Am Ende der dritten Verhandlungswoche treten ÖVP-Chef Sebastian Kurz und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wieder mit Zwischenergebnissen vor die Presse. Nach dem Tagen der Steuerungsgruppe ist ab 13 Uhr eine Pressekonferenz geplant. KURIER.at zeigt einen Livestream.
Was die Dauer der Koalitionsverhandlungen betrifft, wollte sich Kurz vor Beginn der Sitzung nicht festlegen. Die FPÖ-Seite gibt sich weiter gebremst. Unter der Hand hieß es, dass man wohl nicht vor Weihnachten fertig werde.
Ein kurz Überblick darüber, welche Themenblöcke bereits weit fortgeschritten sind und wo noch harte Brocken auf die Verhandler warten:
Den Themenbereich "Sicherheit, Ordnung und Heimatschutz" haben ÖVP und FPÖ so gut wie fertig, wie heute auch ÖVP-Chef Kurz bestätigte. Dass man hier ganz einig sei, sei "zugespitzt", aber die Gespräche verlaufen in diesem Bereich "sehr positiv". Einige Detailfragen seien aber noch zu klären, sagt Kurz.
- Innere Sicherheit
Maßnahmen bei Grenzsicherung, Migration und Strafrechtsverschärfungen für Gewaltverbrechen sollen bereits außer Streit gestellt worden sein. Eine der letzten offenen Fragen war das von SPÖ und ÖVP avisierte, aber nie umgesetzte Sicherheitspaket mitsamt der Überwachung von Whatsapp & Co. Laut Salzburger Nachrichten soll das Staatsbürgerschaftsrecht für anerkannte Flüchtlinge verschärft werden. Diese sollen die Staatsbürgerschaft nicht mehr nach sechs Jahren erhalten können. Im Gespräch sei eine Verlängerung der Wartefrist oder überhaupt eine Abschaffung der Sonderregelung für Flüchtlinge, so die SN.
- Landesverteidigung
Beim Thema Landesverteidigung pocht die FPÖ auf eine um rund ein Drittel auf 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, das wären 3,5 Milliarden Euro im Jahr statt derzeit 2,18 Milliarden. Von der ÖVP gibt es bisher keine Bestätigung.
Dass Strache nebst dem Job des Vizekanzlers auch "Heimatschutzminister" werden dürfte, wird allerorten als "Ente" abgetan – wie dieses Ressort in etwa aussehen könnte, vermag auch die FPÖ nicht zu erklären. Genannt wurden die Bereiche "Bürgerbeteiligung" und Sport – diesen würde das Verteidigungsressort auch nicht kampflos aufgeben.
- Medien
Vor allem beim Bereich Medien sind die Verhandlungen noch nicht weit gediehen. Es sei auch damit zu rechnen, dass das Medienkapitel eher länger brauchen wird. Die Themen, die auf dem Tisch liegen, liegen auch auf der Hand: Medienpolitische Dauerbrenner wie Presse- bzw. Medienförderung, Werbeabgabe oder auch sozialrechtliche Rahmenbedingungen (Stichwort Arbeitsverhältnisse). Dass das entsprechende Gesetz reformiert wird, steht völlig außer Streit. Die FPÖ plant zudem ein neues Modell der Gebührenverteilung. "Das könnte in etwa so aussehen, dass die bestehenden ORF-Gebühren abgeschafft und nur noch öffentlich-rechtliche Inhalte subventioniert werden, egal welcher Sender diese dann ausstrahlt", sagte FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl.
In dem Cluster, der Gesundheit und Soziales umfasst, sind die härtesten Brocken zu erwarten.
- Pflege
Beim derzeitigen Verhandlungsthema Nummer eins in der Untergruppe "Soziales & Konsumentenschutz", der Pflege, könnte es zu Einschnitten für jene Pensionisten kommen, die in Alters- und Pflegeheimen wohnen. Denn derzeit wird berechnet, wie man den Pflegeregress, der erst Ende September mit breiter Mehrheit im Parlament abgeschafft wurde, finanzieren könnte. Wie hat die ÖVP der FPÖ den Vorschlag gemacht, dass das 13. und 14. Monatsgehalt der Heimbewohner zur Gegenfinanzierung einbehalten werden soll. Das könnte zum ersten Knatsch mit der FPÖ führen, die das ablehnt. In einem ist man sich aber einig: Der gesamte Pflege-Bereich muss finanziell breiter aufgestellt werden.
- Rauchen
Die Debatte um das Rauch-Verbot wird – noch – in den Parteien geführt. "Weder in der Steuerungsgruppe noch in der entsprechenden Cluster- oder Fachgruppe wurde darüber geredet", sagt ein ÖVP-Stratege. Tatsächlich wünscht sich eine Gruppe um FPÖ-Boss Heinz-Christian Strache, dass die geltende Rauchverbotsregelung in der Gastronomie beibehalten und nicht durch ein generelles Rauchverbot ersetzt wird. "Da hängen Arbeitsplätze daran. Die Wirte haben 100 Millionen Euro ausgegeben, damit ihre Lokale der jüngsten Regelung entsprechen", argumentiert etwa FPÖ-Verhandler Johann Gudenus.
In der ÖVP sieht man das gänzlich anders: Österreich sei in Europa Schlusslicht beim Abschied vom Glimmstängel, die Gesundheitsdaten seien signifikant schlechter als anderswo, entsprechend unklug sei es, das Rauchen in der Gastronomie doch zu erlauben.
- Krankenkassen
Die Fusion der Krankenkassen ist ein großes Thema bei den Verhandlungen, in vielem ist man sich einig. So sollen die neun Gebietskrankenkassen zu einer und die Kassen von Bauern und Selbstständigen fusioniert werden. Aus Patientensicht spannend ist, dass FPÖ und ÖVP auch Änderungen für die Versicherten erreichen wollen. So denkt man etwa darüber nach, welche (finanziellen) Anreize es für Vorsorgeuntersuchungen und Ähnliches geben soll.
– Lufthunderter
Das Gerücht, dass das 100er-Tempolimit auf Autobahnen zu Fall gebracht wird, ist laut Verhandlern bisher noch heiße Luft. Die FPÖ fordert dies zwar schon lange, das Thema war allerdings noch nicht Verhandlungsgegenstand. Besprochen wird der "Luft-100er" am Montag.
- Mindestsicherung
Generell prüfen die Blauen derzeit jede Verhandlungsmaterie sehr genau. Im Fall der Mindestsicherung kam man offenbar zu dem Schluss, dass Nachteile für gewisse Bevölkerungsgruppen möglicherweise nicht verfassungskonform bzw. nicht mit europarechtlichen Bestimmungen vereinbar sind, wie die Presse berichtet. Die FPÖ-Ansage aus dem Wahlkampf, Asylberechtigten gar keine Mindestsicherung auszubezahlen, sondern sie in der Grundsicherung zu belassen, wo ihnen nur Sachleistungen wie zustehen, wäre in diesem Fall nicht umsetzbar. Überlegt wurde auch, die neuen Modelle aus Oberösterreich und Niederösterreich, wonach Asylberechtigte eine geringere Mindestsicherung erhalten, auf das ganze Bundesgebiet auszudehnen. Auch das dürfte möglicherweise nicht kommen.
Laut anderer Medienberichte sei aber bereits paktiert, dass Sozialleistungen erst nach fünf Jahren Aufenthalt in Österreich ausbezahlt werden sollen, ebenso eine Reduktion der Mindestsicherung für Asylberechtigte auf 500 Euro und großteils aus Sachleistungen bestehend, sowie eine Deckelung der Mindestsicherung für Familien auf 1500 Euro. Offiziell bestätigt ist freilich noch nichts von all dem.