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Hilfsorganisa­tion Jugend Rettet: Keine Kontakte zu Schleppern

9-08-2017, 06:43

Die Hilfsorganisation Jugend Rettet hat erneut die Vorwürfe der italienische Behörden wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung zurückgewiesen. "Ich schließe aus, dass unsere Crew irgendwelchen Kontakt mit Schleppern hatte", erklärte der Sprecher der deutschen Seenotretter Julian Pahlke in der Nacht auf Mittwoch gegenüber der ZIB 24.

Dem Schiff der NGO nahe gekommen seien nur sogenannte "Engine-Fishern", die im weitesten Sinne mit Schleppernetzwerken in Zusammenhang stünden, so Pahlke. Dabei handelt es sich um Libyer, die versuchen die Motoren an den Schlauchbooten der Flüchtlinge abzubauen, um sie den Schleppern zu verkaufen, damit sie wiederverwendet werden können. "Die kommen zu uns und wollen die Boote zurück". Die Situation sei für die Hilfsorganisationen sehr schwierig und mitunter gefährlich, denn die Engine-Fisher würden sehr aggressiv auftreten, so der Jugend-Retter-Sprecher. Im Zweifel müssten die Crew-Mitglieder zurücktreten und ihnen die Boote geben, meint Pahlke.

Die Staatsanwaltschaft der sizilianischen Stadt Trapani hat Ermittlungen gegen 15 Crewmitglieder von Jugend Rettet aufgenommen und wirft der NGO Beihilfe zur illegalen Einwanderung vor. Das Schiff "Iuventa" wurde konfisziert. Jugend Rettet gehört zu den NGOs, die sich weigern den Verhaltenskodex des italienischen Innenministeriums zu unterzeichnen. Die Hilfsorganisationen haben rechtliche Bedenken und Sorge um ihre Unabhängigkeit.

Die Hilfsorganisation Oxfam hat die EU-Mitgliedsstaaten davor gewarnt, Menschen an der Flucht aus Libyen zu hindern. "Der Versuch der Europäischen Union, sicherzustellen, dass Menschen Libyen nicht verlassen können, gefährdet mehr Männer, Frauen und Kinder, missbraucht oder ausgebeutet zu werden", heißt es in einem Bericht, den Oxfam am Mittwoch veröffentlichte.

Er basiert auf Befragungen von 158 Migranten, die in Sizilien angekommen sind und zwei Partnerorganisationen von Oxfam von Vergewaltigungen, Zwangsarbeit und Folter in dem zerrütteten Bürgerkriegsland berichtet haben.

Seit dem Sturz von Langzeitherrscher Muammar al-Gaddafi 2011 herrscht Chaos in dem nordafrikanischen Staat. Drei Regierungen kämpfen um die Macht. Schlepper nutzen die unübersichtliche Lage, um Menschen gegen viel Geld auf Boote in Richtung Europa zu setzen. Mehr als 95.000 im Mittelmeer Gerettete kamen in diesem Jahr bereits in Italien an.

Die EU versucht, den Flüchtlingsstrom einzudämmen. Allen voran will Italien die Libyer bei der Bekämpfung des Menschenhandels nach Europa unterstützen - und mit technischer und logistischer Unterstützung der libyschen Küstenwache auch dazu beitragen, dass weniger Menschen kommen. Außerdem verstärkt die Regierung in Rom den Druck auf Hilfsorganisationen, die im Mittelmeer Migranten retten.

Berichte von Migranten machen allerdings deutlich, dass Libyen ein Land bleibe, in dem Menschenrechte systematisch von Menschenhändlern, Schmugglern, Milizen und kriminellen Banden verletzt würden und in dem Menschen unter unzumutbaren Bedingungen lebten, mahnt Oxfam. Mit Ausnahme einer Frau hätten alle Befragten (31) sexuelle Gewalt erfahren. Ein Großteil der Frauen und Männer hätten mit ansehen müssen, wie andere Migranten gefoltert oder getötet worden seien. Vielen sei regelmäßig Essen und Wasser verwehrt worden.

Oxfam zitiert einen 18-Jährigen aus dem Senegal, der schwer am Kopf verletzt worden sei, nachdem er gefangen genommen worden war. "Als ich aufwachte, dachte ich, ich sei tot. Überall war Blut. Ich war in einer Zelle mit anderen Menschen... Die Zelle war voller Leichen." Ein anderer 18-Jähriger aus Nigeria berichtete, in einem Haus mit 300 anderen gefangen gehalten worden zu sein, in dem mehrere Menschen starben. Eine 28-jährige Nigerianerin sagte: "Ich wurde an jedem Teil meines Körpers geschlagen und gezwungen, bei sexueller Gewalt gegen andere Frauen mitzumachen."

Viele Menschenrechtsorganisationen befürchten, dass Migranten, die nach Libyen zurückgebracht werden, wieder Gewalt ausgesetzt sind und unter menschenunwürdigen Umständen in Lagern leben müssen. Für die Vielzahl an Kriminellen in dem Land seien Migranten "bares Geld", hatte Ärzte ohne Grenzen die Situation unlängst beschrieben.

"Die EU muss sichere Korridore schaffen, über die diese Menschen nach Europa kommen können und ein faires und transparentes Asylverfahren erhalten", forderte Roberto Barbieri, Geschäftsführer von Oxfam Italien. Oxfam ist an vielen Häfen in Sizilien präsent, in die die Geretteten gebracht werden. Die Gespräche wurden nach Angaben der Organisation zwischen Oktober 2016 und April 2017 geführt.

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