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Koalition: Kritik am Fehlen außenpolitischer Überlegungen

Gestern, 15:44

Experten beklagen das Fehlen außenpolitischer Themen im Ringen um eine Koalitionsregierung. Je größer die internationalen Herausforderungen seien, desto geringer sei das Interesse der Politik an Außenpolitik, so der frühere Spitzendiplomat Wolfgang Petritsch Montag bei einer Diskussion des Österreichisches Institut für Internationale Politik in Wien.

Finanziell und personell sei die Außenpolitik schlecht ausgestattet, daran habe auch die Zeitenwende nichts geändert.

Dieses mangelnde Interesse ermögliche es ausländischen Kräften wie Russland, Österreich als "Einfallstor für ihre Interessen" zu nützen, warnte die scheidende außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic. Auch wenn die FPÖ nicht in der nächsten Regierung vertreten sei, wäre es "hochgradig gefährlich", wenn sie den Ersten Nationalratspräsidenten stelle. Der FPÖ-Kandidat Walter Rosenkranz habe sich für die Aufhebung der Russland-Sanktionen ausgesprochen und "mit dem Öxit kokettiert", so die grüne Abgeordnete.

Ernst-Dziedzic warnte vor Konsequenzen einer allfälligen freiheitlichen Regierungsbeteiligung

Ernst-Dziedzic warnte erst recht vor den Konsequenzen einer allfälligen freiheitlichen Regierungsbeteiligung. Der Freundschaftsvertrag der FPÖ mit Russland sei noch aufrecht, FPÖ-Parteichef Herbert Kickl habe als Innenminister Parallelstrukturen im Innenministerium aufgebaut, auch im Außenministerium habe die FPÖ dies versucht. Das Vertrauen der internationalen Geheimdienste wäre beschädigt, "wir kriegen dann keine Warnungen mehr vor Terroranschlägen", dies wäre "ein Sicherheitsrisiko. Bei einer FPÖ-Regierungsbeteiligung oder einem blauen Nationalratspräsidenten werde Österreich "ein russisches trojanisches Pferd in Europa".

Der ehemalige Spitzendiplomat Thomas Mayr-Harting verwies darauf, dass sowohl der Bundespräsident als auch der Bundeskanzler die Europa- und die Russland-Politik als essenzielles Kriterium der nächsten Regierungszusammensetzung bezeichnet hätten, "das halte ich für richtig".

Völkerrechtler Ralph Janik schlug in dieselbe Kerbe

Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU dränge die Vorstellungen eines neutralen Staates in den Hintergrund: Wo die EU als Partei involviert sei, gebe es keinen Freiraum für nationale Politik, so Mayr-Harting. Dass sich Österreich solidarisch an der Außen- und Sicherheitspolitik der EU beteilige, sowie auch die Grundlagen für die Ukraine-Politik seien der österreichischen Bevölkerung nie erklärt worden. Über die Rechtslage werde so wenig gesagt, "dass man in allgemeinen und in der qualifizierten Öffentlichkeit zu wenig weiß", so der ehemalige Spitzendiplomat.

Der Völkerrechtler Ralph Janik schlug in dieselbe Kerbe. Wenn die Neutralität als Argument für die Politik herhalten müsse, dann in den meisten Fällen deshalb, weil man bestimmte Schritte nicht setzen wolle und nicht, weil man dies nicht tun könne, so Janik. "Das Neutralitätsrecht erlaubt uns sehr viel, sobald die EU handelt." Schranken würden eher aufgebaut, weil man keine politische Verantwortung übernehmen wolle, so Janik.

Petritsch sprach von einer "sich abzeichnenden Dreier-Koalition". "Man muss auch die Radikalisierung in der FPÖ sehen", sagte der außenpolitische Berater von SPÖ-Chef Andreas Babler. "An der Person Kickl lässt sich festmachen, wie sich Partei radikalisiert hat."

Für Mayr Harting ist wesentlich, dass jede künftige Regierung die Möglichkeiten im Rahmen der EU aktiv nützt. Sicherheits-Beschlüsse wie zuletzt zu Sky Shield müssten vermehrt im europäischen Verbund organisiert werden. Auf die EU komme mehr Verantwortung zu, etwa für Osteuropa, die Ukraine und Moldau, wie auch immer die US-Wahlen ausgehen würden.

"Die Europäische Union ist unsere Referenzrahmen, das müssen wir viel stärker begreifen", sagte Petritsch. Dieser Rahmen sollte auch viel stärker von Österreich mitgestaltet werden.

(APA/Red)

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