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Was steht der SPÖ künftig noch zu?

19-08-2017, 18:00

SPÖ-Spitzenkandidat Christian Kern geht nun offiziell auf Wahlkampf-Tour durch Österreich. Heute, Sonntag, fällt der Startschuss in Kärnten, morgen, Montag, verbringt Kern den ersten Tag im Wahlkampfbus auf Werbefahrt durch die Steiermark.

Es wird eine Fahrt in eine ungewisse Zukunft.

Die SPÖ liegt in den Umfragen deutlich hinter Sebastian Kurz zurück, und es ist derzeit nicht in Sicht, wie sich dieser Trend noch drehen könnte. Die Stimmung in der SPÖ ist entsprechend schlecht, und die Ereignisse dieser Woche waren nicht dazu angetan, sie zu heben.

Die Verhaftung ihres Ex-Wahlkampfberaters Tal Silberstein und dessen Freundes Beny Steinmetz ist für die SPÖ ein moralisches Problem. Bei Leuten, die im Verdacht stehen, arme afrikanische Staaten wie Guinea oder das auch nicht eben superreiche EU-Land Rumänien um Staatsvermögen zu prellen, die verdächtigt werden, zu bestechen, Steuern zu umgehen und Geld zu waschen , sollte die SPÖ nicht anstreifen. Kern hat den Fehler zwar eingestanden, aber die engen Bande zu Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer bleiben eine Bürde.

Silbersteins Verhaftung ist nur der vorläufige Schlusspunkt einer Pleiten-und Pannenserie. Kerns Anfälligkeit für Fehler gibt in der SPÖ dem immer noch einflussreichen Lager um Ex-Kanzler Werner Faymann Auftrieb. In den meisten Umfragen liegt Kern unter dem Nationalratswahlergebnis von 26,8 Prozent, das Faymann 2013 für die SPÖ erzielte. Botschaft des Faymann-Lagers: Dazu hätte man Faymann nicht austauschen müssen, man hätte sich die Entweihung des 1. Mai durch ein Pfeifkonzert gegen den Vorsitzenden und die Beinahe-Spaltung der Partei sparen können.

Das Faymann-Lager wird sich jedoch hüten, vor dem 15. Oktober mit Kritik aus der Deckung zugehen, denn es will sich nicht zum Schuldigen für die absehbare Niederlage stempeln lassen. "Nach der Wahl wird es eine sehr, sehr gründliche Analyse in der Partei geben", kündigt ein Faymann-Vertrauter gegenüber dem KURIER in bedeutungsschwerem Ton an.

Im Fall einer SPÖ-Schlappe bei der Nationalratswahl zeichnet sich ein prominentes Opfer ab: Bürgermeister Michael Häupl. Dessen Strategie, die Bundes-SPÖ in Opposition zu führen, um dann in Wien einen linken Bürgermeister als Gegenmodell zu Schwarz-Blau zu installieren, verliert parteiintern an Rückhalt. Auch deswegen, weil es diesen linken Wunderwuzzi nicht gibt.

Vielmehr wird Häupls Gegenspieler, Wohnbaustadtrat Michael Ludwig, reihum als "nicht mehr verhinderbar" bezeichnet.

Ludwig gehört zum Faymann-Lager. In anderen Worten: Verliert die SPÖ den ersten Platz im Bund an Kurz, wird das Faymann-Lager den Sessel des Wiener Bürgermeisters verlangen und damit wieder die Macht in der SPÖ übernehmen.

Im Gegensatz zu Michael Häupl ist Michael Ludwig strikt dagegen, dass die SPÖ auf Bundesebene in Opposition geht. Auch deswegen gewinnt Ludwig innerhalb der SPÖ an Rückhalt. So sind etwa die Gewerkschaften und ihre einflussreichen Spitzenfunktionäre mehrheitlich fürs Mitregieren.

Selbst in den Bundesländern wird eine Oppositionsrolle der SPÖ auf Bundesebene nicht unbedingt herbei gesehnt. Zwar hat die SPÖ damals aus der Opposition zu Schwarz-Blau heraus zwei Landeshauptleute-Posten erobert (Steiermark und Salzburg). Aber es gibt auch die Sorge, eine künftige schwarz-blaue Bundesregierung könnte in ganz Österreich schwarz-blaue Landesregierungen verordnen. Damit wäre die SPÖ weg vom Fenster – auch, weil in sechs von neun Bundesländern das Proporzsystem abgeschafft wurde. Die SPÖ hätte dann nicht einmal einen Landesrat. In Kärnten liegt Landeshauptmann Peter Kaiser zwar um die 40 Prozent in den Umfragen, aber die Grünen zerreißt es dort gerade. Und selbst in Wien ist fraglich, ob es bei der nächsten Gemeinderatswahl noch eine rot-grüne Mehrheit gibt.

Für die SPÖ steht in den nächsten Wochen also viel mehr auf dem Spiel als nur der Kanzlerposten. Der Lagerkampf innerhalb der Partei zwischen Kern-Unterstützern und Faymann-Vertrauten, die verschiedenen Denkschulen, ob die SPÖ mitregieren oder in Opposition gehen soll, der Kampf um Wien und damit um die künftige Macht in der SPÖ – all das schlägt auch negativ auf den Wahlkampf durch. Manche SPÖ-Funktionäre beschäftigen sich gedanklich bereits mehr mit dem 16. als mit dem 15 Oktober.

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