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TV-Duell: Die Fakten zur Entwicklungs­hilfe

29-09-2017, 13:22

Heftig aneinander gerieten die grüne Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek und ÖVP-Chef Sebastian Kurz. Lunacek hielt Kurz eine Ländervergleichsgrafik über die Entwicklungszusammenarbeit auf seiner Website vor,  bei der die Länder mit der höchsten Ausgabenquote weggelassen worden sind (siehe Grafiken unten). "Sie manipulieren hier die Darstellung", sagte Lunacek. Kurz antwortete, dass er für eine Trendwende gesorgt habe: Die Gelder für den Auslandskatastrophenfonds wurden vervierfacht, jene für die Entwicklungszusammenarbeit würden gerade "verdoppelt", seit er Außenminister ist, sagte Kurz. 

"Ich finde das eine Schönfärberei", kritisierte am Freitag Annelies Vilim, die Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft Globale Verantwortung, ein Dachverband aller NGOs, die sich mit Entwicklungszusammenarbeit beschäftigen und konkrete Projektarbeit machen (z. B. Caritas, Care, Rotes Kreuz). Zur verkürzten Grafik erklärt Vilim nur: "Nicht seriös."

In der Kampagnenzentrale der ÖVP heißt es, dass man die Sache nicht kommentieren möchte. Aus Parteikreisen heißt es, die Grafik sei von einem Mitarbeiter der Online-Abteilung in der ÖVP-Zentrale erstellt worden.

Die Fakten: Bilaterale Projekthilfe erhöht

Der KURIER sah sich die Fakten an und sprach mit Experten: Dass die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit (EZA) Österreichs verdoppelt werden, gilt nur für die bilaterale Projekthilfe im Rahmen der ADA (Austrian Development Agency). Das heißt konkret, dass Außenminister Kurz  bis 2021 den Ausgabenrahmen für die Entwicklungshilfe verdoppeln will. Es handelt sich um einen mit dem Finanzministerium akkordierten und von SPÖ und ÖVP beschlossenen Bundesfinanzrahmen, die jeweiligen Jahresbudgets bis zu diesem Jahr müssen natürlich noch beschlossen werden. Das Ziel, die Mittel bis 2021 zu verdoppeln, steht im Geschäftsbericht der ADA. Die Erhöhung der Mittel soll in jährlichen Schritten vor sich gehen, beginnend mit dem Jahr 2017. 2016 betrugen die Gelder für bilaterale Entwicklungshilfe-Projekte des Außenministeriums 77 Millionen Euro. Nach Angaben der ADA sollen es im Jahr 2021 154 Millionen Euro sein.

Foto: Quelle: Globale Verantwortung So sind die Ausgaben für die ODA (Official Development Assistance) aufgebaut Dieser Anstieg, so die Bewertung von Experten, habe entwicklungspolitisch kaum Auswirkungen, weil Österreichs Beitrag für die ärmsten Länder stetig gesunken sei. Waren es im Jahr 2014 rund 5,6 Prozent im Jahr 2015, die besonders armen Ländern zu Gute kamen, seien 2016 nur noch zwei Prozent.

Im Außenministerium verweist man hingegen auf aktuelle Hilfsprojekte wie 350.000 Euro für die vertriebene Minderheit der Rohingyas in Myanmar, im Juli wurden laut einer Aussendung fünf Millionen Euro gegen die Dürrekatastrophe in Afrika aus dem Auslandskatastrophenfonds (AKF) bereitgestellt. Die ADA wiederum gebe dieses Jahr 21 Millionen Euro für die Region Ostafrika aus.

Die Zahlen aus der verkürzten Grafik

Nicht leicht nachvollziehbar sind für Laien die gesamten öffentlichen Entwicklungshilfeleistungen, ODA genannt (Official Development Assistance). Auf diese bezog sich auch die Grafik auf der Kurz-Webseite.

Foto: sebastian-kurz.at/OECD ODA-Zahlen: Links die Grafik der Kurz-Seite, rechts die gesamte Tabelle der OECD 2016 betrugen die Ausgaben Österreichs für Öffentliche Entwicklungshilfezusammenarbeit und Humanitäre Hilfe 1,43 Milliarden Euro (das sind noch nicht bestätigte Zahlen der OECD). Das sind 0,41 Prozent des BNE (2016: 351 Milliarden Euro), das internationale UN-Ziel liegt bei 0,7 Prozent des BNE (Bruttonationaleinkommen). Laut dem Außenministerium plane man weiterhin, dieses Ziel zu erreichen. Ein Zeithorizont dafür konnte nicht genannt werden,

Flüchtlingshilfe ist bedeutender Faktor

Davon flossen 555 Millionen (39 Prozent der ODA) in multilaterale Entwicklungshilfe (Gelder an internationale Organisationen wie die Weltbank), die bilateralen Mittel betrugen 877 Millionen Euro (61 Prozent der ODA): Davon wurden 77 Millionen Euro für konkrete Entwicklungshilfeprojekte ausgegeben und 539 Millionen Euro machte der Anteil für Flüchtlingsbetreuungskosten in Österreich aus (Verpflegung und Unterkunft von Asylwerbern). Die Einrechnung dieser Ausgaben ist erlaubt, doch in keinem Land der OECD machen die Flüchtlingsausgaben so viel aus wie in Österreich, nämlich mehr als ein Drittel der insgesamten bilateralen Hilfe.

Teil der bilateralen Mitte von 877 Millionen sind auch 22,7 Millionen Humanitäre und Katastrophenhilfe. Diese Hilfe wurde 2016 vervierfacht. Das macht 2,62 Euro pro Österreicher aus. Damit ist Österreich noch immer im EU-Vergleich Schlusslicht. Dänemark, Schweden, die Niederlande, Deutschland oder Finnland liegen weit vor Österreich. Dänemark etwa zahlte 2016 rund 306 Millionen Euro (Pro-Kopf sind das 54,5 Euro).

Außenministerium hat nur begrenzten Einfluss

Auf KURIER-Nachfrage stellte das Außenministerium fest, dass das Ministerium nur Einfluss auf die Mittel für die bilaterale Projekthilfe und auf den Auslandskatastrophenfonds hat. Für die Multilaterale Hilfe ist das Finanzministerium, für die Flüchtlingsausgaben das Innenministerium zuständig. In den Topf der Bilateralen Mittel (877 Millionen Euro) fallen nicht nur die Ausgaben für Flüchtlinge, sondern auch für Studienplätze (z. B. Studenten aus der Türkei, aus Serbien oder Bosnien, auch für Studenten aus Afrika) sowie Kosten für Entschuldung und Exportkredite.

Generell heißt es im Ministerium über die vereinbarte schrittweise Anhebung der Mittel: "Eine Trendwende weg von Kürzungen hin zu einer sukzessiven Steigerung bei der bilateralen Projekthilfe ist eingeleitet, weil das auch im Einflussbereich des Außenministeriums steht."

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