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Experten: Islam-Kindergärten fördern nicht Parallelgesell­schaf­ten

21-12-2017, 10:39

Durch eine vielbeachtete Pilotstudie des Islamforschers Ednan Aslan ist das Thema "Islam-Kindergärten" seit 2015 politisch auf breiter Ebene diskutiert worden. Nicht zuletzt der damalige Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) beklagte eine Begünstigung von Parallelgesellschaften. Nun ist die lang erwartete umfangreichere Studie zu den sogenannten Islam-Kindergärten in Wien fertig. Heute wurde sie von der Uni Wien und dem FH Campus Wien der Öffentlichkeit präsentiert.

Zunächst spricht Maria Fürstaller vom FH Campus Wien über Definitionsfragen. Es sei gar nicht so leicht festzustellen, welche Einrichtungen man als "Islam-Kindergärten" bezeichnen kann. Die Ausgabe von Halal-Essen, muslimisches Personal oder die Herkunft der Kinder aus muslimischen Familien seien für sich genommen keine verlässlichen Indikatoren. Würden Kindergartenkinder in einer Einrichtung zum Beispiel hauptsächlich aus katholischen Familien stammen, würde man auch nicht von einem katholischen Kindergarten sprechen.

Erforscht wurde die Pluralität in entsprechenden Kindergärten, unter besonderer Berücksichtigung islamisch ausgerichteter Einrichtungen. Fürstaller spricht von neuen "interessanten und brisanten Ergebnissen".

Schluß: Islamkindergärten fördern nicht Parallelgesellschaften

Henning Schluß von der Universität Wien stellt dann die einzelnen Ergebnisse der Studie vor. Der Religionswissenschafter geht gleich auf den aus Aslans Pilotstudie abgeleiteten Vorwurf ein, Einrichtungen mit besonderem islamischen Bezug würden zur Bildung von Parallelgesellschaften beitragen. Schluß: Sie tragen nicht zur Separation und Abspaltung bei, sondern seien, "im Gegenteil, ein Sammelbecken für diejenigen, die woanders nicht aufgenommen werden". Die Abgrenzung finde also schon vorher statt. Schluß spricht hierbei von "subtilen Mechanismen". Zum Beispiel würden soziale Unterschiede durch Trennung in beitragsfreie Kindergärten und solche mit Zusatzbeiträgen geschaffen.

Aslans Pilotstudie führte zu stärkerer Kontrolle

Zum Vorwurf der möglichen Indoktrination in Islam-Kindergärten erklärt Schluß: Die Studie zeige einen dramatischen Rückgang von Religion in Einrichtungen mit islamischen Bezügen seit 2015. In Reaktion auf die breiten Diskussionen um die Pilotstudie seien Bezüge zum Islam gekappt worden, auch die Aufsicht sei besonders aufmerksam auf das Thema geworden. Der Islam sei aus den meisten Konzepten herausgenommen worden.

Das Problem dabei könne wiederum sein: Der Islam wandert aus der Kindergruppe hinaus in einen Bereich, der pädagogisch nicht mehr verantwortet werden könne, erklärt Schluß.

Auch in der Ausbildungsqualität seien Defizite festgestellt worden, allerdings flächendeckend bei Kindergärten aller Art.

Aslan: "Stadt hätte nicht so reagiert"

Aslan sieht sich insofern bestätigt, weil seine Pilotstudie auch positive Effekte gehabt habe. "Ohne Pilotstudie hätte die Stadt nicht so darauf reagiert". Er verweist darauf, dass Kindergärten nun explizit Teil des Bildungsministeriums seien. Er sei daher "mit dem Ergebnis hochzufrieden".

Laut Aslan würden sich die islamischen Kindergärten selbst als "Schutzräume für muslimische Kinder und Eltern" verstehen. Für den Schutz vor einer von diesen empfundenen gesellschaftlichen Benachteiligung.

Bei den Eltern genieße das Angebot an religiöser Erziehung und Koranunterricht hohe Wertschätzung. Entsprechend heftig falle ihr Widerstand gegen ein Verbot des Islamunterrichts aus, hält Aslan fest.

Nina Hover-Reisner vom FH Campus Wien fasst Empfehlungen aus der Studie zusammen. Aus- und Weiterbildungsformate weiterzuentwickeln, sei angesichts der Ergebnisse der Teilstudie "Pluralität in Wiener Kindergärten und Kindergruppen unter besonderer Berücksichtigung von sogenannten islamischen Einrichtungen" unvermeidbar. Empfohlen werde eine gründliche Qualifizierung von Pädagogen, was den Einsatz von Instrumenten zur Sprachstandserhebung und das Entwickeln und Durchführen von sprachförderlichen Bildungsangeboten betreffe.

2015 in Auftrag gegeben

Beauftragt wurde das Forschungswerk 2015 gemeinsam vom Integrationsministerium und der Stadt Wien. Grund war eine kleinere, nur vom Ministerium in Auftrag gegebene Untersuchung des Islamforschers Ednan Aslan, die teils massive Probleme in Islamischen Kindergärten konstatiert hatte. Aslan wurde allerdings vorgeworfen, bei seiner Arbeit wissenschaftliche Standards nicht eingehalten zu haben. Ein Uni-Gremium Es stellte zwar kein expliziertes Fehlverhalten fest, ortete aber zahlreiche Mängel methodischer Art.

Aslan ist auch Teil jenes sechsköpfigen Wissenschaftsgremiums, das an der nun abgeschlossenen umfangreichen Studie mitgearbeitet hat. Er wird neben Henning Schluß als Vertreter der Uni Wien an der heutigen Präsentation teilnehmen. Seitens der FH Campus Wien werden Nina Hover-Reisner und Maria Fürstaller anwesend sein. Wiens Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) hatte zuletzt einige Male angekündigt, je nach Ergebnissen weitere politische Maßnahmen setzen zu wollen.

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