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SPÖ lässt Kern heute nicht im Regen stehen

23-10-2017, 11:55

Wenn die , mit der ÖVP-Chef Sebastian Kurz nach der Nationalratswahl beauftragt wurde, nicht außergewöhnlich lange dauert, wird Christian Kern mit großer Wahrscheinlichkeit der kürzestdienende Bundeskanzler Österreichs sein. Außer, es kommt zu einem totalen Schwenk von ÖVP oder FPÖ. Dass Kern heute in den roten Gremiensitzungen auch zum kürzestdienenden Parteivorsitzenden der SPÖ nach 1945 gemacht wird, ist äußerst unwahrscheinlich. Seit 11 Uhr tagt das Präsidium und ab 12:30 der Bundesparteivorstand im Ausweichquartier des Parlaments am Heldenplatz.

Kern sitzt festgezurrt im Sattel

Die Parteispitzen gehen davon aus, mit Christian Kern an der Spitze in Opposition zu gehen. Das machten so gut wie alle vor der Präsidiumssitzung am Montagvormittag klar. Auch der wohl scheidende Kanzler selbst hat sich offenbar damit abgefunden, aus der Regierung Abschied nehmen zu müssen.

Kern verwies darauf, dass Gerüchte über Rot-Blau abstrus seien. Dies sei eine "Imagination, um von Schwarz-Blau abzulenken". Einmal mehr versicherte der SPÖ-Chef, der Politik erhalten zu bleiben und als Oppositionsführer agieren zu wollen. Er freue sich auch darauf, sei das doch eine wichtige Aufgabe.

Foto: APA/ROBERT JAEGER Tatsächlich gab es kein einziges Präsidiumsmitglied, das nicht öffentlich die Lanze für den Parteichef brach. Wiens Bürgermeister Michael Häupl verwies etwa darauf, dass sich seine Landesparteigremien zu 100 Prozent hinter Kern gestellt hätten. Niederösterreichs Landesvorsitzender Franz Schnabl betonte, dass es "sicher" keine Debatte um den Parteichef geben werde. Auch Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil stellte klar, dass man "natürlich" mit Kern als Vorsitzendem weiter machen wolle.

Bereits am Montag nach der Wahl hatte die SPÖ in ihren Parteigremien Kern einstimmig das Vertrauen ausgesprochen. "Kern sitzt nicht nur fix im Sattel, er wurde von uns mit Klebeband festgemacht", sagte OÖ-Landesrätin Birgit Gerstorfer nach der Sitzung.

Strategische Ausrichtung

Eher wahrscheinlich ist, dass heute das weitere Vorgehen der SPÖ rund um die Regierungsbildung besprochen und festgelegt wird. am Sonntagabend hatte Kern erklärt: "Wir werden uns ab morgen auf die Opposition vorbereiten."

Rote Bekenntnisse zu Kern - Rote Granden gehen von Schwarz-Blau aus

Der ÖVP ist diese Festlegung offenbar nicht klar genug, zumindest scheint das derzeit das Wording bei den Schwarzen zu sein. Für ihn sei derzeit noch unklar, wohin die Reise in der SPÖ gehen soll, sagte Kurz gestern süffisant. Er orte "unterschiedliche Strömungen" in der SPÖ, nämlich Regierungsbeteiligung, Rot-Blau und Opposition. Er erwarte in den nächsten Tagen aber ein klareres Bild.

Auch ÖVP-Wien-Chef Gernot Blümel sagte gestern in der ORF-Sendung "Im Zentrum", es sei noch nicht so klar, wo die SPÖ hin will, "und das hilft natürlich nicht, wenn man am Beginn von Koalitionsverhandlungen steht".

Während schwarze Politiker also Kern Entscheidungsschwäche umhängen wollen, sieht der Meinungsforscher und OGM-Chef Wolfgang Bachmayer darin Vorteile: "Kern hat in den letzten Wochen des Wahlkampfs strategisch geschickt agiert, indem er den Kanzlerrock ausgezogen hat und nur noch Oppositioneller war", sagte Bachmayer

Mehr Stimmen gegen Rot-Blau als dafür

Am Montag nach der Wahl hatte die SPÖ in ihren Parteigremien beschlossen, auf Basis des schon im Frühjahr festgelegten Wertekompasses Gespräche mit allen Parteien über eine künftige Koalition zu führen, sofern man dazu eingeladen wird. "Wir wollen keine Türe zuschlagen, das haben wir heute klar gemacht", erklärte dazu Kern.

Sich mehrere Optionen offen zu halten, sollte den Entscheidungsspielraum offenbar möglichst groß erhalten. Aber ist Rot-Blau jetzt noch eine realistische Option? Wohl nur dann, wenn die FPÖ bei den zu erwartenden Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP den Preis für ein Regierungsübereinkommen zu hoch schraubt und die Gespräche scheitern.

Aber was würde die SPÖ dann tun? Der Wiener Landesparteichef Michael Häupl habe zwar keine Bedenken gegen Gespräche mit den Freiheitlichen, eine Koalition mit der FPÖ will er aber freilich auch nicht, bekräftigte der Bürgermeister vor einer Woche. Bei den Wiener Roten dürften strategische Überlegungen ausschlaggebend sein. Gegen Schwarz-Blau wäre die nächste Landtagswahl wohl leichter zu schlagen. Überdies würde das Lager des von Häupl wenig geschätzten Bürgermeister-Anwärters Michael Ludwig geschwächt, da in dem Fall möglicherweise ein weiter links stehender Stadtchef opportun wäre. Neben Wien haben sich dem Vernehmen nach auch Tirol und Vorarlberg gegen eine Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen ausgesprochen.

Das Pressestatement von Christian Kern im Livestream - Beginn noch nicht bekannt

Am Schärfsten äußerte sich der frühere steirische SP-Landeshauptmann Franz Voves: "Für diesen Fall, dass die österreichische Sozialdemokratie mit der freiheitlichen Partei koaliert, würde ich meine Parteimitgliedschaft zurücklegen. Weil man dieser Partei, mit Hofers und Co, als Sozialdemokrat auf keinen Fall gemeinsame Politik machen sollte", erklärte Voves gegenüber dem ServusTV-Magazin "Im Kontext", das vom Online-Portal Addendum produziert wird. Der ehemalige Landeschef befürwortet - nach dem steirischen Modell - eine "Reformpartnerschaft" zwischen SPÖ und ÖVP. Sympathien für eine solche Variante hat bisher nur dessen Ex-Reformpartner, der jetzige steirische VP-Landeshauptmann Hermann Schützenhhöfer, ausgesprochen.

SPÖ geht von Schwarz-Blau aus

Vor den heutigen Sitzungen gingen beinahe alle Präsidiumsmitglieder fix davon aus, dass ÖVP und FPÖ zu einer Regierung zusammenfinden werden. Nationalratspräsidentin Doris Bures mutmaßte, dass die beiden Parteien schon eine Reihe an Vorarbeiten geleistet haben werden.

Der steirische Landeschef Michael Schickhofer befand ebenfalls, dass der Zug ganz klar in Richtung Schwarz-Blau fahre, was zu bedauern sei, wenn man sich etwa die Sparpläne in Oberösterreich ansehe. Dass sich noch die Variante Rot-Blau ausgehen könnte oder die SPÖ als Juniorpartner bei der ÖVP unterkommen könnte, glaubte niemand so recht. Schon gar nicht wollte man Personalwünsche eines potenziellen Koalitionspartners akzeptieren: "Weder die Medien noch die ÖVP suchen sich den SPÖ-Vorsitzenden aus", meinte Häupl.

Gewerkschafter nicht gegen Rot-Blau

Schon sehr früh und damit vor den Medien hatten sich die Vertreter der Gewerkschafter am Tagungsort eingefunden. Ihnen wird ja nachgesagt, weiter an einer Regierungsbeteiligung zu basteln, weil sie massive Einschnitte bei Kammern und Sozialversicherung vermuten. So hatte ÖGB-Präsident Erich Foglar vor einer Woche Häupls Ablehnung von Rot-Blau (mit Verweis auf den aufrechten Parteitagsbeschluss) gesagt, der Wiener Bürgermeister habe seine Meinung, aber es gebe genug andere, die eine andere Meinung haben. Heute war aber nur der Salzburger Landeschef Walter Steidl der Auffassung, dass der "schwarz-blaue Zug" noch nicht am Ziel sei.

Den roten Granden recht nahe kam übrigens der Bundespräsident. Während die Präsidiumsmitglieder gerade im strömenden Regen ihre Interviews absolvieren mussten, führte Bundespräsident Alexander Van der Bellen wenige Meter davon entfernt seinen Hund eine Runde spazieren.

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