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Leben danach: Ex-Politiker sind kein Fall fürs AMS

21-10-2017, 08:00

Was macht man eigentlich als Ex-Abgeordneter der ? Sich erstmal auf dem Parlamentsbalkon einen Damenspitz antrinken – und dafür heftig Schelte kassieren.

Genau das hat Sigi Maurer erlebt. Die 32-Jährige, schon vor dem Aus der Grünen im Parlament ebenso beliebtes Ziel der Spötter wie ihre Kollegin Maria Vassilakou, wurde für ihr Twitter-Foto vom grünen Sektglas im Netz heftig angegangen: "Was haben Sie schon geleistet?", wurde gefragt, oder: "Jetzt beginnt für die Grün*innen wieder der Ernst des Lebens! Geldverdienen oder AMS!"

Allein: Das mit dem AMS ist nicht so einfach. Denn stempeln gehen können Abgeordnete nur, wenn sie ein zweites Standbein hatten – und das ist bei vielen Grünen, die das Mandat als Vollzeitjob ansahen, nicht der Fall. "Viele von uns haben keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld", sagt Berivan Aslan, die seit 2013 im Parlament saß. Was sie jetzt macht? "Keine Ahnung", sagt die Juristin; um ein Landtagsmandat werde sie sich bei der Wahl im Frühling , obwohl sie könnte, nicht bewerben.

Ähnlich unklar sind auch die Aussichten der anderen 20 Abgeordneten. Gabi Moser, Lehrerin im Brotberuf, wird wohl an ihre Linzer Schule zurückkehren; Dieter Brosz will sich "endgültig aus der Politik verabschieden", er macht sich im Bereich Verhandlungstraining selbstständig. Leichter hat es Harald Walser, der als Lehrer seinen Ruhestand antritt. Für Sigi Maurer und Pilz-Herausforderer Julian Schmid wird es schwieriger: Sie wechselten quasi von der Uni ins Parlament, müssen sich also völlig neu orientieren. Zeit dafür haben sie drei Monate lang, für diese Spanne bekommt man als Abgeordneter ohne Nebenerwerb nämlich eine 75-prozentige Fortzahlung des Gehalts – immerhin etwa 6500 Euro (brutto).

Spenden für Mitarbeiter

Was mit ihr passiere, sei allerdings nicht nur offen, sondern "völlig unwichtig", sagt Maurer – erstmal müsse sie sich um ihre Mitarbeiter kümmern. Das hört man auch von anderen Abgeordneten. Gut 90 Fachreferenten und etwa 20 Mitarbeiter in der Verwaltung hängen am Klub; sie wurden über ihre Kündigung informiert. "Das ist doppelt bitter, da sind auch einige behinderte Mitarbeiter dabei, die seit Jahrzehnten bei uns sind. Die werden es am freien Arbeitsmarkt besonders schwer haben", sagt Aslan. Von der Spendenaktion, die man kürzlich zur Sanierung der Parteifinanzen gestartet hat, werde einiges zu den Mitarbeitern fließen.

Viele versucht man bei den Landesparteien oder grün-nahen Organisationen unterzubringen, schließlich will man ihre Expertise nicht verlieren. Das könnte aber durchaus passieren: Bei der Liste Pilz stehen die Türen offen, dort sucht man fähiges Personal. Aktiv anwerben wolle man allerdings niemanden vom Grünen Klub, heißt es dort; wenn jemand wechseln wolle, dann gerne.

Auch SPÖ zittert

Dramatisch dürfte auch das Ende der SPÖ in der Regierung sein, das sich abzeichnet. Weniger wegen der dann arbeitslosen Minister, Thomas Drozda oder Sonja Hammerschmid haben bereits angekündigt, ihr Mandat im Nationalrat anzunehmen. Vom Aus betroffen wären vor allem die politischen Kabinettsmitarbeiter, je Ministerium sind das rund zehn bis 20 Personen. Diese sind, ähnlich wie die parlamentarischen Mitarbeiter der Grünen, Bundesbedienstete mit außerordentlichen Verträgen – ihr Job ist an den Minister gekoppelt. Kündigungsfrist: ein Monat. Früher, erzählt ein roter Funktionär, habe man diese leicht Posten in staatsnahen Betriebene geben können. Das sei "viel schwieriger geworden".

Offener Klubstatus

Bei den Grünen ist indes noch offen, ob ihr Klub nicht doch weiterbesteht: Immerhin stellen sie noch vier Bundesräte und drei EU-Abgeordnete, das ist juristisches Neuland. Noch nie hatte eine Partei Bundesräte und EU-Abgeordnete, aber niemanden im Nationalrat.

Bis zur Sitzung der Klubdirektoren am 3. November soll das nun geklärt werden. Noch kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass der Grünen Klub in der Löwelstraße nicht an jemand anders übergeht – Peter Pilz und seine sieben Neuen.

ERWEITERTER BUNDESVORSTAND DIE GRÜNEN: KOGLER
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Grau, düster, bedrückend. Das Wetter schien sich der Stimmungslage angepasst zu haben. Als die Grünen sich am Freitag zur Krisensitzung versammelten, lag dichter Nebel über Wien. Wortkarg kamen die Grünen-Granden in das Albert Schweitzer Haus. Einige hatten auch Tränen in den Augen. "Jetzt ist einmal so richtig Krise", kommentierte Interimschef Werner Kogler, der mit einer quietschgrünen Sonnenbrille erschien, die Atmosphäre; er sprach von "einem Rückschlag, einem Tiefschlag".

Sein Resümee: In den letzten Tagen vor der Wahl habe es den Trend zur SPÖ gegeben, um Türkis-Blau zu verhindern, so Kogler. Die Grünen hätten die Botschaft nicht angebracht, dass es ums Überleben der Kleinparteien wie der Grünen gehe. "Wir haben es vernudelt."

Schuldenfrage offen

Auch, wie die Zukunft der Grünen ausschauen soll, wurde debattiert. "Wir werden aufstehen", so Kogler. Wie man Tilgung der Schulden in Höhe von fünf Millionen Euro schaffen will, sei aber noch unklar. "In der Bundespartei gibt es de facto nur Schulden. Wir müssen uns mit den Banken einigen. Erst in einigen Wochen werden wir wissen, welche Restressourcen noch zur Verfügung stehen." Wie hoch etwa der Beitrag der Landesparteien sein kann, vor allem wenn vier Landtagswahlen vor der Tür stehen, ließ man darum noch offen.

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