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EU-Flüchtlingsquote wackelt

13-12-2017, 11:37

Lange wurde um die Umsetzung der verpflichtenden Flüchtlingsquote gerungen: 2015 hatten sich die EU-Staaten darauf verständigt, 120.000 Personen aus Italien und Griechenland quer über den Kontinent zu verteilen – es ging um die Entlastung beider Länder. Allein, so recht funktionieren wollte das nicht: Mit Ende September 2017 waren es gerade mal 27.600 Personen, die umgesiedelt worden waren; viele Staaten kamen ihren Verpflichtungen nur schleppend nach. Besonders heftig war der Widerstand aus dem Osten: Ungarn, Tschechien  und Polen wurden von der EU-Kommission sogar vor dem EuGH verklagt, weil sie sich gegen die Verteilung sperrten.

"Spaltend und ineffektiv"

EU-Ratspräsident , der die Quote bereits öfter als ein Geschenk für die rechtspopulistischen Parteien in den östlichen EU-Staaten bezeichnet hat, will darum nun die Reißleine ziehen – und die Quote gänzlich abschaffen: Er hat in einem Brief an die Mitgliedsstaaten vorgeschlagen, das „spaltende und ineffektive Instrument“ zu begraben; beim EU-Gipfel am Donnerstag will er das auch öffentlich vortragen. Die Länder sollen gemäß seinem Vorschlag sechs Monate Zeit erhalten, um ein Alternativsystem zu erarbeiten, ansonsten werde er einen Kompromiss vorschlagen.

Tusk riskiert damit Streit auf offener Bühne: EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos kanzelte den Vorschlag als „inakzeptabel“ und „antieuropäisch“ ab. Auch Griechenland und Italien werden sich dagegen wehren, ebenso wie Deutschland und Schweden. Eingeführt wurde die Quote mit einer qualifizierten Mehrheit; findet sich diese unter den Mitgliedländern, könnte sie auch wieder abgeschafft werden.

Kurz für Abschaffung, Kern dagegen

Das Vorhaben Tusks war auch im heutigen EU-Hauptausschuss des Parlaments Thema. Noch-Kanzler Christian Kern, der beim Gipfel des EU-Rats am 14. und 15. Dezember zum letzten Mal Österreich vertreten wird, meinte dazu, er sei in der Verteilungsfrage anderer Meinung als Tusk. Der Weg einer fairen Verteilung von Flüchtlingen auf die EU-Länder müsse vorangetrieben werden. „Es muss ein System der Verteilung geben, sonst tragen wieder nur dieselben Länder, darunter Österreich, die ganze Last“, sagte Kern.

ÖVP-Chef und Kanzler in spe Sebastian Kurz hingegen ist auf Tusk-Linie. Die Sinnhaftigkeit der Quote hat er bereits im September beim Außenminister-Gipfel in Tallinn infrage gestellt. Damals war das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Verteilung Thema: Ungarn und die Slowakei, die sich ja geweigert hatten, Flüchtlinge aufzunehmen, hatten vor dem EuGH geklagt und verloren. Kurz betonte damals zwar, dass das Urteil zu akzeptieren sei, fügte aber kritisch hinzu: „Ich glaube, dass es keinen Sinn macht, wenn wir jetzt wieder nur auf europäischer Ebene eine Diskussion über die ohnehin nicht funktionierende Verteilung von Flüchtlingen starten.“ Stattdessen müsse sich die EU auf den Schutz der Außengrenzen konzentrieren.

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