Nach den Treffen mit NEOS, Liste Pilz und FPÖ führt der mit der Regierungsbildung beauftragte ÖVP-Chef Sebastian Kurz Sonntagabend auch ein formelles "Annäherungsgespräch" mit dem SPÖ-Vorsitzenden und Bundeskanzler Christian Kern. Ob eine neuerliche Koalition zwischen ÖVP und SPÖ nach dem abgekühlten Verhältnis im Wahlkampf überhaupt noch realistisch ist, ließ Kurz vor dem Gespräch offen.
"Ich führe derzeit Gespräche mit allen Parteichefs und freue mich auch auf das Gespräch mit Kern", sagte Kurz beim Eintreffen im Ausweichquartier des ÖVP-Parlamentsklubs am Heldenplatz. Der ÖVP-Chef sprach auch von einer "guten Gelegenheit", um mit den Konflikten im Wahlkampf abzuschließen und das eine oder andere auszuräumen. Er wolle den "Blick in die Zukunft" richten und ausloten, ob in der nächsten Legislaturperiode eine Zusammenarbeit mit der SPÖ möglich ist. Es gehe darum "sich ein Bild über die SPÖ zu machen, in welche Richtung die SPÖ agieren will und was deren Ziel für eine Zusammenarbeit ist".
SPÖ-Chef Kern gab sich vor dem Gespräch mit Kurz eher wortkarg. "Wir werden ein vernünftiges Gespräch führen, danach sehen wir vielleicht klarer", meinte der Bundeskanzler. Kern bekundete, "ein vernünftiges Gespräch" führen zu wollen. Er betonte auch, dass er "auf jeden Fall weiter machen will".
Das Treffen hat pünktlich um 19.00 Uhr begonnen.
In einem Offenen Brief – – tritt der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Oskar Deutsch, entschieden gegen eine Regierungsbeteiligung der FPÖ auf: "Deutschnationale haben in der Regierung nichts verloren." Der IKG-Chef argumentiert, dass der Wählerauftrag "nur in einem Appell an die Verantwortung von ÖVP und SPÖ mündet", also in eine schwarz-rote Koalition. Schwarz-Rot hätte eine Mehrheit von 58,33 Prozent hinter sich, erklärt der IKG-Präsident. Er lehnt auch eine rot-blaue Regierung ab.
Am Sonntag hat auch Rudolf Gelbard, einer der letzten noch lebenden Zeitzeugen des Holocaust, in einer Videobotschaft einen dramatischen Appell an die Öffentlichkeit gerichtet, gegen die Teilnahme der FPÖ an einer Regierung aufzutreten: "Eine Partei, die von rechtsextremen Burschenschaftern durchsetzt ist, gehört nicht in eine Bundesregierung."