Neun Stunden lang berieten sich die Spitzen der SPD gestern, ob die Partei nun doch von ihrem kategorischen Nein zu einer großen Koalition abweichen soll, oder nicht. Das Ergebnis: Jein. Die SPD ringt mit der neuen, alten Rolle des Königinnenmachers, die ihr nun zugeschrieben wird. Zu frisch scheint noch der Eindruck der krachenden Niederlage bei den Bundestagswahlen im September.
Man sei jedenfalls zu Gesprächen mit anderen Parteien bereit, ließ SPD-Generalsekretär Hubertus Heil in der Nacht auf Freitag wissen. Aus Respekt vor dem Amt des Bundespräsidenten, der sich zuletzt im Gegensatz zu Kanzlerin Merkel strikt gegen Neuwahlen ausgesprochen hatte - und nach der Wackel-Entscheidung der SPD am Freitag gleich konkret wurde: Für kommenden Montag lud er Angela Merkel (CDU), CSU-Chef Horst Seehofer und Martin Schulz (SPD) zu einem gemeinsamen Gespräch ins Schloss Bellevue ein.
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Allein: Mit welchem Ziel Schulz in dieses Gespräch gehen soll, darüber konnte man sich in der SPD bis dato noch nicht einigen. Es ist eben auch ein schwieriger Balanceakt für die gebeutelte Partei. Nach vier Jahren großer Koalition kam man bei den Bundestagswahlen im September auf den historischen Tiefstand von 20,5 Prozent. Die Zeit in der Opposition wollte man eigentlich dafür nützen, sich neu aufzustellen. Inhaltlich. Und personell.
Dass jetzt Neuwahlen im Raum stehen, bzw. man gleichzeitig wieder zum Regieren gedrängt wird, trifft die SPD also zum ungünstigsten Zeitpunkt. Parteichef Martin Schulz ist umstritten, auch wenn Heil und Justizminister Heiko Maas Rücktritts-Spekulationen gestern zurückgewiesen. Und von einer inhaltlichen Neuausrichtung fehlt jede Spur. Bis Ende 2018 wollte man sich eigentlich Zeit lassen, grundsätzliche Streitthemen in einem "Kompass 2018" zu klären.
SPD-Chef Martin Schulz will nun die Mitglieder seiner Partei über eine Beteiligung der Sozialdemokraten an einer Regierungsbildung abstimmen lassen, wie das zuvor bereits sein Vize Ralf Stegner verlangt hatte.
Eine Rückkehr in die ungeliebte große Koalition war bereits von Ex-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) und der Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission, Gesine Schwan, ins Spiel gebracht worden. Die beiden sprachen sich in einem offenen Brief am Donnerstag für eine Koalition aus SPD, Union und Grünen aus. Dies sei ein "kreativer Ausweg" nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen.
Voraussetzung sei allerdings, dass zu den Themen Förderung der sozialen Gerechtigkeit und Forcierung der Europapolitik überzeugende gemeinsame Antworten gefunden würden. Eine solche "Kenia-Koalition" müsse wie eine Minderheitsregierung "als Übergangslösung verstanden und praktiziert werden, um eine Periode deutscher Instabilität und Unberechenbarkeit in der Europapolitik und im internationalen Bereich zu vermeiden".
Am Abend hatte der geschäftsführende Justizminister Heiko Maas in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner" bereits anklingen lassen, dass seine Partei vielleicht doch gesprächsbereit sei: Es liege nun an den Gremien der SPD, ob die Partei die bisherige Haltung "korrigieren will, ob sie Gespräche führen will - ob das der Parteivorstand ist, ob das der Bundesparteitag ist, der Anfang Dezember stattfindet, ob das die Mitglieder sind", wird Maas in der Süddeutschen Zeitung zitiert.
Ob Neuwahlen, große Koalition oder - weniger wahrscheinlich - eine von Merkel verschmähte Minderheitsregierung: Nachdem die FDP die Sondierungsgespräche platzen hat lassen, sind sich deutsche Kommentatoren einig: Es liegt nun an der SPD, wie es in Deutschland weitergeht. Es ist die nächste Rolle, mit der die glücklose SPD hadert.