Die Koalition hat am Dienstag ihr Bildungspapier vorgelegt. ÖVP und FPÖ setzen dabei auf Ziffernnoten, eigene Vorbereitungsklassen für Kinder mit nicht ausreichenden Deutschkenntnissen, den Erhalt der Sonderschule, Ethik-Unterricht, ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr sowie auf Sanktionen bei Sozialleistungen, wenn die Eltern den gesetzten Vorgaben nicht folgen.
Dazu soll es Schulen ab der fünften Schulstufe ermöglicht werden, sich ihre Schüler verstärkt aussuchen zu können. Vorgesehen ist eine "temporäre Möglichkeit von Eingangsverfahren (im Zuge der Anmeldungen für die jeweiligen ersten Klassen) für höhere Schulen". An Aufnahmeprüfungen ist dabei aber nicht gedacht.
. Ab der ersten Klasse Volksschule hat demnach künftig wieder die klassische Skala von 1 (sehr gut) bis 5 (nicht genügend) zu gelten. Verbale Benotungen sind nur noch zusätzlich möglich.
Vor dem Schuleintritt sind zwei verpflichtende Kindergartenjahre zu absolvieren, allerdings nur dann, wenn sich bei einer Testung herausstellt, dass das für das jeweilige Kind angebracht ist. Schüler, die Deutsch nicht ausreichend beherrschen, sollen in eigenen Deutschklassen untergebracht werden. Auch im Sommer sowie an Nachmittagen soll es für diese Gruppe verpflichtenden Unterricht geben.
Am Ende der dritten Klasse Volksschule soll ein standardisierter verbindlicher Talente-Check stehen. Zu Beginn der siebenten Schulstufe ist wiederum ein "Chancen-Pass" vorgesehen. Dieser meint die Prüfung der Bildungsstandards ergänzt um weitere Tests, um die richtige Wahl des weiteren Bildungsweges zu unterstützen.
Erhalten bleiben soll der Religionsunterricht. Für jene, die ihn nicht besuchen, ist ein verpflichtender Ethik-Unterricht geplant.
Lehrer sollen sich verpflichtend fortbilden müssen und das "grundsätzlich" in den unterrichtsfreien Zeiten. Eingeführt werden sollen flächendeckend Feedbacks für Lehrer durch Schüler.
Was die Bildungspflicht angeht, müssen gewisse Standards (Lesen, Schreiben, Rechnen, Soziale und kreative Kompetenz) erfüllt sein, damit man die Schule nach neun Schulstufen abschließen kann. Sind die Erforderungen nicht erbracht, muss die Bildungslaufbahn bis maximal 18 fortgesetzt werden.
Die entsprechenden Vorgaben im Bildungswesen sind auch einzuhalten. Ansonsten drohen Verlust bzw. Einschränkung von Sozialleistungen.
Organisatorisch geplant ist eine Auflösung der Einteilung des Bundesgebietes in standortgestützte Schulsprengel im Bereich der Neuen Mittelschule. Die ganztägigen Schulen sollen weiter ausgebaut und auch die tägliche Turnstunde weiterentwickelt werden. Abgeschafft werden soll das Bildungsinstitut BIFIE.
Gesetzlich soll das Bildungswesen künftig kompakter gestaltet sein. Alle bestehenden Schulgesetze sollen in einem klar formulierten Bundesbildungsgesetz für Inhalte und Organisation sowie einem Pädagogengesetz für alle Personal-relevanten Aspekte aufgehen.
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Aus Wien kam am Dienstagvormittag scharfe Kritik an den kolportierten : "Der Bildungszugang, der sich in den schwarz-blauen Koalitionsverhandlungen derzeit abzeichnet, lässt sich in drei Worten am besten zusammenfassen: Sparen, Auslese und Ignoranz von positiven pädagogischen Zugängen", befand der Wiener Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) in einer Aussendung.
Würden Ressourcen reduziert, gehe dies auf Kosten von individueller Förderung, warnte er am Dienstag. Harsche Kritik übte der Ressortchef an den "Wenn es um Ziffernnoten statt verbaler Beurteilung geht, wird eine in Wien an über 260 Schulen jahrelang gelebte Praxis ignoriert, die sich sehr bewährt hat."
Foto: KURIER/Gilbert Novy Gerade die alternative Leistungsbeurteilung sei aus der pädagogischen Praxis von und mit Lehrern entstanden und würde auch laufend weiterentwickelt. Es sei "wirklich unglaublich", dass man diesen Lehrern einfach ausrichte, dass diese Form der Beurteilung nicht mehr gewünscht sei, wetterte Czernohorszky - der darauf drängte ,die Lehrer selbst zu fragen, was sie davon hielten.
Auch die angekündigten Sparpläne seien für Lehrkräfte im Ballungsraum "ein Schlag ins Gesicht". Die Pläne seien insgesamt ein bildungspolitischer Rückschritt um Jahrzehnte: "Wer nicht bereit ist, Kinder individuell zu fördern, kann sich nur damit helfen, sie in Kasteln zu zwängen!"