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Attentäter ist stolz auf sein Blutbad in New York

1-11-2017, 18:00

Der folgenreichste Anschlag in New York nach dem 11. September 2001 hat erneut die Frage nach der Verwundbarkeit urbaner Zentren durch Terrorismus aufgeworfen. Wie schon zuvor in London, Stockholm oder Barcelona wurde ein Fahrzeug als Mordwaffe eingesetzt. Ein mit dem Netzwerk "Islamischer Staat" (IS) in Verbindung stehender Immigrant mit usbekischen Wurzeln überfuhr am Dienstag mit einem Pick-up-Truck auf einem Radweg wahllos Fußgänger und Fahrradfahrer. Acht Menschen starben, darunter fünf Argentinier, die 30 Jahre nach ihrem Schulabschluss bloß feiern wollten, elf weitere wurden verletzt.

Erste Konsequenz: US-Präsident Donald Trump will die Green Card-Lotterie für Einwanderer abschaffen. Der Täter war über eine 1990 von den Demokraten eingeführte Lotterie ("Diversity Visa") an seinen Aufenthaltstitel gelangt. Dabei werden jedes Jahr 50.000 Menschen nach intensiver Überprüfung mit einer Green Card ausgestattet.

Was man bisher weiß:  

Wie hat sich die Tragödie ereignet?

Gegen 15 Uhr fuhr der Täter mit einem gemieteten Kleintransporter einer Baumarktkette im Süden Manhattans auf den beliebten Rad- und Fußweg am Hudson River. Über eine Strecke von 1,5 km rammte der weiße Wagen etliche Menschen und kam erst nach Aufprall auf einen Schulbus zum Stehen. Der Fahrer stieg aus, ein Luft- und ein Paintball-Gewehr schwenkend, und rief laut Ohrenzeugen "Allahu akbar" (Gott ist groß). Der Streifenpolizist Ryan Nash setzte den Bartträger mit einem Bauchschuss außer Gefecht.  

Wer ist der Täter?

Saifullo Saipow kam vor sieben Jahren aus Taschkent, Hauptstadt der ehemaligen Sowjet-Republik Usbekistan, in die USA. Er lebte zunächst bei Bekannten in Cincinnati/Ohio. Der 29-Jährige hat einen legalen Aufenthaltsstatus (Green Card), ist seit 2013 mit einer damals 19-Jährigen verheiratet und hat drei Kinder. Der Berufskraftfahrer arbeitete zuletzt vorwiegend für den Fahrdienst Uber.

Foto: APA/AFP/ST. CHARLES COUNTY DEPT. OF CORR Saifullo Saipow raste mit einem Kleinlaster in eine Menschenmenge. Was ist das Motiv der Tat?

Im Auto fand die Polizei eine handschriftliche Notiz, die Saipow als IS-Sympathisanten ausweist. Er sei stolz auf seine Tat, sagten Ermittler. New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo nannte Saipow einen "verkommenen Feigling", der sich in den USA radikalisiert habe. Wegen eines nicht bezahlten Bußgelds für ein Verkehrsdelikt musste Saipow 2016 vor Gericht. Davon abgesehen ist er nicht auffällig geworden. Den Bundesbehörden war er trotzdem bekannt, so Medien. Warum, ist noch offen. Die Ermittler gehen von einem Einzeltäter aus.

Was sagen Arbeitskollegen, Freunde, Verwandte?

Kobiljon Matkarov, ein Usbeke, der Saipow in Florida unter die Fittiche nahm, sagte. "Er war ein sehr guter Mann, als ich ihn kannte. Er mochte die USA. Er wirkte nicht wie ein Terrorist." Ein Lebensmittelhändler in Saipows Wohnort Paterson, rund 30 km westlich von Manhattan, sagte dagegen, dass der schmächtig gebaute Mann immer "leicht aufbrausend" war und Angestellte immer wieder "schikanierte".

 Was tun die Ermittler als nächstes?

Saipow ist vernehmungsfähig. Er soll bei der ersten Begegnung mit der Polizei keine Reue gezeigt habe. Die Auswertung seines Mobiltelefons und Computers läuft. Das FBI wird auch über die Masjid Omar Moschee in Paterson, wo Saipow betete, rekonstruieren, wie die Radikalisierung vonstatten ging.  

Wie reagieren die New Yorker?

Erwartungsgemäß gefasst. Bürgermeister Bill de Blasio rief die Bevölkerung dazu auf, sich nicht beirren zu lassen und Widerstandkraft zu zeigen. Schon wenige Stunden später fand nicht weit vom Tatort entfernt in Greenwich Village die größte Halloween-Parade Amerikas statt. Am kommenden Sonntag erwartet der "Big Apple" über 50.000 Teilnehmer zum Marathon-Lauf. "Wir leben unser Leben", sagte ein Architekt aus Soho dieser Zeitung, "wenn wir das nicht tun, haben die Anderen gewonnen."

BOSTON (Massachusetts), April 2013: Drei Menschen sterben, 260 werden verletzt, als im Zielbereich des Traditionsmarathons der US-Ostküstenstadt zwei Sprengsätze explodieren. Die Täter sind in den USA lebende Brüder tschetschenischer Abstammung. Einer wird auf der Flucht von der Polizei getötet, der andere im Mai 2015 zum Tode verurteilt. Sein Verteidiger legt Revision ein. GARLAND (Texas), Mai 2015: Zwei in Phoenix (Arizona) lebende Muslime eröffnen bei einem Wettbewerb mit Mohammed-Karikaturen das Feuer auf die Teilnehmer und werden von Sicherheitskräften erschossen. Zu der Veranstaltung hatte die als extrem rechts und islamfeindlich geltende New Yorker American Freedom Defense Initiative eingeladen. IS bekennt sich zu der Tat. SAN BERNARDINO (Kalifornien), Dezember 2015: Ein in den USA lebendes Ehepaar, laut FBI radikalisierte Muslime, erschießt 14 Menschen in einer sozialen Einrichtung und verletzt 21. Der in den USA geborene Mann und seine aus Pakistan stammende Frau sterben im Kugelhagel der Polizei. Laut Behörden wurde das Paar von Islamisten inspiriert, hatte aber keine direkten Verbindungen. ORLANDO (Florida), Juni 2016: Ein 29-Jähriger tötet 49 Besucher eines Nachtclubs, der bei Homosexuellen beliebt ist. Der Attentäter, US-Bürger mit afghanischen Eltern, bekennt sich zur Terrormiliz Islamischer Staat. Spezialeinheiten töten ihn bei der Erstürmung des Clubs. NEW YORK, September 2016: Bei einem Bombenanschlag in Manhattan werden 31 Menschen verletzt. Der mutmaßliche Täter, ein US-Amerikaner afghanischer Herkunft, soll weitere Sprengsätze in Manhattan sowie in New Jersey deponiert und auf Polizisten geschossen haben. Sein Vater hatte dem FBI bereits 2014 mitgeteilt, sein Sohn sei möglicherweise ein Terrorist. COLUMBUS (Ohio), November 2016: Auf dem Campus einer Universität fährt ein 18-Jähriger aus Somalia mit dem Auto in eine Menschengruppe und verletzt anschließend mehrere Personen mit einem Messer. Ein Polizist erschießt ihn. Laut FBI fühlte sich der Student, der legal in den USA lebte, vom IS sowie von einem Hassprediger des Netzwerks Al Kaida inspiriert. LAS VEGAS (Nevada), Oktober 2017: Ein 64-Jähriger eröffnet aus dem 32. Stock eines Hotels das Feuer auf gut 20 000 Gäste eines gegenüberliegenden Festivals. Er tötet 58 Menschen. Mehr als 500 weitere werden verletzt. Der Täter erschießt sich selbst. Es ist der schlimmste Massenmord in der jüngeren Geschichte der USA.

Foto: APA

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