Die erste Gruppe erschien vorschriftsgemäß . Kurz nach neun Uhr betraten neun Mitglieder der abgesetzten Regionalregierung in Katalonien samt ihren Anwälten den Staatsgerichtshof in der Madrider Innenstadt. Sie müssen sich heute wegen Rebellion, Auflehnung gegen die Staatsgewalt und Missbrauch staatlicher Gelder verantworten. Ihnen drohen bis zu 30 Jahre Haft. Die Richter könnten schon diese Woche Untersuchungshaft anordnen. Grund für die Anklage ist der katalanische Abspaltungsprozess von Spanien, der vergangenen Freitag in einer einseitigen Unabhängigkeitserklärung im katalanischen Parlament endete. Die Regionalregierung wurde daraufhin entmachtet auf der Grundlage von Paragraph 155 der spanischen Verfassung, die der Zentralregierung freie Hand gegen die politische Führung in einem Landesteil gibt, die die staatliche Einheit Spaniens gefährdet. Die wirtschaftsstarke Region steht nun unter Zwangsverwaltung aus Madrid.
Wer nicht in Madrid erschien, ist der Kopf der Separatisten, der Chef der abgesetzten katalanischen Regionalregierung, Carles Puigdemont. Er hatte sich ja nach Belgien abgesetzt und inszeniert von dort aus ein Verwirrspiel über seine politischen Pläne. Mit ihm weigern sich vier weitere Mitglieder der abgesetzten Regierung, in Madrid zu erscheinen, und bleiben ebenfalls in Belgien. Puigdemont, der erklärt hat, dass ihm in Spanien ein politischer Prozess und kein faires Verfahren drohe, und sich weiterhin Präsident Kataloniens nennt, besteht darauf, dass er vor einem belgischen Gericht aussagt. Die Chancen darauf sind aber vernachlässigbar. Das Gericht in Madrid könnte vielmehr noch heute einen internationalen Haftbefehl gegen die flüchtigen katalanischen Politiker verhängen. Belgien, als EU-Mitglied, müsste diese dann an Spanien ausliefern. Erste Opfer von Puigdemonts Abwesenheit, so mutmaßen spanische Medien, könnten seine bisherigen Regierungskollegen sein. Gegen die könnte das Gericht in Madrid umso bereitwilliger Haftstrafen verhängen.