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Koalition: Uneinigkeit bei EU-Volksabstimmungen; NEOS mit Kassen-Reformplan

1-01-1970, 00:00

Schwarz-Blau plant eine Aufwertung von Volksbegehren, die bei einer bestimmten Unterschriftenanzahl verpflichtend zu einer Volksabstimmung führen sollen. Die FPÖ will dies schon bei einer Unterschriftenanzahl von vier Prozent der Stimmberechtigten ermöglichen, die ÖVP will eine Schwelle von zehn Prozent. Uneinigkeit gibt es offenbar nicht nur bei der Einstiegshürde, sondern auch bei den thematischen Ausschlüssen. Das EU-Primärrecht müsse von Volksbegehren ausgenommen werden, forderte Lopatka im Gespräch mit den mitreisenden österreichischen Journalisten. “Ich glaub, das muss jedem klar sein. Das ist Teil von unserem Rechtsbestand, zu dem wir uns völkerrechtlich verpflichtet haben”, betonte der frühere ÖVP-Klubobmann.

ÖVP und FPÖ uneins bei EU-Volksabstimmungen

Bösch sagte dagegen, dass auch eine Abstimmung über einen EU-Austritt “möglich gemacht” werden müsse. Schließlich sei dieser Schritt ja auch “im EU-Vertrag festgelegt”, sagte der FPÖ-Mandatar. Allerdings sei das “jetzt nicht das Ziel, das wir haben. Darüber wird man noch im Detail reden müssen.” Beide Mandatare betonten, dass sie den zuständigen Verhandlern bei den Koalitionsgesprächen nicht vorgreifen wollten. Lopatka verwies darauf, dass man eine All-Parteien-Einigung anstrebe, aber zumindest eine Verfassungsmehrheit – also die Zustimmung von NEOS oder SPÖ – brauche.

Lopatka und Bösch hatten eine Einladung der Schweizer Regierung zu einer dreitägigen Reise angenommen, die sie unter anderem ins Parlament in Bern und das auf die Erforschung direkter Demokratie spezialisierte “Zentrum für Demokratie” in Aarau führte. Auch die anderen Parlamentsparteien hätten Einladungen erhalten, hieß es seitens der Schweizer Botschaft gegenüber den ebenfalls eingeladenen österreichischen Journalisten.

Die beiden Abgeordneten zeigten sich beeindruckt vom Schweizer Modell, sehen es aber nur bedingt für Österreich geeignet. Die direkte Demokratie sei in der Schweiz über 150 Jahre “Schritt für Schritt gewachsen und wir werden das nicht eins zu eins ohne zu Überlegen übernehmen können”, sagte der Vorarlberger FPÖ-Nationalratsabgeordnete. Auch sein ÖVP-Kollege verwies auf die “lange Vorlaufzeit” in der Schweiz. Dort können 100.000 Stimmbürger (1,9 Prozent der Stimmberechtigten) ein verbindliches Volksbegehren (“Volksinitiative”) starten. Bereits 50.000 Stimmen reichen, um ein nachträgliches Referendum über Gesetzesbeschlüsse herbeizuführen. Das Vetoreferendum steht in Österreich derzeit nicht zur Debatte.

Lopatka und Bösch überzeugt von Schweizer Demokratie

“Zeit ist für mich schon das entscheidende Wort”, sprach sich Lopatka auch für eingehende Beratungen über Volksbegehren aus. In der Schweiz dauere es nämlich zwei Jahre von einer Volksinitiative zur Volksabstimmung, und das Parlament habe die Gelegenheit zu einem Gegenvorschlag, über den dann auch abgestimmt werde. “Das gefällt mir sehr gut”, sagte der frühere ÖVP-Klubobmann. Es müsse nämlich verhindert werden, “dass es aus der Emotion heraus zu falschen Entscheidungen kommt”, forderte Lopatka unter anderem eine umfassende und ausgewogene Information.

Ähnlich äußerte sich Bösch. Es sei “durchaus vernünftig”, dass in der Schweiz die Parlamentskammern eine Stellungnahme zu Volksinitiativen abgeben könnten. Auch müsse man eine “umfassende Informationsebene” entwickeln, die etwa beim Bundeskanzleramt oder im Innenministerium angesiedelt werden könnte. Lopatka nannte den Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes als Stelle für die Ausarbeitung der offiziellen Abstimmungsinformation, zumal dieser auch bei der Opposition angesehen sei. Beide Politiker sind auch gegen eine Mindestbeteiligung für die Gültigkeit von Volksabstimmung. Schließlich gebe es auch in der Schweiz solche Quoren nicht.

Während Bösch die Aufwertung von Volksbegehren als einen “ersten Schritt” zum Abbau des “dramatischen Reformstaus” in Österreich sieht, erwartet Lopatka keine tektonischen Verschiebungen im politischen System. “Das kann nicht eine gute Arbeit in der Bundesregierung ersetzen”, sagte er. Auf die Frage nach einer möglichen Instrumentalisierung von Volksbegehren durch die Opposition räumte der ÖVP-Politiker ein, dass hier wohl “der große Unterschied zwischen Österreich und der Schweiz” liege. “Wir sind einfach ein Parteien-, Kammern- und Verbändestaat. Die Schweiz ist das nicht. Die Schweiz ist wirklich ein Bürgerstaat”, sagte er.

FPÖ-Abgeordneter Bösch schreckt die Aussicht auf oppositionelle Volksbegehren gegen eine künftige schwarz-blaue Regierung nicht. “Ich habe da überhaupt keine Befürchtungen”, sagte er. Es sei gutes Recht der Opposition, sich des Volksbegehrens zu bedienen. “Wenn die Instrumente da sind, dann sollen sie in einer Demokratie auch genutzt werden.

NEOS wollen VP-FP bei Kassenreform auf die Sprünge helfen

Gegen die geplante Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger regt sich noch bevor die künftige Regierung Details bekannt gegeben hat Widerstand. Die NEOS wollen ÖVP und FPÖ hier auf die Sprünge helfen und legen einen detaillierten Reformplan für die Sozialversicherungsträger vor.

Österreich verfügt über 21 Träger für Pensions-, Unfall und Krankenversicherung. Für alle drei Sparten zuständig sind nur die Sozialversicherungsanstalt der Bauern (SVB) und die Versicherungsanstalt für Eisenbahn und Bergbau (VAEB). Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) deckt die Pensions- und Krankenvorsorge ab, die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA) die Kranken- und Unfallversicherung. Die neun Gebiets- und die fünf Betriebskrankenkassen sind für die Krankenversicherung zuständig, für die beiden anderen Sparten die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) und die Pensionsversicherungsanstalt (PVA). Als Spezialfall haben die Notare noch eine eigene Pensionsversicherung.

Daneben gibt es noch 15 Krankenfürsorge- und/oder Unfallfürsorgeanstalten. Diese Fürsorgeanstalten sind für Landes- und Gemeindebedienstete zuständig, sie gehören nicht dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger an. Allein in Oberösterreich gibt es sechs solche Fürsorgeanstalten – u.a. für die Beamten der Landeshauptstadt Linz, für die oberösterreichischen Lehrer, für die Beamten des Magistrates Steyr und für die Beamten der Stadt Wels.

“Diese Struktur ist für ein Land mit etwas mehr als acht Millionen Einwohnern äußert unübersichtlich und zersplittert”, sagte NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker im Gespräch mit der APA. Dieser “Wildwuchs” führe zu ineffizienten Strukturen und unterschiedlichen Leistungen für die Versicherten. Die NEOS haben nun einen Stufenplan für eine Zusammenlegung der Krankenversicherungsträger ausgearbeitet. Als erstes soll es ab 2018 einen personellen Aufnahmestopp bei allen Trägern geben.

NEOS mit detailiertem Reformplan für Sozialversicherungsträger

Eine Zusammenlegung der Trägerstruktur soll für den 1.1.2023 angepeilt werden. Es soll demnach nur noch einen gemeinsamen Krankenversicherungsträger mit Landesstellen in allen Bundesländern geben. Die Bundesländerbüros sollen regionale Bedarfsplanung und Koordination übernehmen. Wichtig ist den NEOS ein gemeinsamer Ausgleichsfonds mit allen Krankenversicherungsträgern, so lange noch alle Krankenkassen organisatorisch vorhanden sind. Dieser sorgt dafür, dass alle Kassen die gleichen Leistungen für alle Versicherten bereitstellen können. Derzeit sind die Kassen finanziell unterschiedlich aufgestellt, weil zum Beispiel in Kärnten und dem Burgenland die wirtschaftliche Lage schlechte ist als in Vorarlberg. Bei den Beamten wiederum gebe es keine Arbeitslosen und keine Konkurse, die die Einnahmen schmälern. Die Beamtenkasse zahlt überhaupt nicht in den Ausgleichsfonds, dieser erfasst derzeit nur die neun Gebietskrankenkassen.

Im Vorfeld einer endgültigen Zusammenlegung müssen weiters die Verträge mit Vertragspartnern, insbesondere mit Ärzten neu aufgesetzt werden. Gleichzeitig soll ein gemeinsamer Leistungskatalog geschaffen werden. Derzeit zahlen die Kassen unterschiedliche Honorare an die Ärzte und bieten ihren Versicherten unterschiedliche Leistungen.

Zusammengelegt werden sollen auch die vier Pensionsversicherungsträger (PVA, Eisenbahner, Bauern und SVA). Auch das Parallelsystem der Beamten, deren Pensionen derzeit direkt vom Bund bezahlt werden, soll durch die Zusammenlegung der Pensionsversicherungsträger der Geschichte angehören. Beamte sollen rascher (derzeit vorgesehen ab 2028, Anm.) unter die Regelungen des Allgemeinen Pensionsgesetzes (APG) fallen und damit das Pensionskonto wie für ASVG-Versicherte auch für Beamte ab Jahrgang 1955 schrittweise eingeführt werden.

Die Unfallversicherungsträger sollen laut den pinken Plänen im Zuge der Fusionierungen aufgelöst werden und durch eine private Versicherungspflicht für Arbeitgeber ersetzt werden. Dadurch entfällt mittelfristig der Unfallversicherungsbeitrag von 1,3 Prozent und kann durch eine wesentlich kostengünstigere Alternative ersetzt werden.

“Sollte die Regierung außerstande sein, die Zusammenlegung der Versicherungsträger sofort in die Wege zu leiten, verlangt wir die freie Wahl des Versicherungsträgers”, sagte Loacker. Um sicherzustellen, dass alle Bürger von der Krankenversicherung erfasst sind, soll ein Kontrahierungszwang für die Kassen gelten. Damit hat der Bürger ein Recht auf eine Krankenversicherung. Versicherungsträger, die sich um Kunden bemühen müssen, bieten besseres Service als Versicherungen, die einfach nur “zuständig” sind, so Loacker.

(APA/Red)

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