Am Donnerstag sind von Experten vorgeschlagene Schließungen von Kliniken in Niederösterreich auf breite Kritik gestoßen.
SPÖ und Grüne forderten den Erhalt der Standorte. Die Sozialdemokratie werde gegen "die größte Spitalsschließungswelle Österreichs" kämpfen, sagte Landesparteichef Sven Hergovich in einer Pressekonferenz. Die NEOS pochten auf den Ausbau der wohnortnahen Gesundheitsversorgung. NÖ Gemeindebund-Präsident Johannes Pressl sieht Reformen als notwendig an.
Anstatt die Versorgung auszubauen, soll sie offenbar mit einem "Spitalskahlschlag" weiter verschlechtert werden, ortete Hergovich in dem Expertenpapier einen "Anschlag auf die Gesundheit". "Wir werden uns mit aller Kraft und allen politischen Möglichkeiten gegen diese Schließungen zur Wehr setzen", betonte er. "Der größte Spitalskürzungsplan in der Geschichte unserer Republik" soll in der nächsten Sitzung der Landesregierung und in einer Aktuellen Stunde im Landtag thematisiert werden, kündigte der Sozialdemokrat an.
Hergovich forderte eine "sofortige Offenlegung aller Geheimdokumente und -pläne
Hergovich forderte eine "sofortige Offenlegung aller Geheimdokumente und -pläne, ansonsten ist der Gesundheitspakt vollkommen sinnlos". Als "Steigbügelhalter für schwarz-blaue Spitalsschließungen und Vernebelungsaktionen" vor den Gemeinderatswahlen am 26. Jänner 2025 stehe die SPÖ nicht zur Verfügung. Die Sozialdemokratie sage Nein zu den beabsichtigten Schließungen von Spitälern und Stationen sowie zur "Einstellung der flächendeckenden Spitalsversorgung nördlich der Donau" und dazu, "dass Patienten im nördlichen Waldviertel offenbar künftig in Tschechien behandelt werden sollen".
Neben einer Standortgarantie für jedes Krankenhaus in Niederösterreich verlangte Hergovich eine Neuaufsetzung des Prozesses zum Gesundheitspakt und eine Auflösung der Landesgesundheitsagentur (LGA) in ihrer bisherigen Form. Es gelte, die Arbeitsbedingungen zu attraktivieren, betonte er. "Wir wollen die sinnlose, aufgeblähte Verwaltung des Bürokratiemonsters LGA beenden und das Geld in die Spitäler stecken, nicht umgekehrt", erklärte der rote Landesparteichef. Eine Rückumwandlung der 2021 in Vollbetrieb genommenen LGA in das zuvor bestehende System würde laut Hergovich jährlich 30 Millionen Euro sparen.
Niederösterreichische Grünen forderten Erhalt der Krankenhaus-Standorte
Auch die niederösterreichischen Grünen forderten einen Erhalt der Krankenhaus-Standorte. "Diese geplante Klinikschließungen sind die Folge jahrelanger Fehlpolitik der schwarz-blauen Landesregierung mit roter Beteiligung im Gesundheitsbereich gepaart mit Misswirtschaft der Landesgesundheitsagentur (LGA)", meinte Gesundheitssprecherin Landtagsabgeordnete Silvia Moser in einer Aussendung. "Die Akutversorgung muss - egal in welcher Einrichtung - auch für den ländlichen Raum, vor allem für das Waldviertel sichergestellt sein", betonte sie.
Die medizinische Versorgung sei in jedem Fall sicherzustellen, egal ob in Landeskliniken, Ambulatorien oder sonstigen Einrichtungen, hielt Moser fest. "Wir sprechen aktuell von einer weiteren dramatischen Ausdünnung der Infrastruktur und dem Verlust zahlreicher Arbeitsplätze. Eine verstärkte Abwanderung wäre unvermeidlich - im krassen Widerspruch zu allen Bemühungen, den ländlichen Raum attraktiv zu erhalten", teilte die Grüne mit.
NEOS sehen in Expertenpapier laut einer Aussendung "eine erste Diskussionsgrundlage"
Die NEOS sehen in dem am Mittwochabend medial bekannt gewordenen Expertenpapier laut einer Aussendung "eine erste Diskussionsgrundlage". Kritisch beäugt die pinke Landtagsabgeordnete Edith Kollermann aber die im Konzept vorgeschlagene Schließung von Spitälern. "Eine Bereinigung bei den Klinikstandorten muss zwar ernsthaft diskutiert werden. In jedem Fall muss aber parallel dazu der Ausbau der wohnortnahen Versorgung vorangetrieben werden. Denn derzeit werden die Spitalsambulanzen oft auch von jenen Menschen aufgesucht, die Monate auf einen Facharzttermin warten müssen oder keinen Allgemeinmediziner in ihrer Nähe haben", konstatierte Kollermann. Hier brauche es eine Umstellung auf "effizientere und patientenfreundlichere Strukturen".
Zu begrüßen sei jedenfalls eine Diskussion über Verwaltungsabbau, um mehr Geld für Patientinnen und Patienten zur Verfügung zu haben. "Und das bedeutet auch, das Verwaltungsmonster LGA in die Schranken zu weisen, eine qualitätsvolle Versorgung sicherzustellen und die Finanzierungsströme im Gesundheitswesen neu zu ordnen."
"Es ist jetzt nicht die Zeit um über irgendwelche Papiere zu diskutieren. Jetzt ist die Zeit, dass die klügsten Köpfe unseres Landes mit dem gemeinsamen Ziel daran arbeiten, das Gesundheitswesen zu verbessern, von Einsparungen war und wird nie die Rede sein", teilte der für die Kliniken zuständige Landesrat Ludwig Schleritzko (ÖVP) der APA mit. "Dass die SPÖ jetzt Unsicherheit und Unmut in der Bevölkerung verbreitet, um damit politisches Kleingeld zu wechseln, verurteile ich zutiefst." Die rote Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig sei "in alle Gesprächsrunden und auch in die Erstellung des Prozesses" zur Erarbeitung eines Gesundheitspaktes für Niederösterreich eingebunden gewesen, hielt er weiters fest.
Die Kosten und Steigerungsraten seien für Gemeinden, die im Rahmen des NÖKAS an der Krankenanstalten-Finanzierung maßgeblich beteiligt sind, kaum mehr zu stemmen, erklärte Johannes Pressl, Präsident des niederösterreichischen Gemeindebundes, in einer Aussendung. "Reformen sind auch dringend notwendig, weil wir an einzelnen Standorten auch sehen, dass die Qualität - zum Beispiel wegen Personalmangels und Unterauslastung - sich dramatisch zu verschlechtern droht." Der Vorsitzende des Landessanitätsrates, Herbert Frank, betonte in einer Aussendung: "Es werden keine Krankenhäuser ersatzlos geschlossen. Wir müssen weg von der Standortgarantie hin zu einer Versorgungsgarantie."
In dem Expertenpapier wird die Schließung von vier der 27 Spitalsstandorte in Niederösterreich vorgeschlagen, um u.a. Ressourcen zu sparen. Das Konzept sieht die Auflassung der Kliniken Hollabrunn, Korneuburg und Stockerau (Bezirk Korneuburg) vor. Diese Standorte sollen in einem neuen Krankenhaus Weinviertel Süd-West zusammengelegt werden. Der Standort Gänserndorf soll zu einem Primärversorgungszentrum werden. In den Kliniken Melk, Klosterneuburg (Bezirk Tulln), Gmünd und Waidhofen an der Thaya soll die Akutversorgung wegfallen, sie sollen zu Sonderkrankenanstalten umgebaut werden.
Laut der LGA ist kein Vorschlag fix, das Papier sei "eine von zahlreichen Arbeitsunterlagen aus dem NÖ Gesundheitspakt". Ergebnisse sollen im ersten Quartal 2025 präsentiert werden.