Das Europaparlament hat erneut massive Kritik am Umbau des polnischen Justizwesens geübt. Dieser sei geeignet, die Unabhängigkeit der Justiz "strukturell zu schädigen" und die Rechtsstaatlichkeit in Polen insgesamt zu schwächen, stellte das Straßburger Parlament am Freitag in einer Entschließung fest.
Zahlreiche Gesetze seien "ohne die Möglichkeit einer unabhängigen und rechtmäßigen Prüfung ihrer Verfassungsmäßigkeit" verabschiedet worden. Dies sei eine "Aushöhlung der Menschenrechte, der demokratischen Gewaltenteilung und der Rechtsstaatlichkeit", heißt es in der Entschließung weiter. Polen verstoße damit eindeutig gegen Grundwerte der Europäischen Union.
Das Parlament beschloss zudem erste Schritte für Sanktionen. Dies ist laut Artikel sieben der EU-Verträge möglich, wenn ein Land andauernd und schwerwiegend gegen Grundwerte der EU verstößt. In einem solchen Fall sind Sanktionen möglich - bis zum Stimmenentzug im Rat der 28 EU-Staaten. Der Justizausschuss des Parlaments soll nun eine Aufforderung an den Rat erarbeiten, den Artikel sieben anzuwenden.
Der Text wurde mit großer Mehrheit angenommen - gegen die Stimmen der Abgeordneten der polnischen Regierungspartei PiS, die vehement gegen die "Einmischung" der Europaparlaments in polnische Angelegenheiten protestierten.
Der Vize-Präsident der Kommission, Frans Timmermans, warf der rechtskonservativen polnischen Regierung Mangel an Dialogbereitschaft vor. Seit Juli habe die Kommission vier Briefe nach Warschau gesandt und um ein Treffen gebeten - vergebens. Die Einladung zum Dialog stehe immer noch. Allerdings könne die EU nicht funktionieren, wenn einzelne Staaten nur jene Regeln beachteten, die ihnen passten.
Die EU sei kein Restaurant, in dem man sich à la carte bediene, sagte auch der Chef der sozialdemokratischen Fraktion, Gianni Pittella. Zudem setze ein Dialog zwei Gesprächspartner voraus. "Wenn einer von ihnen taub ist, wird das schwierig." Der sozialdemokratische Fraktionsvize Josef Weidenholzer erklärte: "Wir tun das, weil wir Polen lieben." Rechtsstaatlichkeit und Unabhängigkeit von Verfassungsgerichten seien nicht verhandelbar. "Auch die polnische Regierung muss sich an die Kopenhagen-Kriterien halten. Europa besteht nicht in einem Rosinenpicken, sondern ist ein Haus mit gemeinsamen Regeln", meinte Weidenholzer.
Die Kommission liegt seit Anfang 2016 mit Warschau im Streit, als die nationalkonservative Regierung nach Ansicht Brüssels die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts beschnitt. Damals leitete die EU-Kommission ein Verfahren zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit in Polen ein - erstmals überhaupt in der EU-Geschichte.
Seither scheiterten alle Versuche der Kommission, Warschau im Dialog zur Umkehr zu bewegen. Die regierende Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) beharrt trotz der Warnungen der EU auf dem geplanten Umbau des Justizsystem. So wurden erst im Juli zwei neue Gesetze verabschiedet, mit denen die Regierung ihre Kontrolle über die Besetzung von Richterstellen erheblich ausweitet.