Der Mitarbeiter, der Peter Puller kontaktierte, ist Gerald Fleischmann, Sprecher von Außenminister Sebastian Kurz. Er gibt zu, kontaktiert zu haben, er gibt auch zu, dass er ihn überreden wollte, für die ÖVP zu arbeiten. Laut eines Gedächtnisprotolkolls, das er heute veröffentlicht hat – und dessen Wahrheitsgehalt nicht objektiv überprüfbar ist -, hatte er erfahren, dass es „merkwürdige“ Treffen mit aktiven und ehemaligen Kabinettsmitarbeitern aus dem Umfeld der ÖVP gab, bei denen es „auffälliges Nachfragen und Aushorchen“ seitens Puller gab.
Fleischmann habe den Verdacht gehabt, Puller könnte mit Silberstein zusammenarbeiten, und nahm „auf eigene Initiative“ Kontakt mit Puller auf, „um ihn zur Rede zu stellen“. Der Kurz-Sprecher sagt auch, er wollte „aufdecken, was hier seit Monaten vor sich ging“ und ihn auch überreden „doch wieder für uns aktiv zu sein und nicht gegen uns.“ Das Treffen fand offenbar am 17. Juli im Außenministerium statt, was für die ÖVP ein gewisses Problem darstellen könnte, denn Fleischmann arbeitet eigentlich für das Außenministerium, nicht für die ÖVP.
Dass er ihm bei dem Gespräch eine handschriftliche Notiz überreicht habe, bestätigt Fleischmann in dem Gedächtnisprotokoll: Auf dieser sei gestanden, dass er „glaubhafte Informationen“ habe, dass Puller für die SPÖ arbeitet – was dieser laut Fleischmann abstritt. Ein Angebot über 100.000 Euro habe es nicht gegeben.
ÖVP-Generalsekretärin Elisabeth Köstinger sagte am Vormittag bei einer Pressekonferenz: „Wir klagen“. Puller auf Unterlassung, Widerruf, Kreditschädigung und übler Nachrede; die SPÖ auf Verhetzung und Verstoß gegen das Verbotsgesetz. Denn „dass der aktuelle Anpatzversuch das Dirty Campaigning fprtsetzt, liegt auf der Hand“, sagt Köstinger (mehr dazu ).
Zu den von profil veröffentlichten SMS, die zwei Tage nach dem Gespräch zwischen Fleischmann und Puller versendet wurden, und in denen Fleischmann geschrieben haben soll – auch ob diese SMS echt sind, ist nicht überprüfbar -, man könne bei dem nächsten Treffen „gleich über Honorar für PR reden“, gibt es bislang kein Statement der ÖVP.
Hier müssen wir etwas weiter zurückgehen. Bevor mit seinem Vorwurf an die Öffentlichkeit ging, Kurz-Sprecher Gerald Fleischmann hätte ihm 100.000 Euro für Infos aus der SPÖ-Wahlkampagne geboten, wurde ruchbar, dass er es war, der die Schmuddelseiten „Wir für Sebastian Kurz“ und „Die Wahrheit über Sebastian Kurz“ verantwortlich war. Genauer: Puller betreute die beiden Seiten im Auftrag von Tal Silberstein operativ. Das bestreiten inzwischen weder Puller noch die SPÖ. Davon gewusst haben will letztere jedoch nichts. Puller habe völlig unabhängig agiert, lediglich ein inzwischen entlassener Mitarbeiter in der SPÖ-Zentrale habe davon gewusst.
Dementsprechend überrascht zeigte man sich gestern auch von den neuen Vorwürfen – diesmal gegen die ÖVP. "Naturgemäß bin ich wirklich entsetzt über diese Nachricht. Man muss das jetzt in Ruhe anschauen, was da dran ist, ob sich das erhärtet", meinte Christian Kern am Freitag im Ö1-Morgenjournal.
Christoph Matznetter, der nach dem Abgang Georg Niedermühlbichlers interimistisch bestellte Bundesgeschäftsführer der SPÖ wurde da schon schärfer. Den Vorwürfen Pullers folgend, forderte er den Rücktritt des „unmittelbaren Chefs von Gerald Fleischmann“. Sprich: Außenminister Sebastian Kurz. Schließlich sei dieser letztverantwortlich für seine Mitarbeiter. Und dieser habe sich womöglich der Bestechung und Werks- und Betriebsspionage schuldig gemacht. Jedenfalls habe man eine entsprechende Sachverhaltsdarstellung gegen den Kurz-Sprecher eingebracht. Von der Staatsanwaltschaft erwartet sich Matznetter nun eine „unverzügliche Einvernahme Fleischmanns.“
Das alles setzt freilich voraus, dass Peter Puller auch tatsächlich die Wahrheit sagt. Und die stellt sich in seinen Augen wie folgt dar: Am 17. Juli, um 8.30 Uhr morgens, besuchte er Fleischmann in dessen Büro im Außenministerium. Im Verlauf des Vieraugengesprächs soll der ÖVP-Mitarbeiter laut profil zunächst auf das Ausschalten des Handys bestanden haben, ehe er auf einem Zettel sinngemäß notierte: „Wir wissen, dass du für die Sozis arbeitest. Wir bieten dir bis zu 100k, wenn du wechselst."
"Es war klar, dass es um Infos aus der SPÖ-Kampagne geht", zitiert das profil Puller. "Ich entgegnete, dass ich diese Informationen nicht liefern könne. Schon allein deshalb, weil ich nicht für die SPÖ arbeitete. Mein Auftraggeber war Tal Silberstein."
Puller meint auch, dass die ÖVP zum damaligen Zeitpunkt keine Kenntnis darüber hatte, dass Silbersteins Team hinter den beiden Facebook-Seiten "Wir für Sebastian Kurz" und "Die Wahrheit über Sebastian Kurz" stehe – er selbst war aber bereits seit Juni in die Kampagne eingebunden.
"Das war kein Thema. Sie vermuteten vielmehr, dass ich Teil eines Silberstein-Rechercheteams war. Ich habe lediglich bestätigt, dass ich mit Silberstein in anderen Projekten zusammenarbeite."
Zwei Tage später habe er dann die viel-zitierte Nachricht von Fleischmann erhalten: "... Schlage vor wir treffen uns in erster Augustwoche, vielleicht weißt da schon was und wir können gleich über Honorar für PR reden". Absender ist laut Puller Gerald Fleischmann, der Pressesprecher von Außenminister Sebastian Kurz.
Christoph Matznetter glaubt anders als Puller nicht, dass Gerhard Fleischmann nicht wusste, dass Puller für die SPÖ aktiv war, glaubt Matznetter nicht. Darauf würde jedenfalls ein Interview von Bewegungssprecher Peter L. Eppinger hinweisen, das dieser vier Tage nach einem Treffen zwischen Puller und Fleischmann gegeben hätte. Darin meinte er, man sei mit den Machern der Seite "Wir für Sebastian Kurz" in Kontakt und um Löschung bemüht.
Wofür das erwähnte „Honorar“ in Fleischmanns SMS nun wirklich gedacht war, ob die SMS überhaupt vom Kurz-Sprecher stammt, ist auch nach zwei Pressekonferenzen und zahlreichen hastigen Breaking-News-Aussendungen nicht klar.
Letztlich steht auch nach dem veröffentlichten Gedächtnisprotokoll Fleischmanns und dem SMS-Screenshot Pullers Aussage gegen Aussage. "Ich weiß nicht, wer die Wahrheit sagt", meinte Matznetter am Freitag. Die Schlammschlacht der letzten Tage bedaure er aber. "Das erste Opfer dieser Entwicklung ist gewiss: die österreichische Demokratie."