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Merkel: Zweite Runde "Jamaika" wird hart

17-11-2017, 10:32

Bis in die frühen Morgenstunden verhandelten Union, Grüne und FDP - um vier Uhr früh war dann Schluss. Nach fast 15 Stunden warfen die Unterhändler vorerst das Handtuch, die Sondierungen wurden vertagt, ab heute Mittag geht es weiter - womöglich gar bis ins Wochenende.

Warum es aus seiner Sicht so schwer ist, berichtete ein sichtlich übermüdeter FDP-Sondierer Wolfgang Kubicki im ARD-Morgenmagazin: das Vertrauen fehle. Kubicki, der schon in Schleswig-Holstein ein Jamaika-Bündnis mit auf den Weg brachte, sagte, dass es einfacher war, da sich die Akteure besser kannten. Nun werde mit Leuten verhandelt, "wo noch kein Vertrauensverhältnis da ist."

Abgesehen von den persönlichen Belangen, sind es die inhaltlichen Positionen, die scheinbar nicht zueinander finden. Zuletzt standen man vor allem bei der Flüchtlingspolitik weit auseinander und den von den Grünen geforderten Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutz. Und obwohl heute Morgen die müden Gesichter der Sondierer wenig Grund zu Hoffnung gaben, zeigte sich Peter Altmaier am Vormittag fast schon wieder optimistisch. Es sei "erst einmal kein schlechtes Zeichen", dass über den großen Streitpunkt Flüchtlinge sehr lange bei den Sondierungen gesprochen worden sei, sagte Altmaier. Das zeige, dass die Beteiligten zusammenkommen wollten, "jedenfalls die allermeisten". 

Auch Kanzlerin Angela Merkel meldete sich nach der erfolglosen nächtlichen Runde zu Wort. Sie gehe trotz aller Schwierigkeiten mit dem Willen in die Verhandlungen, "den Auftrag, den uns die Wähler gegeben haben, eine Regierung zu bilden, auch umzusetzen. Es wird sicherlich nicht einfach, es wird sicherlich hart, aber es lohnt sich, heute Runde zwei nochmal zu drehen". 

Eigene Reihen überzeugen

Im Tauziehen um eine Einigung für Koalitionsverhandlungen dürfte es den Ökos besonders um die eigenen Reihen gehen: Die Grünen müssen das Sondierungspapier ihrer Basis beim Parteitag am 25. September verkaufen, da sie beim Umweltschutz teils schon von ihren Forderungen abgerückt sind (Enddatum für Kohleausstieg und Ende der Verbrennungsmotoren) wollen sie beim Migrationsthema standhaft bleiben. Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt hob dennoch die Bereitschaft ihrer Partei zu Kompromissen hervor. "Auch wenn es noch so hart ist, auch wenn es noch so lange dauert, wir bleiben gesprächsbereit", sagte die Verhandlungsführerin in einer Videobotschaft. 

Deutlich verstimmt äußerte sich CSU-Chef Horst Seehofer - auch wenn er die Grünen nicht direkt nannte: "Dieses Spiel, wir haben uns bewegt, jetzt müssen sich die anderen bewegen, ist nicht nachvollziehbar." Man dürfe nicht nur öffentlich erklären, kompromissbereit zu sein, sondern müsse dem in den Verhandlungen auch Taten folgen lassen. Der Ober-Bayer steht seit der Wahl besonders unter Druck, er muss im Kampf um seinen Chefsessel mit einem vorzeigbaren Ergebnis nach Bayern zurückkehren. Dass es laut Grünen angeblich in den Verhandlungen zu Streitigkeiten mit Mit-Verhandler und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt kam, räumte der Ober-Bayer noch in den frühen Morgenstunden vom Tisch. "Das sind alles Falschbehauptungen. Wir brauchen nicht die Falschbehauptungen aus Moskau zurückdrängen, sondern es müssen sich manche wie die Grünen fragen, warum sie solche Falschbehauptungen in die Welt setzen", sagte ein sichtlich abgeschlagener Parteichef.

Stunden zuvor, twitterte Jürgen Trittin, vom linken Flügel der Grünen, noch ein Musikvideo: Jimmy Cliff, „The harder they come, the harder they fall“ (Dt. etwa: „Je härter sie sind, umso härter fallen sie“)

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