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Erdogan droht Kurden im Irak mit Blockade

26-09-2017, 14:58

Die Türkei hat mit scharfen Drohungen auf die sich abzeichnende Mehrheit unter den nordirakischen Kurden für eine Unabhängigkeit reagiert. Diese würden hungern, wenn sein Land keine Lastwagen mehr in die Region lasse, erklärte Präsident Recep Tayyip Erdogan am Dienstag. Er drohte zudem erneut mit einer Blockade der kurdischen Öl-Exporte durch sein Land.

Die irakische Zentralregierung in Bagdad lehnte Gespräche über eine Unabhängigkeit der Kurden ab. Ein Reuters-Reporter berichtete von gemeinsamen Übungen türkischer und irakischer Soldaten nahe der Grenze.

Foto: REUTERS/AZAD LASHKARI Die Kurden im Nordirak hatten am Montag ungeachtet internationaler Proteste und gegen den Willen der Regierung in Bagdad über eine Unabhängigkeit abgestimmt. Dem kurdischen Sender Rudaw TV zufolge deutete sich am Dienstag für das "Ja"-Lager an, das möglicherweise mehr als 90 Prozent der Stimmen erhalten werde. Mit dem Endergebnis wurde am Mittwoch gerechnet. Das Referendum ist zwar nach Darstellung der kurdischen Regionalregierung nicht bindend. Sie bezeichnet es jedoch als Mandat für friedliche Verhandlungen mit der Regierung in Bagdad.

Erdogan: "Es wird alles vorbei sein"

"Sie werden im Stich gelassen sein, wenn wir unsere Sanktionen verhängen", sagte Erdogan in einer im Fernsehen übertragenen Rede. "Es wird alles vorbei sein, wenn wir den Öl-Hahn zudrehen", da die Einnahmen aus dem Öl-Geschäft versiegen würden. "Und sie werden nichts mehr zu Essen finden, wenn unsere Lastwagen nicht mehr in den Nord-Irak fahren." Alle Maßnahmen, einschließlich militärischer, könnten zur Anwendung kommen. Ein Reuters-Reporter im Südosten der Türkei berichtete von irakischen Soldaten, die sich dort einem türkischen Militärmanöver anschlossen.

Erdogan hatte vor der Abstimmung mit einer Blockade der kurdischen Öl-Exporte gedroht. Pro Tag fließen aus der Region Hunderttausende Barrel Öl durch türkische Pipelines. Analysten der Commerzbank erklärten, ein längerer Abnahmestopp könne zu einer Unterversorgung des globalen Ölmarkts führen.

Neben dem Irak und der Türkei sind auch Syrien und Iran gegen die Abstimmung. Sie befürchten ein Erstarken kurdischer Autonomiebestrebungen in ihren Ländern: Insgesamt leben in der Region etwa 30 Millionen Kurden verteilt über mehrere Staaten. Bis zu zehn Millionen von ihnen leben im Iran, wo Berichten zufolge in der Nacht Tausende Kurden mit Märschen das Referendum im Nachbarland feierten. Videos in Sozialen Netzwerken zeigten hupende Autos und klatschende Menschen. Aus den Städten Mahabad und Sanandash wurden Zusammenstöße mit den Sicherheitskräften gemeldet.

Auch USA und Deutschland gegen Referendum

Auch westliche Staaten wie die USA und Deutschland haben sich gegen das Referendum ausgesprochen. Sie befürchten eine weitere Destabilisierung der Region, die durch den syrischen Bürgerkrieg und den Kampf gegen die Extremisten-Miliz Islamischer Staat (IS) aufgewühlt ist. Ein Sprecher der russischen Regierung sagte am Dienstag, die territoriale Einheit der Länder in der Region müsse erhalten bleiben.

Foto: AP/Andy Wong Deutschlands Außenminister Sigmar Gabriel erklärte sein Bedauern über das Referendum und rief die Beteiligten auf, "jegliche Eskalation zu vermeiden und von einseitigen Schritten in Richtung Unabhängigkeit oder Zwangsmaßnahmen Abstand zu nehmen". Der gemeinsame Kampf gegen den IS müsse weiter oberste Priorität haben. Im Nordirak sind deutsche Soldaten stationiert, die kurdische Peschmerga für den Kampf gegen den IS ausbilden.

Die syrische Regierung signalisierte unterdessen den dortigen Kurden, zu Gesprächen über eine Autonomie bereit zu sein. Sobald der IS besiegt sei, könnte dieses Thema diskutiert werden, sagte Syriens Außenminister Walid al-Muallem Medienberichten zufolge. Die Kurden im Norden Syriens streben nach eigener Darstellung nicht eine Unabhängigkeit an, sondern eine Selbstständigkeit innerhalb der Landesgrenzen.

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