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SPÖ-Parteimanager Niedermühlbich­ler tritt zurück

30-09-2017, 17:40

KURIER-Leser : SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler tritt zurück. Das offensichtliche Dirty Campaigning der Roten - Stichwort Tal Silberstein - fällt den Parteimanager auf den Kopf. Dokumente sollen belegen, dass Silbersteins Rolle im roten Wahlkampf weit größer war, als bisher von der SPÖ zugegeben. So hat er demnach in Wien ein Büro aufgebaut, das Schmutzkampagnen plante und durchführte.

Die Facebook-Seiten "Wir für Sebastian Kurz" und "Die Wahrheit über Sebastian Kurz" sollen Ägide betrieben worden sein. Niedermühlbichler hatte bis zuletzt betont, nichts gewusst zu haben. Bei der Pressekonferenz sagte er, dass das Engagement von Tal Silberstein ein "großer Fehler" gewesen sein. Die Facebook-Seiten nannte er "abscheulich". Die Seiten wurden von der SPÖ "weder finanziert noch betrieben", erklärte Niedermühlbichler. "Es gab keinerlei Geldflüsse aus der SPÖ. Leider musste ich feststellen, dass ein Mitarbeiter meines Teams davon wusste."

Aber, deponierte Niedermühlbichler, er trage als Wahlkampfleiter die Verantwortung: "Ich trete als Wahlkampfleiter und Bundesgeschäftsführer der SPÖ zurück."

Pleiten, Pech und Pannen

Als Christian Kern im Vorjahr die Parteispitze enterte, . Es war schlicht niemand da, der sich die Rolle des Bundesgeschäftsführers antun wollte. Also übernahm der im Wiener Landtagswahlkampf gestählte Niedermühlbichler zunächst interimistisch und dann mangels Alternative auch permanent. Richtig angekommen ist der 51-Jährige im Bund freilich nie. Es dauerte nicht lange, bis aus der SPÖ Klagen zu hören waren, dass der Posten Niedermühlbichler ein paar Schuhnummern zu groß sei.

Nicht gerade als strategische, als er offen eine Koalition der SPÖ mit Grünen und NEOS als Ziel ausgab. Dies war einerseits irritierend, da die Sozialdemokraten da noch in aufrechter Koalition mit der ÖVP waren, und andererseits, da keine Umfrage auch nur annähernd eine Mehrheit für Rot-Grün-Pink anzeigte.

Als die ÖVP gar nicht so überraschend die Neuwahl ausrief, wirkte die SPÖ mäßig vorbereitet. Allzu groß scheint das Vertrauen der Parteispitze in Niedermühlbichler auch nicht gewesen zu sein, wurden doch zahlreiche Berater für den Wahlkampf hinzugezogen, darunter Tal Silberstein, dessen Dirty Campaigning-Aktivitäten die Sozialdemokraten nun endgültig in die Bredouille bringen.

Wahlkampf-Fiasko der SPÖ

Dabei war nicht nur der angeblich fehlende Weitblick Niedermühlbichlers manchen in der Partei ein Dorn, auch mutmaßten einige, dass der frühere Wiener Landesparteisekretär noch immer mehr Diener seines alten Herren, Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ), als jener seines neuen Christian Kern sei. Ob wahr oder nicht, es hält sich jedenfalls seit Monaten das Gerücht, dass die Wiener SPÖ nicht allzu viel gegen Schwarz-Blau im Bund hätte, weil es für die zerstrittenen Sozialdemokraten der Bundeshauptstadt dann wieder einen gemeinsamen Außenfeind und bessere Wahlchancen gäbe.

Wie auch immer, es ist angesichts dieser Umstände tatsächlich nicht undenkbar, dass Niedermühlbichler über die Dirty Campaigning-Aktivitäten eines oder mehrerer seiner Mitarbeiter nichts wusste. Freilich würde auch das sein Image als erfolgreicher Wahlkampfstratege ziemlich torpedieren, das er sich in Wien aufgebaut hatte. Mit dem Aufbauschen eines Kopf-an-Kopf-Rennens zwischen Häupl und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache war es 2015 gelungen,

Als 17-Jähriger nach Wien

Davor war Niedermühlbichler nur Insidern der Wiener Lokalpolitik bekannt. Der gelernte Einzelhandelskaufmann aus Söll arbeitete sich in der nicht gerade machtvollen SPÖ Innere Stadt nach oben, wichtiger war wohl aber seine Position als Präsident der Wiener Mietervereinigung. Seit 2005 ist er im Wiener Landtag, mit der Nationalratswahl soll er eigentlich einen Sitz im Parlament übernehmen.

Persönlich gilt Niedermühlbichler als umgänglich. Der verheiratete Vater eines Sohns und einer Tochter, der mittlerweile auch schon Großvater ist, ist nicht unbedingt als Heißsporn oder allzu deftiger Formulierer bekannt. Seine Karriere ist ein wenig ungewöhnlich, startete sie doch im nicht gerade tiefroten Tirol, wo er schon mit 13 Jahren seine Familie mit der Ankündigung überrascht haben soll, Sozialist zu sein. Die Arbeiterzeitung wurde für ihn vom Trafikanten extra aus Wien bestellt. Schon als 17-Jähriger trieb es den jungen Tiroler nach Wien, wo er sogleich bei der Sozialistischen Jugend anheuerte. Dass es ihn da in den noblen 1. Wiener Gemeindebezirk zog, dem er bis heute politisch treu ist, war dem Zufall geschuldet. Denn genau dort brauchte die SJ jemanden, der bereit war, es mit der damals noch tief-schwarzen Wählerschaft zu versuchen.


Zur Person: Georg Niedermühlbichler, geboren am 16. Februar 1966 in Söll (Tirol), verheiratet, Vater von einer Tochter und einem Sohn. Ausbildung als Elektroinstallateur sowie als Einzelhandelskaufmann. 13 Jahre bei Wien Strom aktiv. Politische Tätigkeiten: 1996-2005 Bezirksrat der SPÖ in Wien Innere Stadt, zwischen 2001 und 2005 Bezirksvorsteher-Stellvertreter. Seit November 2005 Mitglied des Wiener Landtags, ab 2008 Präsident der Mietervereinigung, ab August 2014 Landesgeschäftsführer der Wiener SPÖ, seit Juni 2016 Bundesgeschäftsführer der SPÖ.

Morgen, Montag, stehen sich erstmals Christian Kern und Heinz Christian Strache im Puls 4-Studio allein gegenüber. Die "Big three" von Rot, Schwarz und Blau werden sich nun an sechs Abenden live "duellieren". Overkill? TV-Tsunami? Die ersten beiden Wochen TV-Wahlkampf belegen: Die bald täglichen Politiker-Duelle sind nach wie vor ein Renner.

Wird der TV-Wahlkampf aber am Wahlausgang noch etwas entscheidend ändern? Der bisherige Verlauf läßt auch einen Spitzen-Roten sarkastisch resümieren: "Hoch gewinnen werden wir das nimma." Damit festigt sich ein Bild, das diese Wahl von Anfang an prägte:

Sebastian Kurz ist schon lange die Nummer 1. Wer am 15. Oktober als erster im Ziel einläuft wurde nicht im Wahlkampf, sondern bereits 2015 entschieden. Die Flüchtlingswelle war nur der letzte Anstoß, der bei vielen das Fass zum Überlaufen brachte. Kurz spricht ihnen mit seinem Mantra – Grenzen dicht– aus der Seele. Er hat sich mit diesem Kurs von Anfang an von dem der Regierung abgesetzt – und damit tief sitzende Ängste und Gefühle erfolgreich bedient. Die überwiegende Mehrheit der Wähler will nicht eine generelle Wende, aber eine spürbare Wende im Umgang mit Zuwanderern und Asylwerber.

Christian Kern fehlt nicht nur ein Plan F. Der Plan A des Kanzlers ist hochambitioniert, erreicht aber die Herzen nicht. Er hat zu spät realisiert, dass er einen Plan F wie Flüchtlinge braucht. Kern muss den Regierungsmalus und die Sünden von gestern allein ausbaden: Rot-Schwarz ist unten durch; die SPÖ nach der Ära Faymann personell, ideell und finanziell ausgebrannt. Mit der Kür von Georg Niedermühlbichler zum SPÖ-Manager hat Kern aber himself eine krasse Fehlentscheidung getroffen, für die er mit Skandalen und Pannen am laufenden Band selber am meisten büßt. Mit der neuen Eskalation in der Causa Silberstein wird Kern seine letzten Hoffnungen auf Wiedereinzug ins Kanzleramt begraben müssen.

Heinz Christian Strache wird unterschätzt. Der FPÖ-Chef gewinnt als "Spätzünder" im Wahlkampf an Fahrt. Strache und nicht Kern wird so im Finale auch der wahlentscheidende direkte Konkurrent für Kurz. Blau und Schwarz-Türkis sind beim Wahlkampfthema Nr. 1 kommunizierende Gefäße. Wem traut die besorgte Mehrheit also am Ende eher zu, dass es in Sachen Migration nicht nur bei großen Versprechen bleibt: Dem jungen Mann, der das mit freundlicher Miene höflich aber bestimmt propagiert? Oder dem, der das seit Jahrzehnten aggressiv trommelt und nun in die Pose des Staatsmann verpackt? Der finale Zweikampf heißt Kurz contra Strache. Der Ausgang des Duells in Sachen Glaubwürdigkeit wird wohl nichts am Zieleinlauf ändern. Aber er wird entscheiden, wie weit Kurz seinen wahren Konkurrenten distanzieren kann. Denn Kurz geht es ab sofort nur noch um eines: Mit welchem Gewicht kann er in Regierungsverhandlungen starten: Als jemand, der zwar die Wahl gewonnen aber mangels ausreichender Masse einen starken Zweiten braucht. Oder als Schwergewicht, der das Machtspiel auch nach der Wahl dominieren kann.

von Josef Votzi

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