Die EU-Kommission hat ein Verfahren wegen schwerwiegender Grundrechtsverletzungen gegen Polen eröffnet. Dies teilte die EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel mit. Das Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags ist bisher noch nie angewandt worden.
Das Verfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge kann im äußersten Fall zum Entzug der Stimmrechte eines Mitgliedslandes führen, in dem Grundwerte der Europäischen Union gefährdet sind. Voraussetzung ist jedoch die einstimmige Feststellung des Europäischen Rats, in Polen werde anhaltend gegen die EU-Werte verstoßen. Dagegen hat Ungarn jedoch Widerspruch angekündigt.
Hintergrund sind umstrittene . Die EU-Kommission sieht die Rechtsstaatlichkeit dort in Gefahr.
Mit Artikel 7 des EU-Vertrags soll sichergestellt werden, dass sich alle EU-Mitgliedstaaten an Werte wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit halten. Er sieht bei „schwerwiegender und anhaltender Verletzung“ der Werte als schwerste Sanktion eine Aussetzung der Stimmrechte des Mitgliedstaates vor.
Die Hürden dafür sind allerdings hoch. Das Verfahren sieht vor, dass zunächst offiziell festgestellt wird, dass in Polen die „eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung“ von EU-Werten besteht. Dafür wäre im Rat der Mitgliedstaaten eine Vier-Fünftel-Mehrheit erforderlich - das heißt 22 Länder müssten zustimmen.
In einem zweiten Schritt müssten die EU-Partner Polens dann sogar einstimmig feststellen, dass eine „schwerwiegende und anhaltende Verletzung“ der Werte tatsächlich vorliegt. Erst danach könnte mit sogenannter qualifizierter Mehrheit beschlossen werden, die Stimmrechte Polens in der EU auszusetzen. Die qualifizierte Mehrheit würde in diesem Fall die Zustimmung von mindestens 20 Staaten mit mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung erfordern.
Das Verfahren nach Artikel 7 ist in der Geschichte der EU noch nie zur Anwendung gekommen. Weil es so schwerwiegende Sanktionen wie einen Stimmrechtsentzug möglich macht, wird es in Brüssel auch als „Atombombe“ bezeichnet. In etlichen EU-Staaten gab es zuletzt Widerstand, es überhaupt in Erwägung zu ziehen. Als Grund gilt auch die Gefahr, dass im Zuge des Verfahrens nicht die erforderlichen Mehrheiten zustande kommen. Die EU könnte dann bei einem wichtigen Thema wie der Wahrung der Rechtsstaatlichkeit bloßgestellt werden.