CDU, CSU, FDP und Grüne kommen bei den Sondierungen über eine Jamaika-Koalition kaum vom Fleck. In der Nacht zum Donnerstag beendeten die vier Parteien Gesprächsrunden zu den Themen Steuern und Finanzen sowie Klima- und Energiepolitik ohne Durchbruch. Auch bei Verkehr und Migration bleiben große Differenzen. Am Donnerstag - bis in die Nacht auf Freitag - ist die letzten Sondierungsrunde angesetzt.
"Es zieht gerade ein Hurrikan auf über Jamaika", sagte FDP-Vize Wolfgang Kubicki nach den Gesprächen in der Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin. "Es ist fast alles wieder streitig." Auf die Frage, ob am Donnerstag eine Einigung möglich sei, antwortete er: "Die Frage kann ich nicht beantworten." Etwas zuversichtlicher klang FDP-Chef Christian Lindner, der von Fortschritten in der Finanzpolitik sprach.
Foto: APA/dpa/Silas Stein Mit Blick auf Kubickis Sturmwarnung sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter: "Der Hurrikan kommt daher, dass sich beim Klima so wenig tut." Das Grünen-Spitzenduo Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt gab sich beim Verlassen des Sitzungsorts zugeknöpft. Die Ökopartei dringt vor allem auf einen schnellen Ausstieg aus der Kohleenergie, um die deutschen Klimaziele zu erreichen. Union und FDP lehnen eine rasche Abschaltung der Kohlekraftwerke ab.
CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte, er müsse sich die Wetterlage für Jamaika "noch durch den Kopf gehen lassen". Doch er räumte ein: "Das ist morgen schon eine harte Nummer." Die Parteispitzen hätten die Papiere zu den Zwischenständen der Gespräche gesichtet. "So groß weiter ist man heute noch nicht. Da muss morgen schon ein ziemlicher Sprung nach vorne kommen."
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In einem offenen Brief an die Partner einer möglichen Jamaika-Koalition in Berlin hat eine Gruppe "engagierter Europäer" die künftige Bundesregierung zu einem klaren europapolitischem Kurs aufgerufen. "In der öffentlichen Debatte wurde bis jetzt zu einer der zentralen Herausforderungen einer neuen Regierung hauptsächlich geschwiegen: die Stärkung Europas", heißt es kritisch in dem Brief.
"Die neue deutsche Regierung wird sich aber daran messen lassen müssen, ob sie die Eurozone stabilisiert und den sozialen Zusammenhalt in Europa stärkt", betonen die Autoren in dem Schreiben, das der dpa vorliegt. Es gehe darum, ob sie auf die "Ruckrede" des französischen Präsidenten Emmanuel Macron und auf die Grundsatzrede von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker eine konstruktive Antwort gebe, "oder nur betretenes Schweigen im Sinne des Status quo."
Die Autoren, unter ihnen der österreichische Schriftsteller Robert Menasse, der Grünen-Europapolitiker Daniel Cohn-Bendit und der Autor Andre Wilkens, fordern eine Demokratisierung der Eurozone mit effektiver parlamentarischer Kontrolle, die Finanzierung von Investitionen mit einer europäischen Körperschaftsteuer sowie einen effektiven Kampf gegen Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Steuervermeidung. Auch der soziale Zusammenhalt müsse gestärkt werden.
"Nicht nur Frankreich und die sogenannten Krisenländer in Europa brauchen Reformen, Deutschland und ganz Europa brauchen sie auch", heißt es weiter.
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