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Grüne nach Pilz-Skandal: "Das fällt auf die Partei zurück"

4-11-2017, 18:06

Die wiegen schwer – werfen aber auch die Frage auf: Warum kommen sie erst jetzt ans Tageslicht? Eva Glawischnig, damals Klubobfrau mit offenkundigen Differenzen mit dem streitbaren Alt-Mandatar, weist den Verdacht einer Intrige aufs Schärfste zurück. Worum geht es genau?

Wer wusste von den Vorwürfen?

Offenbar nur ein kleiner Kreis im Grünen Klub. Darauf legte die Betroffene größten Wert. Anfang 2016 traf ein Schreiben der Gleichbehandlungsanwaltschaft, an die sich die Betroffene Ende 2015 gewendet hatte, in der Klubleitung ein. Darin erklären Juristen, die "glaubhaft geschilderten Verhaltensweisen" erfüllten "die Tatbestände der sexuellen und geschlechtsbezogenen Belästigung".

Pilz sagt, er sei vom Klub nie über die Vorwürfe informiert worden – was ist da dran?

Die Verschwiegenheitspflicht habe es der Klubleitung schwer gemacht, Pilz mit der ganzen Bandbreite zu konfrontieren, erklärt Glawischnig. Dass er nichts wusste, weist sie aber zurück: "Das Schreiben wurde ihm langsam vorgelesen, er konnte mitschreiben. Nur einige wenige Passagen wurden ihm nicht mitgeteilt, weil die betroffene Mitarbeiterin explizit darum gebeten hatte." Da das mutmaßliche Opfer nicht wollte, dass man ihm das Schreiben übermittelt, lehnte Pilz es seinerseits ab, dazu Stellung zu nehmen.

Warum hat man Pilz dann nicht sofort aus der Partei ausgeschlossen?

Nach dem Klubstatut hätten die Vorwürfe in der Klubsitzung diskutiert werden müssen – das wollte das Opfer aber nicht. Im Herbst 2016 ließ die Betroffene über ihre Anwältin wissen, sie entbinde die Eingeweihten nicht von ihrer Verschwiegenheitspflicht. Sie habe Angst, sie würde öffentlich bloßgestellt und langfristig stigmatisiert, erklärt . Jetzt, da die Vorwürfe doch publik wurden, gehe es der Betroffenen, die noch im Klub beschäftigt ist, "extrem schlecht", schildert eine Vertraute: "Sie hat Angst, dass Pilz jetzt ihren Namen leakt und sie in die Öffentlichkeit gezerrt wird." Bitterer Nebenaspekt: Pilz’ mutmaßliches Belästigungs-Opfer gehört zu jenen rund 125 Grünen-Mitarbeitern, die nach der verlorenen Nationalratswahl ihren Job los sind.

Warum ist das erst jetzt und nicht schon im Wahlkampf bzw. vorher aufgetaucht?

Sexuelle Belästigung ist durch die #metoo-Kampagne zum Thema geworden. Wegen einer ähnlichen Affäre hat der Chefredakteur der Wiener Zeitung seinen Job verloren. Auch hier fragte man sich, warum der Vorfall, der sich bereits im Jänner 2017 zutrug, erst jetzt publik wurde. Klar ist: Pilz hätte wohl nie für die Nationalratswahl kandidiert bzw. sich schon im Wahlkampf zurückgezogen, wären die Vorfälle schon früher thematisiert worden. Warum man diese Karte nicht ausgespielt hat? "So bitter es ist und so hoch der Preis war, es ging aus Rücksicht auf das Opfer nicht anders", heißt es da im Grünen Klub. Bei den Wiener Grünen sieht man das anders: "Wie deppert kann man als Partei eigentlich sein, so jemanden nicht sofort auszuschließen und ihn bei einer Listenwahl antreten lassen, wo er sich danach als Ausgestoßener inszenieren kann." Pilz hatte ja beim Bundeskongress Ende Juni seinen Listenplatz an Julian Schmid verloren und gründete seine eigene Liste – nicht ohne die Grünen vorher noch heftig für ihre Politik zu kritisieren.

Wer profitiert von diesem Skandal und dem Rücktritt von Pilz?

Zuerst einmal die nächste Regierung, denn unbestritten dürfte sein, dass Pilz ein herausragender Oppositionspolitiker mit hervorragenden Kontakten im In- und Ausland war. Offen ist, ob die Grünen davon profitieren können: Der Verdacht liegt nahe, dass der Leak über die Causa von den Wiener Grünen kam, die eine Kandidatur einer Pilz-Liste bei der Wien-Wahl und harte Konkurrenz für Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou befürchten müssen. Das schließt aber sogar Pilz selbst aus: "Dass das ein Revancheakt der Wiener Grünen ist, halte ich nicht für denkbar." Ein Funktionär sagt zum KURIER: "So etwas fällt immer auf die Partei zurück, deshalb glaube ich nicht, dass jemand von uns so blöd wäre."

Schadet der Skandal den Grünen bei den anstehenden Landtagswahlen?

Am 28. Jänner wird in Niederösterreich gewählt, dann folgen Tirol, Kärnten und Salzburg. Die Angst, dass sich das Debakel der Nationalratswahl in den Ländern wiederholt, war schon vor der Pilz-Affäre groß – jüngst wurde ja die Spenden-Affäre um den Wiener Grünen Christoph Chorherr publik. "Als Partei, die so hohe Ansprüche an die Politik und die Menschen stellt, kann man sich so etwas nicht leisten", sagt ein niederösterreichischer Grüner. Warnungen, dass seine Partei den Einzug in den Landtag nicht schafft, verhallten bisher ungehört, sagt er.

In Tirol sieht man das noch entspannter: Ingrid Felipe, die für die Wahl als Bundessprecherin eingesprungen und danach zurückgetreten ist, lässt sich nächste Woche bei der Landesversammlung als Spitzenkandidatin aufstellen. "Sie hat hier in Tirol ein ganz anderes, viel besseres Standing als in Wien. Was in der Bundespartei passiert, hat mit uns nur wenig zu tun", sagt Klubobmann Gebi Mair.

Wie geht es für die Bundespartei weiter?

Weder Bundesgeschäftsführer Robert Luschnik, noch Interims-Obmann Werner Kogler waren für den KURIER zu erreichen – die beiden müssen die Auflösung der Partei abwickeln. Schulden von fünf Millionen Euro sollen mit Hilfe der Landesorganisationen abgebaut werden. Nächste Woche müssen die Klubräume in der Löwelstraße geräumt sein. Vom Parteiüberbau bleiben nur vier Bundesräte und drei EU-Abgeordnete übrig.

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