Die Koalitionsverhandler von ÖVP und FPÖ sollen einen Konsens über eine drastische Reduktion der Sozialversicherungsanstalten erzielt haben. Eine Bestätigung dafür gab es auf beiden Seiten nicht. Allerdings wird auf Ebene der Chefverhandler bereits heute über das neue Modell beraten, wie der KURIER aus Verhandlerkreisen erfuhr.
Statt der neun Gebietskrankenkassen soll es nur noch eine für alle Unselbstständigen geben, wie der Standard berichtete. Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) und jene der Bauern würden in einer Selbstständigenkasse aufgehen.
Die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) würde es nicht mehr geben, die beiden großen Kassen Für Selbstständige und Unselbstständige sollen ihre Aufgaben übernehmen. Die derzeit 21 Sozialversicherungsträger würden damit annähernd halbiert.
Für die Beamten soll laut Standard die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA) bestehen bleiben, es sollen aber die 16 Krankenfürsorgeanstalten der Länder und Gemeinden hinzukommen.
Mehr Einfluss will sich die Regierung bei der Beschickung der Sozialversicherungsgremien sichern. Vorgeschlagen wird ein Verwaltungsratsmodell nach dem Vorbild des Arbeitsmarktservice (AMS).
Das würde die Selbstverwaltung der Kassen deutlich einschränken. Im Verwaltungsrat des AMS sitzen neben Vertretern von Arbeitnehmern und Arbeitgebern auch Regierungsvertreter.
Besonders im Sozialbereich soll es auf Ebene der Fachgruppen zuletzt Meinungsverschiedenheiten zwischen ÖVP und FPÖ gegeben haben, vor allem die FPÖ würde noch wesentlich weitreichender ins bestehende System eingreifen. Aufgrund dessen sei auf ÖVP-Seite Innenminister Wolfgang Sobotka als eine Art Schlichter zu den Gesprächen hinzugezogen worden, war aus Verhandlungskreisen zu hören.
Vor allem die Länder befürchten bei den vorgeschlagenen Systemänderungen einen Verlust an Einfluss. Aus diesem Grund komme bei diesem Thema Sobotka zum Einsatz. Ihm wird ein guter Draht zu den Ländern und im besonderen Maß nach Niederösterreich nachgesagt.
Bis jetzt sollen diese Überlegungen nur in der betreffenden Untergruppe akkordiert sein, noch nicht auf Ebene der Chefverhandler. Die Steuerungsgruppe verhandelt heute zum ersten Mal zum Thema Kassenfusionen. Zuletzt wurde berichtet, dass das Thema erst am Donnerstag auf den Tisch komme.
Diskutiert wird auch noch über das Problem überfüllter Spitalsambulanzen. Hier überlegt man einen "Bonus" für jene, die zum niedergelassenen Arzt gehen, um nicht Erinnerungen an die Ambulanzgebühren zu wecken, die unter der Regierung Schüssel I für große Aufregung sorgten.
Offiziell präsentiert wird heute aber voraussichtlich das Thema Bildung. ÖVP-Obmann Sebastian Kurz pocht auf die Einführung einer Bildungspflicht, denn es gehe nicht darum, dass Kinder neun Jahre in der Schule absitzen. Das erklärte er beim Eintreffen zur heutigen Sitzung der Steuerungsgruppe.
Koalition - Kurz drängt auf Bildungspflicht
Die Chefverhandler setzen sich im Parlamentspavillon auch mit dem Thema Bildung auseinander, dabei gebe es noch einige Fragen zu klären, so Kurz. Er sei aber guter Dinge, dass man sich finden werde. Ziel sei es, dass man sich auf die Grundkompetenzen lesen, rechnen und schreiben fokussiere, erklärte der ÖVP-Chef weiter. Absolventen könnten dies zu oft nicht, sah er ein "Riesenproblem" am Arbeitsmarkt. Daher sollte man sich schon in der Volksschule auf diese Grundkompetenzen konzentrieren, forderte Kurz und will eine Bildungspflicht diskutieren. Sollten die Kinder in den Grundkompetenzen ein Mindestmaß nicht erreichen, verlängere sich die Schulpflicht bis 18 Jahre, schlug er vor.
ferner, dass künftig in der Volksschule wieder obligatorisch Ziffernnoten vergeben werden sollen. Ferner soll die siebenstufige Benotungsskala bei den Neuen Mittelschulen fallen. Zudem dürfte man Vorbereitungsklassen für Kinder, die nicht ausreichend Deutsch sprechen, etablieren.
Kurz hat weiterhin das Ziel, die Gespräche vor Weihnachten abzuschließen, dies sei "machbar". Qualität gehe aber voran, so der Parteiobmann. Den 12. Dezember, der hierfür ebenfalls kolportiert wird, nannte Kurz "sehr ambitioniert". FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache meinte auf die Frage nach dem Abschlusstermin lediglich, er sei "kein Hellseher".
Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres wendet sich gegen die kolportierten Pläne der schwarz-blauen Koalitionsverhandler zur Zusammenlegung von Krankenkassen. In einer Aussendung sprach er sich auch künftig für starke regionale Entscheidungskompetenzen auf Bundesländerebene aus, da die besten Entscheidungen für die Menschen nur vor Ort erfolgen könnten.
Szekeres kritisierte, dass über Einsparungen oder strukturellen Änderungen im Gesundheitswesen geredet werde, nicht aber über einen drohenden Ärzte- und Versorgungsmangel und auch nicht über Vorsorge. Er forderte, sich über bessere Leistungen Gedanken zu machen. "Angesichts der Tatsache, dass die Gesellschaft immer älter wird und chronische Erkrankungen kontinuierlich steigen, ist die Steigerung der Gesundheitsausgaben absehbar." Daher ist es für den Ärztekammer-Präsidenten unzulässig, die Gesundheitsausgaben an die Wirtschaftsleistungen (BIP) zu koppeln.