Österreichs Außenminister Schallenberg glaubt nicht an eine totale US-Neuausrichtung unter Trump. Auch für Europa ortet er in Sachen Außenpolitik keine maßgeblichen Änderungen.
Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) erwartet sich in der neuen Amtszeit Donald Trumps als US-Präsident "einen neuen Ton, einen neuen Stil". Aber: "Die geostrategische Ausrichtung (der USA) wird sich nicht über Nacht ändern", zeigte sich Schallenberg im Ö1-"Mittagsjournal" am Samstag, angesprochen auf die Folgen der US-Wahlen auf Europa, überzeugt. Wenn er gefragt werde, auch in einer neuen Bundesregierung Außenminister zu sein, so will sich das Schallenberg überlegen.
Befragt zu einer durch Trumps Wahlsieg quasi erzwungenen Neupositionierung der EU-Außenpolitik, antwortete Schallenberg: "Wir haben uns bereits neu positioniert." Das Europa von heute sei nicht mehr jenes der Zeit von Trumps erster Amtszeit (2017-21). Das habe mit der geopolitische Situation zu tun und damit, dass Autokratien wie Russland und China "unser Lebensmodell herausfordern", und nicht mit der erneuten Wahl Trumps.
Europas Neupositionierung und die Rolle Russlands
Der österreichische Chefdiplomat verwies hier insbesondere auf den Ukraine-Krieg: Viele europäische Staaten hätten angesichts des Überfalls Russlands auf die Ukraine ihre Verteidigungsetats enorm erhöht. "Das müssen wir noch beschleunigen", betonte er.
Trump hatte im Wahlkampf mehrmals versprochen, er werde Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine in kürzester Zeit beenden. Das hat Befürchtungen geschürt, der Republikaner könnte Kiew im Stich lassen oder über die Köpfe der Ukrainer gemeinsam mit dem russischen Machthaber Wladimir Putin Tatsachen schaffen. Dazu betonte Schallenberg: "Es darf keinen Diktatfrieden geben, den sich der Aggressor mit einer dritten Partei ausmacht."
Schließlich wüssten auch Trump und seine Republikaner: "Eine Welt wo sich Putin 1:1 durchsetzen kann, ist keine gute Welt für sie", denn dies hätte Vorbildwirkung für andere Autokraten. Es werde zudem sehr vieler Gespräche bedürfen, um den Ukraine-Krieg zu beenden, zeigte sich Schallenberg überzeugt.
Keine Abkehr der USA von der NATO erwartet
Genauso wenig erwartet Schallenberg eine Abkehr der USA und Trump von der NATO. In Washington wisse man, dass das Verteidigungsbündnis in der geostrategischen Auseinandersetzung, insbesondere mit China "eine wesentliche Stärkung der Sicherheit" der Vereinigten Staaten darstelle.
Für Österreich sieht der Außenminister in Sachen geostrategischer Ausrichtung indes keine maßgeblichen Änderungen geboten: "Ich glaube, dass es überhaupt keinen Grund gibt, über die Neutralität zu diskutieren", sagte er im ORF-Radio Ö1. "Sinnvoll" seien demgegenüber Debatten, dass Neutralität per se nicht Sicherheit bedeute, und was Österreich zur europäischen Sicherheit beitrage.
Vor einem Zoll- bzw. Handelskrieg zwischen den USA und der EU warnte Schallenberg angesichts von Ansagen Trumps dann doch: "Das würde nur zur Schwächung beider Seiten dienen und die lachenden Dritten wären dann die Chinesen." Zugleich betonte er: Über manche Handelspraktiken könne man mit der künftigen US-Administration reden.
Schallenberg verurteile antisemitische Angriffe auf Fußballfans in Amsterdam
Thema des Interviews war auch die Lage in Deutschland nach Platzen der Ampel-Koalition: Schallenberg hofft im Interesse Österreichs und der EU-Partner auf eine "rasche, starke handelsfähige Regierung" in Deutschland und auf eine "vernünftige, kluge Standort- und Industriepolitik" Berlins.
Die jüngsten, antisemitischen Angriffe auf Fans des Fußballklubs Maccabi Tel Aviv in Amsterdam nannte Schallenberg "verstörend" und "schockierend". Er forderte eine "völlige Aufklärung" durch die niederländischen Behörden.
Politische Zukunft in neuer Regierug offen
In Sachen Nahost-Konflikt ließ Schallenberg einmal mehr wissen: Jeder Angriff auf die Soldaten der UNO-Mission UNIFIL im Südlibanon, zu der auch 160 Österreicher gehören, "ist schlicht inakzeptabel". Er sprach sich dafür aus, dass die libanesische Armee so gestärkt werde, damit sie in den Gebieten der Hisbollah für Recht und Ordnung sorgen könne.
"Langweilig wurde mir nie. Amtsmüdigkeit verspüre ich nicht", sagte der seit fünf Jahren im Amt befindliche Außenminister. Ob er Lust habe, in einer neuen Bundesregierung weiter "den Außenminister zu machen", wenn er gefragt würde? "Ich würde mir das dann einfach überlegen", legte sich Schallenberg nicht fest.