsätzlich über die Vertrauensfrage. Da Angela Merkel derzeit nur geschäftsführend im Amt ist, besteht die Möglichkeit nicht. Das Parlament aufzulösen geht nur über eine andere Variante: Es muss eine neue Kanzlerwahl geben. Entscheidend dafür ist Artikel 63 im Grundgesetz – eine Reaktion auf die Ereignisse der 1930er-Jahre. Bundespräsident Steinmeier muss dazu jemanden vorschlagen. Würde Merkel als Kandidatin die Mehrheit verfehlen, würde nach 14 Tagen noch einmal gewählt. Sollte sie es auch im zweiten Durchgang nicht schaffen, reicht es, wenn sie beim dritten Mal eine relative Mehrheit bekommt. Danach bleiben dem Bundespräsidenten zwei Möglichkeiten: Er kann Merkel zur Kanzlerin ernennen oder den Bundestag auflösen. Entscheidet er sich für Letzteres, muss binnen 60 Tagen gewählt werden.