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Türkis-blaue Sparpläne: Hitzige Diskussion in Nationalratssitzung

22-01-2025, 11:25

Am Mittwoch hat die Nationalratssitzung mit einer hitzigen Debatte über die geplanten Sparmaßnahmen der blau-türkisen Koalitionsverhandler begonnen.

Die SPÖ forderte in der von ihr beantragten "Aktuellen Stunde" von Finanzminister Gunther Mayr Informationen zu den an die EU-Kommission übermittelten Konsolidierungsplänen und warf FPÖ und ÖVP eine "Vernebelungsaktion" vor. Mayr verteidigte ebenso wie FPÖ und ÖVP die geplanten Maßnahmen.

SPÖ-Klubchef Andreas Babler warf FPÖ und ÖVP Unehrlichkeit in Bezug auf die geplanten Einsparungsmaßnahmen vor. Der Nationalrat sei nicht informiert worden über die "Kürzungsfantasien" der türkis-blauen Koalitionsverhandler. Die Österreicher hätten ein Recht zu erfahren, wer dieses große Budgetloch, das von der türkis-grünen Regierung verursacht worden sei, schließlich querfinanzieren müsse, so Babler.

Hitzige Debatte über türkis-blaue Sparpläne bei Nationalratssitzung

Viel Raum in der Debatte nahm die Vergangenheitsbewältigung der abgebrochenen Dreier-Koalitionsverhandlungen ein. Babler nutzte seine Rede für eine neuerliche Abrechnung mit der ÖVP, der er Unehrlichkeit vorwarf. Erst im Laufe der Verhandlungen sei das Ausmaß des Budgetdesasters zutage gekommen. Anders als von der SPÖ gefordert, würden nun nicht alle zur Budgetkonsolidierung beitragen, weil sich innerhalb der ÖVP "eine Clique von Großindustriellen und der Bankensektor" durchgesetzt hätten, die nun nichts beitragen müssten, kritisierte Babler.

Mayr wies den Vorwurf mangelnder Transparenz vonseiten des Finanzministeriums zurück. Seit Mitte Dezember würden die Zahlen des Konsolidierungsbedarfs auf dem Tisch liegen. Der Finanzminister verteidigte auch die von den Koalitionsverhandlern angekündigten Maßnahmen zur Einsparung von insgesamt 6,4 Mrd. Euro 2025. Auch die EU-Kommission habe anerkannt, dass es sich um ein konjunkturschonendes Paket mit dem Fokus auf die Ausgabenseite handle, berichtete er. Rund 50 Prozent würden durch Kürzungen bei Förderungen eingespart, wo Österreich derzeit deutlich über dem EU-Schnitt liege. Nur 14 Prozent würden über Lückenschlüsse bei den Steuern hereinkommen, das sei angesichts der hohen Abgabenquote in Österreich wichtig.

Es sei wichtig, dass ein EU-Defizitverfahren abgewendet werden konnte, dabei "geht es um die Reputation Österreichs", betonte Mayr. Dem SPÖ-Chef warf er vor, mit seiner Position ein Defizitverfahren aufgrund des sanfteren Konsolidierungspfads zu bevorzugen, innerhalb der EU alleine dazustehen.

Fuchs: FPÖ muss budgetpolitischen Scherbenhaufen wegräumen

Hubert Fuchs, der für die FPÖ die Sparpläne mitverhandelt hatte, lobte einmal mehr, dass den blau-türkisen Verhandlern innerhalb von drei Tagen das gelungen sei, woran die Verhandler der gescheiterten Dreierkoalition in Monaten gescheitert seien. "Wir Freiheitliche haben diesen budgetpolitischen Scherbenhaufen nicht verursacht", aber müssten ihn nun wegräumen, so Fuchs. Wäre es nicht gelungen, das drohende EU-Defizitverfahren abzuwenden, hätte "Fremdbestimmung und Bevormundung durch Brüssel", ein schlechteres Rating und eine immense Belastungswelle der Bevölkerung gedroht.

ÖVP-Klubobmann August Wöginger warf Babler seinerseits Unehrlichkeit und Unredlichkeit vor. Viele in der ÖVP hätten ihr ganzes Herzblut in die Dreier-Koalitionsverhandlungen gelegt. Gescheitert seien die Verhandlungen aber an der Gruppe um Babler innerhalb der SPÖ. Dass das Defizitverfahren innerhalb weniger Tage abgewendet werden konnte, sei auch den Vorarbeiten in den türkis-rot-pinken Koalitionsverhandlungen zu verdanken.

Gewessler verteidigte hinterlassenes Budgetloch

Unverständnis über Bablers Schilderungen der Dreierkoalitionsverhandlungen kam auch von den NEOS. Der stellvertretende Klubobmann Nikolaus Scherak fragte Babler, "in welchen Parallelverhandlungen sind Sie in den drei Monaten gesessen?" Bei der SPÖ habe es null Bereitschaft zu strukturellen Reformen gegeben, kritisierte Scherak. An die aktuellen Koalitionsverhandler von FPÖ und ÖVP appellierte er, nicht nur mit dem Rasenmäher Ausgaben einzusparen, sondern auch strukturelle Reformen umzusetzen.

Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) verteidigte einmal mehr das von der scheidenden türkis-grünen Regierung hinterlassene Budgetloch. Angesichts von Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg und Inflation sei es richtig gewesen, zu helfen. Und wie nach jeder Krise müsse nun das Budget konsolidiert werden, Gewessler kritisierte aber, dass nun vor allem im Klimabereich gespart werden soll. "Die Abschaffung des Klimabonus ist nichts anderes als eine Steuererhöhung durch die Hintertür", warf sie vor allem ihrem bisherigen Koalitionspartner das Brechen von Wahlversprechen vor.

Zu Beginn der Sitzung wurden zwei neue Nationalratsabgeordnete angelobt. Johanna Jachs (ÖVP) übernahm das von Ex-Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) zurückgelegte Mandat. Der Steirer Albert Royer (FPÖ) rückte für den in die steirische Landesregierung gewechselten Hannes Amesbauer nach.

Schallenberg möchte Übergang mit ruhiger Hand

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) hat am Mittwoch als Übergangschef der Regierung eine Erklärung vor dem Nationalrat abgegeben. Dabei kündigte er an, die Amtsgeschäfte "mit ruhiger Hand weiter zu führen und einen geordneten Übergang sicher zu stellen". Für die künftige Regierung nannte er Rechtsstaat, Gewaltenteilung, Menschen- und Minderheitenrechte, freie Medien sowie ein klares Bekenntnis zur EU "nicht verhandelbar".

Schallenberg, der 2021 rund zwei Monate Bundeskanzler war, machte gleich zu Beginn seiner Erklärung klar, dass er die neue Position nicht angepeilt habe: "Ich hätte mir niemals erwartet, noch hatte ich angestrebt, ein weiteres Mal als Regierungschef vor Ihnen zu stehen." Dass er hierzu eine Erklärung abgibt, obwohl die Regierung ja gar keine Mehrheit mehr hat und wohl nicht mehr allzu lange besteht, sei eine Usance. Großes Lob gab es für Vorgänger Karl Nehammer (ÖVP). Schallenberg würdigte dessen Herzblut, Geradlinigkeit und Rechtschaffenheit.

Klares EU-Bekenntnis

Dass er seine erste Reise im Amt nach Brüssel übernommen hatte, schilderte der Regierungschef als symbolträchtig. Denn dort habe er klar gestellt, dass Österreich international "selbstverständlich ein verlässlicher und stabiler Partner" bleibe. Eine pro-europäische, multilaterale Orientierung Österreichs sei gerade in so anspruchsvollen, volatilen Zeiten geopolitischer Umbrüche überlebensnotwendig. Er habe aber auch Respekt und Achtung für die demokratischen Prozesse in Österreich eingefordert.

Doch Respekt müsse es auch innerhalb der Landesgrenzen geben: "Österreich ist nämlich keine Konfliktdemokratie, sondern eine Kompromissdemokratie." Ein glühendes Plädoyer Schallenbergs gab es für Kunst und Kultur: "Gerade wenn es darum geht, wehrhaft zu sein und unser Lebensmodell zu verteidigen, dann gehört für mich eines untrennbar dazu: Das klare Bekenntnis zu Kunst und Kultur und ihrer Freiheit als wesentliche Form des gesellschaftlichen Dialoges."

Schließlich plädierte der Regierungschef noch für Zuversicht trotz herausfordernder Zeiten: "Haben wir also Vertrauen in unsere eigenen Stärken und unser Potenzial und ein bisschen mehr Glauben an das, wofür wir stehen und was wir sind."

Schallenberg wie dessen Vorgänger Nehammer nahm die SPÖ solche Bekenntnisse ab, nicht aber der Volkspartei als ganzes. Der stellvertretende Klubchef Philip Kucher vermutete, dass Teile der ÖVP schon Parallelverhandlungen mit der FPÖ geführt hätten und dann den eigenen Parteichef für Macht, Einfluss und Klientelinteressen geopfert hätten.

Dies wies ÖVP-Obmann Christian Stocker empört zurück. Er hätte die Verhandlungen "sehr gerne zu einem positiven Abschluss gebracht". Doch sei das mit SP-Chef Andreas Babler nicht möglich gewesen. Denn mit Klassenkampf werde man die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts nicht bewältigen können.

Hier auf der selben Linie war NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger. Die SPÖ betreibe "Retro-Sozialismus", der "einfach nicht regierungsfähig ist". Der ÖVP hielt sie vor, vor der Wahl falsche Zahlen vorgelegt zu haben und in Richtung FPÖ meinte sie: "Ich habe das Gefühl, dass sie sich nicht mit der ÖVP ins Bett legen sondern die ÖVP als Bettvorleger wollen."

Grünen-Bundessprecher Werner Kogler tadelte ÖVP, SPÖ und NEOS dafür, dass sie die gemeinsamen Verhandlungen nicht zu einem positiven Abschluss gebrach hätten. Doch: "Es ist nie zu spät für Umkehr." Die drei Parteien sollten sich wieder zusammensetzen und es noch einmal versuchen.

FPÖ-Abgeordnete fanden sich auf der Rednerliste zur Debatte anlässlich der Regierungserklärung zumindest vorerst nicht.

(APA/Red)

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