Im Zuge eines Rechtsstreits mit der OMV hat die russische Gazprom ihre Entscheidung bekannt gegeben, die Gaslieferungen nach Österreich einzustellen, was viele Menschen, insbesondere zu Beginn der Heizperiode, beunruhigt hat.
Trotz fast vollständig gefüllter österreichischer Gasspeicher, kursiert in den Sozialen Medien die Aussage, dass die Gasversorgung "ernsthaft in Gefahr" sei. Angeblich sei nur ein Viertel des eingelagerten Gases für Österreich verfügbar, der übrige Teil dürfe "nicht genutzt werden".
Sorgen um Gasversorgung in Österreich unbegründet
Das ist falsch. Die österreichischen Gasspeicher sind aktuell sehr gut - zu 90 Prozent - gefüllt, ein Versorgungsengpass ist nicht zu erwarten. 34,7 Prozent des Speichers stehen laut Energie-Regulierungsbehörde E-Control ausschließlich für österreichische Abnehmer bereit. Weitere 17 Prozent gehören österreichischen Speicherkunden. Etwa die Hälfte der gespeicherten Mengen in Österreich sind im Besitz ausländischer Unternehmen, die vorab nicht festgelegt haben, an wen sie das Gas verkaufen. Das schließt aber nicht aus, dass nach Österreich verkauft wird - im Gegenteil: Sollte es zu einem Mangel kommen, würde es wirtschaftlich Sinn machen, gerade dann in Österreich zu verkaufen.
Die Angst vor einem Ausfall russischer Gaslieferungen nach Österreich, die spätestens seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine Anfang 2022 und der daraus folgenden Energiekrise umgeht und durch die Ankündigung des Lieferstopps an die OMV durch den russischen Staatskonzerns Gazprom angeheizt wurde, ist unbegründet. Dass es tatsächlich zu einer Gasmangellage kommt, ist laut der Energie-Regulierungsbehörde E-Control und der Österreichischen Energieagentur nicht zu erwarten. Auch Thomas Kienberger, Leiter des Lehrstuhls für Energieverbundtechnik an der Montanuniversität Leoben, sieht die Versorgung aktuell nicht in Gefahr, und begründet dies gegenüber der APA mit "vollen Speichern" sowie der "massiven Veränderung" der europäischen und österreichischen Gasimporte seit 2021.
In Österreich kann im Vergleich zu anderen europäischen Staaten sehr viel Gas gelagert werden. Wie erwähnt liegt der aktuelle Füllstand der Gasspeicher (Stand 25. November) bei 90 Prozent und rund 91,7 TWh. Das ist deutlich mehr als der Erdgasverbrauch im Vorjahr (75 TWh). Zudem liegt der Gasverbrauch derzeit rund 21 Prozent unter dem Durchschnitt der Jahre 2018 bis 2022. Auch seien die Importkapazitäten, vor allem aus Italien und Deutschland, ausgeweitet worden, was wiederum die Sicherheit erhöhe und die Preise entspanne, betont das Umwelt- und Energieministerium.
Gasversorgung: Strategische Reserve, immunisierte Menge und geschützte Kunden
Zur Behauptung, dass "nur rund 25 Prozent Österreichs Reserve" seien und der Rest gar nicht genutzt werden könne, ist zu sagen, dass das hierzulande eingespeicherte Gas im Besitz vieler verschiedener Speicherkunden ist. Tatsächlich ist die Republik Österreich nur ein Teil davon, in Form der "Strategischen Gasreserve". Dabei handelt es sich um einen gezielt angelegten, staatlich kontrollierten Gasvorrat zur Sicherung der Energieversorgung, der kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs beschlossen wurde und seit November 2022 existiert. Die Strategische Reserve macht 20 TWh und damit, nicht wie behauptet ein Viertel, sondern aktuell rund 21 Prozent des heimischen Gasspeichers, aus.
Rund sechs Prozent (5,52 TWh) der heimischen Speichermenge, die sogenannte immunisierte Menge, ist für absolute Ausnahmefälle vorgesehen. Auf sie kann der Staat zurückgreifen, um Versorgungsengpässe insbesondere für die Industrie überbrücken zu können. Weitere rund acht Prozent (7,75 TWh) sind für "geschützte Kundinnen und Kunden" in Österreich vorgesehen, dazu gehören Haushalte und soziale Dienste wie Krankenhäuser, die immer mit Energie versorgt werden müssen.
Etwa 17 Prozent (16,35 TWh) entfallen auf österreichische Speicherkunden. Theoretisch können diese an ausländische Händler verkauft werden. Laut Einschätzung von E-Control sind sie aber mit höherer Wahrscheinlichkeit für den österreichischen Markt vorgesehen - vor allem wenn dort der Preis höher ist, wie die Leiterin der Abteilung Gas der E-Control, Carola Millgramm, gegenüber der APA betont.
Mit 47,8 Prozent (45,31 TWh) gehört knapp die Hälfte des eingelagerten Gases Unternehmen aus anderen Ländern. Sie haben sich vorab nicht festgelegt, in welchem Land sie das eingelagerte Gas verkaufen. Sollte es zu einer Gasmangellage in Österreich kommen, würde es auch hier der wirtschaftlichen Logik entsprechen, das Gas in Österreich zu verkaufen, da im Falle einer Verknappung gewöhnlich die Preise steigen und somit Gewinn zu erwarten ist.
Nur rund 0,4 Prozent von eingelagertem Gas explizit nicht für Österreich
Explizit nicht für österreichische Endkunden bestimmt ist laut E-Control lediglich ein kleiner Anteil des in Österreich eingespeicherten Gases, der aktuell nur 0,39 Prozent (0,37 TWh) ausmacht. Dieser ist im Besitz von nicht-österreichischen Endkunden. Eine Online-Plattform, auf der die Behauptung zur Verfügbarkeit des eingespeicherten Gases zu finden ist, hat mittlerweile in einem weiteren Artikel zum Thema auf erfolgte Faktenchecks reagiert. Darin wird die Aussage "Von wegen, Österreichs Gasspeicher sind voll: nur rund 25 Prozent sind Österreichs Reserve" als "völlig korrekt" bezeichnet. Die Aussage des ursprünglichen Artikels, in dem an prominenter Stelle kolportiert wird, dass Österreich auf das restliche eingespeicherte Gas keinen Zugriff habe, wird darin nicht mehr erwähnt.