Immer häufiger werden Insolvenzen als Geschäftsmodell missbraucht, wie die Arbeiterkammer warnt. Das unternehmerische Risiko werde somit "auf die Allgemeinheit abgewälzt".
Die Arbeiterkammer (AK) verzeichnet in ihrer Insolvenzberatung in den vergangenen Jahren "einen besorgniserregenden Trend": "Immer häufiger werden Insolvenzen quasi als Geschäftsmodell missbraucht", so die Leiterin der AK-Wien-Abteilung Insolvenzschutz Karin Ristic am Dienstag bei einem Pressetermin in Wien. Dies werde weiter funktionieren, "solange es keine Erstauftraggeber-Haftung" gebe.
Ristic verweist beispielsweise auf einen Fall eines Immobilienentwicklers in Wien - nicht die Signa, der sich "zum Krimi entwickelt" habe. Das Firmengeflecht des Immo-Entwicklers umfasse 20 Unternehmen, manche insolvent, manche bereits als Scheinfirmen identifiziert, mit immer den gleichen Personen in der Geschäftsführung, so die AK-Expertin. Vollzeitbeschäftigte Bauarbeiter seien geringfügig oder knapp über der Geringfügigkeitsgrenze als Angestellte angemeldet gewesen. Die AK fordert schon seit längerem eine Haftung des Erstauftraggebers für Löhne und mehr Kontrollen, um Lohn- und Sozialdumping sowie Schwarzarbeit einzudämmen.
Nicht nur in der Baubranche ist es laut Arbeiterkammer üblich, Aufträge an Subunternehmen und von diesen teilweise weiter an Sub-Subunternehmen zu vergeben. "Dadurch entledigen sich die Erstauftraggeber ihrer Verantwortung und es entstehen Subunternehmerketten, die einen idealen Nährboden für Sozialbetrug, Schwarzarbeit und Lohndumping bilden", so die AK-Kritik.
Die Arbeiterkammer will aber nicht den Großteil der Pleiten in ein schiefes Licht rücken. "Insolvenzen bzw. Scheitern sind Teil der unternehmerischen Realität", so Ristic. Zu den größten Insolvenzen nach Beschäftigtenanzahl heuer zählte laut AK die Pleite der Österreich-Tochter des polnischen Textil-Diskonters Pepco mit 627 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, gefolgt vom niederösterreichischen Dämmstoffproduzenten Brucha (572 Arbeitnehmer), dem Salzburger Heizungshersteller Windhager (453 Arbeitnehmer) und dem Vorarlberger Motorenkomponenten-Hersteller König (362 Arbeitnehmer).
Der Gläubigervertreter AKV erwartet heuer eine Rekordzahl bei den eröffneten Firmeninsolvenzen. Bis Ende September seien bereits über 3.000 Firmen zahlungsunfähig geworden. Der Rekord von 3.364 Pleiten für das Gesamtjahr sei erst im Vorjahr aufgestellt worden und werde vermutlich schon im Oktober fallen. Angesichts der steigenden Insolvenz- und Arbeitslosenzahlen forderte die AK erneut finanzielle Verbesserungen bei der Arbeitslosenversicherung, um Armut zu vermeiden. Das Arbeitslosengeld müsse von 55 auf 70 Prozent des Netto-Letzteinkommens erhöht werden und der Familienzuschlag "deutlich erhöht" werden, sagte die Leiterin der AK-Wien-Abteilung Silvia Hofbauer bei der Pressekonferenz. Der Familienzuschlag beim Arbeitslosengeld betrage seit dem Jahr 2001 pro Kind täglich 97 Cent. Generell müsse man die Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung an die Inflation anpassen, forderte die AK-Vertreterin.