Die Obdachlosigkeit nimmt angesichts der wirtschaftlichen Lage zu, warnt der Verband Wiener Wohnungslosenhilfe.
Zugleich gebe es immer weniger erschwinglichen Wohnraum. Dazu komme, dass es für Betroffene immer mehr Herausforderungen und Hürden im System gebe, warnte man am Dienstag in einer Pressekonferenz. Zu den Hindernissen gehört etwa die Digitalisierung. Sie macht für Obdachlose Behördenwege nicht einfacher - im Gegenteil.
Mehr Obdachlosigkeit
Der Verband ist eine Kooperation von insgesamt elf Sozial- und Hilfsorganisationen. Vertreten sind darin etwa die Caritas der Erzdiözese Wien, der Diakonie Flüchtlingsdienst, das Neunerhaus, das Hilfswerk, die St.-Elisabeth-Stiftung, die Volkshilfe oder der Samariterbund. Heute wurde der aktuelle Situationsbericht präsentiert, und zwar vor dem Hintergrund steigender Zahlen. Bundesweit seien im Vorjahr 750 Personen mehr als obdachlos gemeldet gewesen, teilte man mit.
Insgesamt wird eine Anzahl von knapp 21.000 Menschen ausgewiesen. Rechne man die versteckte Wohnungslosigkeit von Personen, die noch nicht um Hilfe angesucht hätten, ein, komme man aber vermutlich auf die doppelte Zahl, vermutete Neunerhaus-Geschäftsführerin Elisabeth Hammer. Und während bei den offiziellen Zahlen der Anteil der Männer größer ist, seien bei der versteckten Obdachlosigkeit oft Frauen betroffen, berichtete sie.
"Krise des leistbaren Wohnens"
Die Menschen seien damit konfrontiert, dass der Anteil an gefördertem Wohnbau zurückgehe, hielt man fest. Die Reduktion betrage 34 Prozent zwischen 2018 und 2021. Parallel dazu steige der Preis bei privater Miete in Wien - nämlich um 67 Prozent seit 2008, wie ausgeführt wurde. Das sei weit über den erfolgten Lohnanpassungen. Konstatiert wurde eine "Krise des leistbaren Wohnens". Schwierig sei die Situation etwa für Alleinerziehende oder Personen ohne fixes Einkommen. Beobachtet werde zudem, dass Obdachlosigkeit auch in der Mitte der Gesellschaft angekommen sei, warnte Hammer.
Für Familien bzw. alleinerziehende Menschen sorgt das Thema Kinderbetreuung oft für Schwierigkeiten am Arbeitsmarkt, wie die Geschäftsführerin der Elisabeth-Stiftung, Nicole Meissner, erläuterte. Vor allem im Sommer gebe es hier Lücken. Nötig seien ein Rechtsanspruch auf Betreuung sowie die Einführung einer Kindergrundsicherung, skizzierte sie Forderungen in diesem Bereich.
Thema Digitalisierung
Als besonders problematisch wird auch der Umstand gewertet, dass bei Behördenwegen oft komplizierte und schwer verständliche Anträge bewältigt werden müssen. Die zunehmende Digitalisierung - die oft als Erleichterung beworben wird - stellt dabei ein zusätzliches Hindernis dar, wie Waltraut Kothbauer vom Roten Kreuz ausführte. Betroffene würden meist nicht über die notwendige technische Ausstattung verfügen, um Onlineportale zu besuchen.
"Auch die Erstellung von Benutzerkonten und Passwörtern kann durchaus überfordernd sein", gab sie zu bedenken. Wer nicht ständig aktuell Zugang zum Internet habe, könne hier Fristen versäumen. Sie sprach sich dafür aus, analoge Alternativen bei Behörden weiter zu erhalten. Auch müsse der Zugang zu technischer Infrastruktur verbessert bzw. hier Schulungen angeboten werden.
Der Verband fordert weiters verbindliche Kontingente an Housing-First-Wohnungen in allen Segmenten. Dies könne neben einem sozialen und inklusiven Wohnungsmarkt und einem effektiven, nach Möglichkeit bundesländerübergreifenden Sozialsystem dazu beitragen, Wohnungslosigkeit nachhaltig zu beenden, hob man hervor.