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Die Präsidenten sind über Kreuz

19-10-2017, 18:00

Bei den Sozialpartnern hängt der Haussegen schon länger schief. Spätestens seit der Vorwoche, als Rot-Blau drei Tage vor der Wahl die Angleichung der Arbeiter- und Angestellten-Rechte gegen einen Sturmlauf der Wirtschaft durchgesetzt hat, fliegen die Fetzen. Der Konflikt liefert den Gegnern des "rot-schwarzen Kammerstaates" und der Pflichtmitgliedschaft bei AK und WKÖ neue Munition.

Letzter Tropfen im übervollen Glas ist eine ÖGB-Resolution, die angesichts von Schwarz-Blau den Geist der Sozialpartnerschaft beschwört – und "massiven Widerstand" des ÖGB für den Fall ihrer Aufkündigung ankündigt. Die Gewerkschaft glaube "Sozialpartnerschaft à la carte" betreiben zu können, schimpft etwa die Industriellenvereinigung.

Leitl beklagt zwei Fouls

Auch Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl empfindet die Resolution als Affront. Es habe jetzt in kürzester Zeit zwei schwere "Fouls" des ÖGB gegeben. Einmal das Last-Minute-Nein zu einem fertig verhandelten Papier zur Arbeitszeitflexibilisierung im Juni. Jetzt der rotblaue "Husch-Pfusch"-Beschluss zur Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten. Leitl richtet ÖGB-Präsident Erich Foglar aus: "Man muss diese Resolution auch in der Praxis leben. Indem man Arbeiter/Angestellte über die Politik gespielt hat, lebt man den Geist dieser Resolution genau nicht." Es sei scheinheilig, wenn man "zwei Fouls auf dem Spielfeld begeht und dann Besserung gelobt."

Dennoch verspricht Leitl – ganz Sozialpartner alter Schule – "kein Revanchefoul" zu begehen. Das muss er auch nicht. Denn nach der Nicht-Einigung der Sozialpartner bei der Arbeitszeitflexibilisierung liegt der Ball nun ohnehin bei der Politik, sprich bei der nächsten Regierung. Der 12-Stundentag könnte bald auf der Tagesordnung stehen, der nächste Mega-Konflikt scheint programmiert.

Freilich lässt sich noch nicht abschätzen, wie stark bei der wahrscheinlichen Variante von Schwarzblau künftig Arbeitnehmer-Interessen berücksichtigt werden. Und die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft betreibt nur die FPÖ offensiv. Ob diese blaue Forderung die Regierungsverhandlungen überlebt, muss sich erst zeigen. ÖVP-Innenminister und Kurz-Vertrauter Wolfgang Sobotka etwa steht einer Debatte darüber offen gegenüber (siehe Seite 4).

ÖGB-Präsident Erich Foglar sieht naturgemäß keine Fouls der Gewerkschaft gegen die Arbeitgeberseite. Er verweist darauf, dass die Angleichung der Arbeiter- und Angestellten-Rechte auch ÖVP-Chef Sebastian Kurz gefordert hat.

Foglar: VP"scheinheilig"

ÖGB-Chef Foglar zum KURIER: "Die Aufregung ist scheinheilig. In Wahrheit ist das ein sozialpolitischer Meilenstein. Wir fordern die Angleichung der Rechte von Arbeitern und Angestellten seit 100 Jahren. Kurz hat das in Alpbach Ende August präsentiert. Da ist es nur logisch, dass die SPÖ das aufgreift, wenn es zur Abstimmung kommt. Bedauerlich ist, dass die ÖVP nicht mitgestimmt hat." In Wahrheit gehe es aber um beinharte Industrie-Interessen, ist Foglar überzeugt: "Man will einen Wirtschaftslobbyismus nach Brüsseler Art durchsetzen. Aber das ist zukunftsschädlich, Europa fehlt eine funktionierende Sozialpartnerschaft."

Auch AK-Präsident Rudolf Kaske ist überzeugt, dass es zwar krisle, die Sozialpartnerschaft aber Bestand und Berechtigung über die Zeit von Schwarz-Blau hinaus haben werde. Kaske: "Sozialpartnerschaft ist Konflikt und Kooperation. Den Sturm im Wasserglas, ausgelöst durch die Kurz-Forderung nach der Arbeiter-Angestellten-Angleichung, werden alle überleben."

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