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Ganz Niederösterreich zum Katastrophengebiet erklärt: "Dramatische Situation"

15-09-2024, 12:44

Wegen starker Niederschläge ist Sonntagfrüh ganz Niederösterreich zum Katastrophengebiet erklärt worden. Mehrere Bewohner mussten aus Häusern gerettet werden, zahlreiche Straßen waren gesperrt.

"Wir erleben in Niederösterreich schwere, dramatische Stunden. Für viele Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher werden es wahrscheinlich die schwersten Stunden ihres Lebens sein", sagte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) nach einer Lagebesprechung des Landesführungsstabes am Sonntagvormittag.

Keine Entwarnung in NÖ: Massive Regenfälle halten an

"Wir können leider keine Entwarnung geben", weitere massive Regenfälle seien vorhergesagt. Feuerwehr-Einsatzkräfte und Spezialgeräte wurden aus den Bundesländern Steiermark, Kärnten, Oberösterreich und Burgenland angefordert, ein Assistenzeinsatz des Bundesheeres werde in die Wege geleitet. Vonseiten des Bundesheeres stehen um die 1.000 Mann zur Verfügung, hieß es vom NÖ Militärkommando.

In mehreren Gemeinden wurde Zivilschutzalarm ausgelöst. "Wir bitten Sie: Achten Sie auf sich selbst und vor allem auf die Anweisungen der Einsatzkräfte. Nehmen Sie nur Wege in Kauf, wenn es unbedingt notwendig ist", so Mikl-Leitner. Zudem sollte man sich laufend über die Lage informieren.

Überflutungen in ganz Niederösterreich, zahlreiche Häuser evakuiert

"Wir haben es mit einer noch nie dagewesenen Extremsituation zu tun", sagte Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP). Erwartet werden weitere 60 Liter Regen pro Quadratmeter in den nächsten Stunden, es werde weitere Überflutungen im ganzen Land geben. Am Vormittag werde der Stausee Ottenstein seine Speicherkapazität erreichen. Damit komme es am Kamp zu einem weiteren Anstieg der Pegel, Evakuierungen seien erfolgt bzw. im Laufen. Es sei möglich, dass die Hochwasserschutzmaßnahmen punktuell nicht ausreichen, wenn der Wert eines hundertjährlichen Hochwassers überschritten werde. "Es ist höchste Vorsicht geboten", betonte Pernkopf.

Weil sich die Unwetterlage in den vergangenen Stunden weiter verschärfte, soll um 14.00 Uhr erneut das Staatliche Krisen- und Katastrophenmanagement (SKKM) im Innenministerium zusammentreten, an dem auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) teilnehmen wird. Der Bundeskanzler stehe derzeit in Austausch mit den Vertretern der hauptsächlich betroffenen Bundesländer, hieß es.

Feuerwehren im Dauereinsatz, Mitglied gestorben

1.160 Feuerwehren waren mit 20.000 Mitgliedern im Einsatz. "Wir haben derzeit 2.000 Einsätze auf der Warteliste, und es werden minütlich mehr", betonte Landesfeuerwehrkommandant Dietmar Fahrafellner: "Die Priorität liegt auf der Rettung von Menschen." Bisher wurden 1.100 Gebäude evakuiert. Kleinste Gewässer seien zu reißenden Bächen geworden. In St. Pölten wurde der Europaplatz überflutet, es sei in mehreren Bezirken zu Dammbrüchen gekommen. Auch einige Feuerwehrhäuser seien bereits überflutet. Ein Feuerwehrmann rutschte im Bezirk Tulln bei Auspumparbeiten über eine Stiege und starb.

"Wir werden alles tun, um unsere Schulen so weit wie möglich offen zu halten", sagte Mikl-Leitner. Wer am Montag nicht in die Schule kommen könne, ohne sich selber zu gefährden, soll und kann zuhause bleiben. "Sicherheit geht vor", betonte die Landeshauptfrau. FPÖ-Bildungssprecher Hermann Brückl hatte zuvor gefordert, die Schulen in den Katastrophengebieten am Montag zu schließen.

Bereits am Samstag wurden 42 Gemeinden bzw. Katastralgemeinden zum Katastrophengebiet erklärt. Am Sonntag kamen zunächst die Bezirke St. Pölten und Tulln dazu. Dann wurde das gesamte Landesgebiet zum Katastrophengebiet erklärt.

Hausbewohner mit Booten in Sicherheit gebracht

Im Bezirk St. Pölten traten mehrere Gewässer über die Ufer. "Die Feuerwehren sind vorrangig mit Menschenrettungen aus Gebäuden oder Fahrzeugen befasst", u.a. auch mit Booten bzw. Zillen, teilte das Bezirkskommando mit. Zudem kam es zu Stromausfällen. In mehreren Häusern waren Bewohner eingeschlossen. In Markersdorf wurden vier Personen aus einem Gebäude gerettet. Nach einem Verkehrsunfall auf der B19 im Markersdorfer Gemeindegebiet rettete eine Besatzung eines Black-Hawk-Hubschraubers des Bundesheeres einen Polizisten und einen Feuerwehrmann, die im Hochwasser an der Unfallstelle festsaßen. Die beiden Einsatzkräfte wurden mittels Windenbergung durch den Helikopter in Sicherheit gebracht.

In Kirchberg an der Pielach wurde eine Person in ihrem Auto von den Wassermassen der Pielach eingeschlossen. Sie wurde von den Einsatzkräften gerettet. In Melk wurden aufgrund von plötzlich stark steigendem Wasser eines Baches fünf Personen und ein Hund aus zwei Einfamilienhäusern in Sicherheit gebracht. Zwei Bewohner davon wurden durch die Wasserrettung St. Pölten mit einem Schlauchboot gerettet.

Im Bezirk Waidhofen an der Thaya war die Lage in den Gemeinden Windigsteig, Waidhofen an der Thaya, Waidhofen an der Thaya-Land, Raabs an der Thaya und Vitis laut Bezirkskommando "weiterhin sehr kritisch". Zahlreiche Evakuierungen und Sicherungsarbeiten waren notwendig. In Waidhofen an der Thaya-Land wurde ein Wohnhaus sowie das örtliche Feuerwehrhaus überflutet. Bewohner wurden evakuiert, die Einsatzkräfte mit einem Boot in Sicherheit gebracht. In Teilen der Bezirkshauptstadt musste der Strom abgeschaltet werden, weil Trafostationen unter Wasser stehen. In der Badgasse in Waidhofen wurde der Wert eines 100-jährlichen Hochwassers überschritten.

Inzwischen wird für den Kamp bei Stiefern, einem Teil von Schönberg am Kamp (Bezirk Krems-Land), bereits ein Wasserstand von 5,50 Metern am Sonntag prognostiziert. 2002 lag der Spitzenwert am 8. August bei 6,81 und am 13. August bei 5,75 Metern. An der Donau werden bei Kienstock in der Wachau 9,56 Meter und bei Korneuburg 7,39 Meter erwartet.

Zugverkehr zwischen Amstetten und St. Valentin eingestellt

Der Zugverkehr auf der Weststrecke zwischen Amstetten und St. Valentin aufgrund von Hochwasser um 1.15 Uhr eingestellt. Am Sonntagvormittag wurde der Verkehr überhaupt zwischen Wien und St. Valentin eingestellt. Die Situation sei sehr dynamisch, auch an kleineren Flüssen wie zum Beispiel der Piesting, der Triesting oder der Schwechat könne sich sehr schnell die Lage ändern und weitere Sperren notwendig machen. "Wir können uns nur der Reisewarnung des Landes Niederösterreich anschließen und raten, zuhause zu bleiben", sagte ein Sprecher zur APA. Schienenersatzverkehr könne nur teilweise angeboten werden, weil auch die Kapazität dafür gar nicht ausreiche.

(APA/Red)

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